Schlechte Nachrichten für Sammler und Kuriositätenjäger: Nach 30 Jahren schließt der beliebte Antikladen in der Pommergasse. Im August 1986 hatte Evi Scheuring zunächst mit gebrauchten Weichholzmöbeln in der Pommergasse 1 begonnen und war dann in die geräumige Halle im Nachbarhaus übergesiedelt. Ihre Freundin Sabine Osterland stieß dazu, nachdem sie ihr Lokal „Konkret“ in der Juliuspromenade zugemacht hatte und ihre Liebe zu Kleinantiquitäten entdeckt hatte.
Die beiden „Mädels vom Antikladen“ ergänzen einander hervorragend: Evi, die eigentlich eine kaufmännische Ausbildung gemacht hat, arbeitete im Hinterzimmer die gebrauchten Möbel auf; die kommunikationsfreudige Sabine betreute als „Frontfrau“ die Kundschaft im Laden, was sie etwas mit schnoddrigem Humor kommentiert: „Wir sind ein eingespieltes Team: Sie schleift und ich kann dekorieren.“
Von den Kunden und aus dem Internet gelernt
Gelernt haben die beiden ihr Metier nicht, aber sie lernen jeden Tag dazu – von ihren Kunden und aus dem Internet. Denn wenn etwas angeboten wird, müssen sie sich auskennen und sofort entscheiden, was das Stück wert ist und ob es sich für den Verkauf eignet. Anfangs, so erinnert sich Evi, erwarb sie viele Möbel von Landfahrern, die auf dem Land herumkamen und bei Wohnungsauflösungen auch sperrige Teile mitnahmen. „Da stand man natürlich mit einem Bein im Knast, denn hundertprozentig sicher sein, dass es keine Hehlerware war, konnte man natürlich nie!“
Ein Händchen für Möbel, aber auch eines für die Kunden war immer gefragt, dazu jede Menge Fingerspitzengefühl, wenn es um die Räumung von Wohnungen ging. Denn da war ja meist ein Angehöriger gestorben: „Manche hingen an den Sachen; andere wollten den Krempel schnellstmöglich weghaben,“ erzählt Sabine. Und dann mussten die beiden mit vereinter „Frauenpower“ die Möbel die Treppenstiegen hinunter, in die Werkstatt, den Laden und im Zweifelsfalle wieder drei Stockwerke in die Wohnung des Kunden schleppen.
„Da braucht man schon Leidenschaft,“ geben die beiden zu. Die körperliche Anstrengung – und die festen Ladenzeiten – sind auch der Grund, warum die sie nun mit einem lachenden und einem weinenden Auge ihr Ladengeschäft aufgeben. Diesem urigen Eldorado wird auch die Stammkundschaft nachweinen, darunter private Sammler, aber auch Museen in der näheren und weiteren Umgebung. Denn hier fanden sich in ungezwungener Nachbarschaft hölzerne Beinprothesen aus dem Ersten Weltkrieg, Puppenküchen, Arzneifläschchen, Nippes in allen Variationen, Postkarten, Urkunden, Heiligenbilder, Mokkatassen, Karussellpferde, Gasmasken, Nickelbrillen, Glasaugen, Ochsenfurter Trachtenstücke und vieles mehr.
Spezialsammler und Raritätenjäger
Wer Glück hat und sich auskennt, konnte hier wahre Schätze finden, so der englische Spezialsammler, der stolz mit einer Bahn-Armbinde aus Kaiser Wilhelms Zeiten abzog, der knorrige norwegische Gartenzwergsammler, der chinesische Radiofreund, der Australier mit Faible für alte Ritterburgen oder der japanische Edeltischler, der reihenweise bemalte Zimmertüren aufkaufte, um daraus in seiner Heimat teure Designermöbel herzustellen. Und die antiken Holzski nutzt ein unerschrockener Sportler aus Oberbayern noch heute für historische Gaudi-Rennen.
Das älteste Stück – ein schlichter Brettschrank aus Julius Echters Tagen – hat in seinen rund 400 Lebensjahren sicher allerhand mitgemacht und miterlebt. Denn jedes Objekt hat ja seine ganz eigene Geschichte, auch wenn die sich oft nur bruchstückweise aufklären lässt. Materiell Wertvolles ist eher die Ausnahme, wie die lithografierte Zigarrendose, die bei Ebay 3000 Euro einbrachte. Eine herbe Enttäuschung war der einzige Geldscheinfund in einem alten Nachtkästchen: Der verknitterte 100-Reichsmark-Schein hat heute nur noch Sammlerwert!
Manche Kunden von weither machten extra einen Abstecher in die Innenstadt, weil solche Läden in ihrer Heimat kaum (mehr) zu finden sind. Zahlungskräftige Kunden waren lange Jahre die Ehefrauen der US-Soldaten, die gleich in ganzen Grüppchen kamen, um ihre Einkäufe im Container kostenlos nach Amerika zu verschiffen.
In Zeiten vor Ikea waren auch Studenten dankbare Abnehmer gebrauchter Möbel; inzwischen hat die Nachfrage nach Qualität merklich nachgelassen. Und bei den Wohnungsauflösungen haben Fernsehsendungen wie „Trödeltrupp‘“ und „Bares für Rares“ für eine große Erwartungshaltung bei den Erben gesorgt, die ihre vermeintlichen Schätze vergolden lassen wollen.
Weihnachtszeit war Hauptsaison
Hauptsaison war stets die Weihnachtszeit, wenn jedermann auf Geschenksuche war. Da die Außentüre immer offenbleiben musste, um Neugierige in den etwas versteckt gelegenen Laden zu locken, war es hier oft ziemlich kalt. Das störte die Kunden weniger, die sich hinterher im Kaufhof oder im Café wieder aufwärmen konnten. Die „Mädels“ aber hatten anschließend im Januar und Februar regelmäßig geschlossen, um sich wieder zu erholen. In Würzburg war der Laden immer eher ein Geheimtipp, frei nach der schlitzohrigen Lokal-Logik: „Sonst kefft mer noch eener was wech!“ Und wegen der kleinen Schilder auf den Fahrrädern, die auf den Laden hinwiesen, gab es immer wieder einmal Reibereien mit dem Ordnungsamt.
Jetzt müssen die beiden Hunderte von Schublädchen, Schränkchen und Fächlein ausräumen: Letzte Chance für Sammlerfreunde, Schatzsucher und Schnäppchenjäger, einen Blick in den ungewöhnlichen Laden zu werfen und noch das ein oder andere Stück zu erwerben. Am Donnerstag, 16. März, wird endgültig zugesperrt. Wer die beiden weiterhin treffen will, wird ihnen auf Flohmärkten begegnen, denn „infiziert“ bleiben sie ja!