Mit lautem Pochen schlägt der goldene Stab von Bischof Nikolaus auf den glänzenden Boden der Kinderklinik der Uni Würzburg. Und Knecht Ruprecht schüttelt die Glocke, dass es nur so durchs Treppenhaus schallt. Schnurstracks gehen sie ins Zimmer des Kinderklinik-Direktors Professor Dr. Christian Speer. Der hat sich vorsichtshalber hinter der Tür versteckt. Vergeblich.
Knecht Ruprecht findet ihn und zückt die Rute, einen dünnen langen Tannenzweig, der so gar nicht gefährlich aussieht. Professor Speer wehrt sich lachend – und wünscht den beiden verkleideten Ärzten Dr. Matthias Eyrich und Dr. Stefan Kunzmann viel Vergnügen bei ihrem weihnachtlichen Rundgang durch die Klinik.
Weihnachten im Krankenhaus. Nirgendwo ist die Mischung aus Hoffnung, Angst, Freude und Zuneigung so intensiv. Alles, was im Krankenhaus zählt, ist der Wunsch nach Gesundheit. Die Hoffnung auf schmerzfreie Stunden – und auf baldige Genesung. „Das ist das höchste Glück überhaupt, das schönste Geschenk, wenn mein Kind gesund entlassen wird“, sagt eine Mutter leise.
Im Treppenhaus vor dem Eingang zur Station „Blaue Berge“ steht Tamiro (5) am Fenster. Schaut sehnsüchtig hinaus. „Er wartet schon seit heute mittag auf den Nikolaus“, erzählt die Mutter des Buben. „Jetzt ist er ja da“, sagt Eyrich und lächelt den Jungen an. Ein paar Meter weiter sitzt ein kleines Mädchen mit ihrem Bruder und ihren Eltern im Zimmer.
Stella darf nach Hause
„Wer ist hier der Patient? Der Papa?“, fragt der Nikolaus. Da muss die Kleine mit dem ernsten Gesicht doch kichern. Auch Stella (6) zeigt sich völlig furchtlos. Das Mädchen mit den blonden Zöpfchen strahlt. Aus gutem Grund. Sie darf Heiligabend nach Hause.
Am Ende des Ganges, im Spielzimmer der Station ertönen Gitarrenklänge, Kinderstimmen singen Weihnachtslieder. Erzieherin Christine Kynast ist heute im Dauereinsatz, studiert schon seit dem Mittag in jeder Station Lieder und Gedichte ein. Eine schöne Stimmung hat sich breit gemacht. Apfelsinen-Duft, Lebkuchen, Tannenzweige, Kerzenlicht – und jetzt kommt sogar der Nikolaus persönlich vorbei!
Die meisten kleinen Patienten sitzen auf dem Schoss ihrer Mütter oder ganz eng an Vater oder Großeltern gekuschelt. Mit großen Augen bestaunen sie die beiden stattlichen Gestalten. „Sei gegrüßt lieber Nikolaus“ singen sie und lauschen andächtig dem, was der Nikolaus zu erzählen hat.
Ein guter Mensch war er, der echte Nikolaus, hat den Menschen damals aus der Not geholfen. Auch hier in der Klinik und in allen anderen Krankenhäusern in Würzburg und der Region sind die Menschen in der Überzahl, die Gutes tun. Ob Ärzte, Doktorinnen, Schwestern, Pfleger, Erzieherinnen – sie alle schenken Hilfe in der Not – aber auch ein Lächeln und liebevolle Worte, wenn Trost nötig ist.
„Die Diagnose steht noch nicht fest, aber das Schlimmste kann man jetzt wohl ausschließen“, sagt eine Mutter und drückt ihren Sohn (2) an sich. Was kümmern sie in diesen Tagen endlose Listen mit all dem, was noch vor Weihnachten zu tun ist? Das Hier und das Jetzt zählen.
Der Bub lächelt den Nikolaus an, nuckelt vergnügt an seinem Schnuller. Freut sich wie alle anderen Kinder über die Geschenke, die Knecht Ruprecht jetzt verteilt. Der kleine Patient hat noch keine Vorstellung davon, was es bedeutet, schwer krank zu sein.
In der Station Regenbogen ein paar Treppen höher weiß man es. Die Kinder, die an Krebs erkrankt sind, müssen meist eine lange Zeit im Krankenhaus verbringen. Die Station ist wie ein zweites Zuhause für sie. Nikolaus und Knecht Ruprecht schreiten bedächtig durch die schön dekorierte Station, grüßen ins Schwesternzimmer hinein – und ernten glockenhelles Lachen. Doch ihr Ziel ist das Spielzimmer.
Auch hier ertönen jetzt vielstimmig Weihnachtslieder, auch hier strahlen die Augen der kleinen und größeren Patienten. Alle haben sich rote Nikolausmützen angezogen, sitzen bei gedämpftem Licht am Tisch zusammen.
Für den Nikolaus ist es eine besondere Station. „Hier arbeite ich hauptsächlich“, sagt Dr. Matthias Eyrich. Und dass er die meisten Kinder und Familien natürlich sehr gut kenne. Die Feier in der Station ist liebevoll vorbereitet worden. Persönliche Verse wurden verfasst, mit den Kindern zusammen Plätzchen gebacken. Die überreichen die Kinder nun stolz dem Nikolaus. „Wir werden beim Essen an euch denken“, verspricht Eyrich.
Danach drängen sich alle im Gang zusammen. Karin fotografiert eifrig. Damit die jungen Patienten ein hübsches Bild von sich und dem Nikolaus haben. Für den Rahmen, der in jedem der Päckchen steckt.
„Nikolaus!“, ruft es da von hinten im Gang aufgeregt. „Nikolaus, du hast deinen Stiel vergessen!“ Der kleine Bub bringt eifrig den goldenen Bischofsstab nach vorne. Bischof Nikolaus bedankt sich vielmals. Der Knirps strahlt stolz.
Knecht Ruprecht kitzelt derweil die wartenden Kinder mit dem Tannenzweig im Nacken. Die wehren sich genauso lachend, wie es Professor Speer vorhin getan hat. Überall werden sie heute sehnlichst erwartet. Abwechslung ist wichtig für die kleinen Patienten und ihre Eltern. „Kinder können sich zum Glück gut ablenken, das macht die Arbeit mit ihnen um vieles leichter als mit kranken Erwachsenen“, sagt Eyrich.
Kindliche Unbeschwertheit
Viele Kinder im Krankenhaus sind fröhlich, obwohl sie schwer krank sind. „Und aus dieser kindlichen Unbeschwertheit kann man als Erwachsener viel Kraft und Hoffnung schöpfen“, sagt der Klinikarzt.
Er ist jetzt im Zimmer von Moritz (1) aus Wertheim angelangt. Streicht dem kleinen Lockenkopf über die Wange. Der reckt seine Ärmchen nach oben. Der Rauschebart vom Nikolaus ist wirklich anziehend. Vor Begeisterung fällt Moritz der Schnuller aus dem Mund. Seine Mutter Kathrin kann den euphorischen Kleinen gerade noch davon abhalten, in eine ungeschälte Apfelsine zu beißen. „Gute Besserung!“, rufen der Nikolaus und Knecht Ruprecht über die Schulter zurück.