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Würzburg: Auf den Spuren der Nazis in Würzburg

Würzburg

Auf den Spuren der Nazis in Würzburg

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    Vor der Würzburger Residenz beginnt Wolfgang Jung mit seiner Führung "Würzburg, deine Nazis". Im Südflügel der Residenz (links) war die SA untergebracht.  Foto: Thomas Fritz
    Vor der Würzburger Residenz beginnt Wolfgang Jung mit seiner Führung "Würzburg, deine Nazis". Im Südflügel der Residenz (links) war die SA untergebracht.  Foto: Thomas Fritz

    Wolfgang Jung läuft wieder durch Würzburg. Laut polternd, lebendig und nachdenklich erzählt er in seiner fünften Themen-Führung über die Stadt Würzburg und ihre Nazis. Der Journalist und Mitarbeiter dieser Redaktion beschäftigt sich sehr intensiv mit Rechtsextremismus und wollte diesem Thema eigentlich keine Führung widmen. Warum er es trotzdem getan hat, erzählt er im Gespräch mit dieser Redaktion.   

    Frage: "Würzburg, deine Nazis" heißt Ihre neue Führung. Ist Ihnen bewusst, dass Sie sich damit auf gefährliches Terrain begeben?

    Wolfgang Jung: Inwiefern?

    Weil die braune Vergangenheit in Würzburg lange verschwiegen worden ist. 

     Jung: Die Zeiten haben sich geändert. Zum 50. Jahrestag der Zerstörung Würzburgs hat der damalige Oberbürgermeister Jürgen Weber erstmals von einem Zusammenhang zwischen Nationalsozialismus und der Zerstörung Würzburgs gesprochen. Auch die Erinnerungskultur in der Stadt ist gut. Sicher gibt es in Würzburg aktive Nazis. Deswegen mache ich auch diese Führungen. Und vielleicht taucht der eine oder andere auch mal bei einer Führung auf. Aber als gefährliches Terrain sehe ich das nicht.  

    Es gab also nicht nur zwischen 1933 und 1945 Nazis in Würzburg. Wo sind diese heute in der Stadt zu finden?

    Jung: Nazi ist heute ein Oberbegriff für Rechtsextreme, Rassisten und Populisten. Die haben wir gesehen, als Pegida hier unterwegs war. Die sehen wir, wenn die ehemaligen Soldiers of Odin, heute Wotans Erben, durch die Stadt marschieren. Aber vor allem hören wir sie an den Stammtischen, wenn sie über Menschen diskutieren, die es wert sind, gerettet zu werden oder nicht. Diese Unterscheidung zwischen Menschen erster oder zweiter Klasse ist eine zentrale Idee des Nationalsozialismus. 

    In Ihren Führungen betonen Sie, dass Sie sich lange Zeit vor diesem Thema gedrückt haben, weil es bereits sehr gut recherchiert ist. Dennoch haben Sie sich damit jetzt beschäftigt. Warum? 

    Jung: Zum einen habe ich gelesen, dass viele junge Leute erschreckend wenig über das Dritte Reich wüssten. Dass sie zum Beispiel nicht mehr wissen, was SA und SS waren. Mein Hauptimpuls aber war, dass ich immer mehr Parallelen zu früher sehe. Deswegen ist es nicht nur eine Führung, die sich mit den Schauplätzen des Nationalsozialismus in Würzburg beschäftigt, sondern die deutlich machen soll, dass es nach wie vor diese Parallelen gibt.

    Nennen Sie doch mal ein Beispiel!

    Jung: Ich erzähle in der Führung das Beispiel des "Fränkischen Volksblatts", das antisemitische Forderungen eins zu eins abgedruckt hat. Heute stellt die Wochenzeitschrift "Die Zeit" die Frage, ob die Seenotrettung von Geflüchteten nicht sein gelassen werden soll.

    Als Journalist beschäftigen Sie sich seit Jahren mit Rechtsextremismus in Würzburg. Bei den Recherchen zu Ihrer Führung, hat Sie da noch etwas überraschen können?

    Jung: Ja, nämlich die Berichte der Außenstelle des Reichssicherheitshauptamtes in Würzburg, das war im Leutfresserweg. Dieser Sicherheitsdienst (SD) ist eines der zwölf Haupämter der SS gewesen und war niemanden gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Außer Heinrich Himmler, dem Reichsführer der SS. Aus den Berichten wird deutlich, dass es in Würzburg sehr wohl eine Art des sozialen Widerstands gegeben hat. Die Leute waren unzufrieden und sie haben ihre Unzufriedenheit geäußert. Die Frauen hatten keine Lust, zum Arbeitsdienst zu gehen. Weil die Frauen der Parteibonzen auch keinen Arbeitsdienst geleistet haben. Manche haben sich beschwert, weil ihnen die Sammlungen für das Winter-Hilfswerk zu viel geworden sind. 'Die sollen ihren Krieg selber bezahl!', wird ein Würzburger in den Berichten zitiert.  Es ist für mich erstaunlich gewesen, wie vielfältig dieses Gemeckere war - und wie folgenlos es geblieben ist.

    In Ihren Führungen erfahren die Teilnehmer dann auch von der Geschichte Ihres Urgroßvaters Hans Hirsch, der im Konzentrationslager gestorben ist. Warum erzählen Sie aus seinem Leben?

    Jung: Die Biographie meines Urgroßvaters nehme ich als Beispiel für die Ermittlungen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Daran lässt sich wunderbar erkennen, wie lächerlich schlecht die Gestapo ausgestattet war. Und wie allgegenwärtig sie trotzdem war - mit einem System aus Spitzeln und Zuträgern. Und einer unglaublich gut funktionierenden Bürokratie haben die meinen Urgroßvater ans Messer geliefert - und nicht nur ihn. 

    Die Führung "Würzburg, deine Nazis" endet am ehemaligen Gewerkschaftshaus in der Augustinerstraße. Wann endet denn für Sie die Aufarbeitung der Würzburger Nazivergangenheit?

    Jung: Enden wird sie nie. Wir haben hier im Gestapo-Archiv um die 18 000 Akten. Da werden noch Generationen forschen. Für den Spätherbst plane ich ein Lesebuch mit dem Titel 'Würzburg, deine Nazis".  

    Bis Ende September führt Wolfgang Jung jeden Donnerstag- und Freitagabend durch Würzburg. Start ist um 19.30 Uhr in der Hofstraße vor der Mozartschule. 

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