Hier traf man sich, tauschte sich aus, war gesellig, beisammen. In den Gaststätten und Heckenwirtschaften im Leinachtal spielte sich einst ein Stück dörfliches Lebens ab. Inzwischen gibt es für die 3200 Einwohner Leinachs nur noch eine Lokalität. Als der „Leinacher Nachtschwärmer“ jüngst erstmals einen abendlichen Rundgang durch den Ort machte, widmete er sich daher „Leinachs Wirtschaftskrise“.
Für den lokalen Agenda-Arbeitskreis Kultur als treibende Kraft war der abendliche Fußmarsch durch den Ort zunächst ein Wagnis. Die überwältigende Resonanz unter der Bevölkerung kann aber letztlich nur ein verheißungsvoller Auftakt gewesen sein zu weiteren Exkursionen auf den Spuren der Ortsgeschichte. So jedenfalls war es der allgemeinen Begeisterung der Teilnehmer zu entnehmen.
„Man kann von Leinach gar nicht genug schwärmen. Nur wird es viel zu selten gemacht.“
Gotthard Väth Leinacher Nachtschwärmer
Weil es heutzutage nicht mehr so einfach ist, im Ort in öffentlichen Gaststätten etwas zu trinken zu bekommen, hatte es sich der Agenda-Arbeitskreis Kultur zur Aufgabe gemacht, Hintergründe und Vergangenheit zu beleuchten. Dazu bedienten sich die Verantwortlichen der etwas anderen Nachtwächter-Führung des „Leinacher Nachtschwärmer“, alias Gotthard Väth. Voller Erwartung hatten sich bei der Premiere 120 Bürger, aber auch „Kiebitze“ aus dem Umland am Brunnenplatz versammelt, zur Aufarbeitung von „Leinachs Wirtschaftskrise“. Die geschichtlichen Hintergründe zu den vielen ehemaligen Lokalitäten hatte der „Nachtschwärmer“ gekonnt in gereimte Anekdoten verpackt.
Eine Reihe von Wanderwegen rund um das Leinachtal mit faszinierenden Blicken auf den Ort hat der Arbeitskreis Kultur bereits ausgewiesen und dokumentiert. Was bisher noch fehlte, war ein „Wirtschaftswanderweg“. „Man kann von Leinach gar nicht genug schwärmen. Nur wird es viel zu selten gemacht“, mahnte der Nachtschwärmer zum Auftakt des zweieinhalbstündigen Rundgangs auf den Spuren vergangener Gastlichkeit. Dabei hatten die beiden ehemaligen Leinachtalgemeinden einst wohl durchaus ihre Wertschätzung erfahren – und auch die Willkür von Adeligen und Fürstbischöfen.
Die erste urkundliche Erwähnung von „Linaha“ (das ehemalige Unterleinach) stammt aus dem Jahr 775 nach Christus. 27 adelige Geschlechter, sieben Spitäler, 31 Klöster und fünf Pfarreien hatten im Leinachtal einst Besitztümer. Die auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragenen Rivalitäten der Oberen gingen soweit, dass den als Leibeigene lebenden Einwohnern in Ober- und Unterleinach der Kontakt untereinander und Heirat beim Verlust ihres wenigen Hab und Gut versagt wurden. „Quasi amtlich angeordnet war damit die Rivalität unter den Bürgern des oberen und unteren Leinach“, stellte der Nachtschwärmer fest.
Das gesellschaftliche Leben und die Kommunikation spielten sich von Mund zu Mund, bisweilen auch „Zahn um Zahn“ überwiegend in immerhin neun Gastwirtschaften, einem Café und rund 25 Heckenwirtschaften ab. Einzig die „Leinacher Stuben“ im ehemaligen Gasthof Schunder blieben bis heute als Gastwirtschaft erhalten. Und die „Leinacher Weinwoche“ der Freiwilligen Feuerwehr aus dem oberen Leinach versucht, die Tradition der Heckenwirtschaften zu erhalten.
Dem Hintergrund der abendlichen Exkursion gewidmet, waren beide fast zwangsläufig auch Stationen des Rundgangs. Während die Floriansjünger den „Wirtschafts-Experten“ einen guten Schoppen von den rund 60 Hektar Rebfläche auf Leinachs Gemarkung kredenzten, waren die „Leinacher Stuben“ Ziel für den der Schluss-Hock. Dazwischen wurde durch heitere Anekdoten die Vergangenheit wieder lebendig.
Zu berüchtigter Berühmtheit weit über Leinachs Grenzen hinaus schaffte es das legendäre Café Franz. Das Tanzcafé im Kleinformat des Würzburger Café Ludwig oder auch die „Schwarze Katz“ oder das „Piccolo“ lebten in Gedanken wieder auf. Nur wenigen der „Nachtschwärmer“ mag bekannt gewesen sein, dass das Gasthaus „Zum Löwen“ der Familie Mahler das älteste Wirtshaus im Leinachtal ist. Es erhielt am 30. Oktober 1341 sein Schankrecht. Aber auch dort gingen inzwischen die Lichter aus.
Nach der großen Resonanz ist eine Wiederholung des „Nachtschwärmer-Rundgang“ nicht ausgeschlossen. „Geschichte und Geschichten gibt's reichlich in Leinach“, sagte „Nachtschwärmer“ Gotthard Väth.
Abendliche Führungen
Im Landkreis Würzburg gibt es viele abendliche Führungen durch die Gemeinden. Während in Leinach die Führung des „Nachtschwärmers“ durch den Ort jedoch vorrangig der Geschichte der Gastronomie galt, widmen sich andere „Nachtwächtergänge“ überwiegend den allgemeinen geschichtlichen Begebenheit der jeweiligen Orte. Abendliche Führungen finden ebenfalls statt in den Landkreisgemeinden Erlabrunn, Greußenheim, Sommerhausen, Uettingen, Veitshöchheim und in Ochsenfurt. Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.