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LANDKREIS WÜRZBURG: Auf diese Frau hören 80 Flüchtlinge

LANDKREIS WÜRZBURG

Auf diese Frau hören 80 Flüchtlinge

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    Der Spüldienst lässt arg zu wünschen übrig. Dabei gibt es einen unmissverständlichen Plan, in dem steht, wer an welchem Tag dafür zu sorgen hat, dass das Geschirr der Bewohner gereinigt wird. Doch seit einigen Tagen hapert es damit, wissen einige plötzlich nicht mehr, wie man Teller abwäscht. Pamela Liebe macht das fuchsig. Äußerlich bleibt die junge Frau ruhig. Die vergangenen Tage hat Liebe immer mal wieder ein Auge zugedrückt, Kompromisse in Kauf genommen. Heute nicht. Heute bleibt sie konsequent und hält am Abwaschplan fest: Die, die heute drin stehen, sind in der Pflicht. Spülen sie nicht, müssen sie halt den übrigen Bewohnern, die dann von schmutzigen Tellern essen müssen, Rede und Antwort stehen. Liebe setzt darauf, dass der Gruppendruck, die Spül-Verweigerer zur Einsicht bringt.

      „Viele erzählen von ihren Schicksalen. Da sind furchtbare Geschichten bei.“

    Pamela Liebe Kümmererin

    Die 34-jährige Bergtheimerin ist eine von vier so genannten Kümmerern, die als Mitarbeiter des Landratsamtes vor Ort in den Notunterkünften als Ansprechpartner den Flüchtlingen zur Verfügung stehen und dafür sorgen, dass das Leben in den Unterkünften funktioniert. Liebe ist kürzlich mit „ihren Bewohnern“, wie sie die Flüchtlinge nennt, von Margetshöchheim ins Ochsenfurter Palatium umgezogen. In den ehemaligen Büros der Landratsamts-Außenstelle lebt es sich schon etwas komfortabler als in der Sporthalle. Dort haben lediglich bespannte Bauzäune den riesigen Raum in kleinere Parzellen unterteilten. Hier gibt es echte Zimmer, auch wenn man sie sich natürlich mit mehreren teilen muss. „Wohin kommen wir?“, „Wie lange werden wir dort sein?“, „Gibt es dort Türen? Kann man die Zimmer abschließen?“ – Fragen, die Liebe in der zurückliegenden Zeit häufig beantworten musste.

    Für Liebe ist es der erste Job im sozialen, betreuerischen Bereich. Die gelernte Veranstaltungskauffrau war einige Zeit arbeitslos, dann rief das Jobcenter bei ihr an: Sie sei zu einem viertägigen Praktikum eingeladen, als Betreuungshelferin in einer der Flüchtlingsnotunterkünfte. „Ich wusste nicht genau, was das heißt, aber ich war da ganz offen und dachte mir, das schau ich mir einfach mal an“, erzählt Liebe.

    17 potenzielle „Kümmerer“ hatte das Jobcenter aus ihren Akten herausgefiltert. Aus diesem Pool suchte man in Absprache mit Paul Justice, Chefkoordinator für die Notunterkünfte im Landkreis, wiederum eine Handvoll Bewerber aus, die sich dann im Praktikum beweisen sollten. Schließlich ist dieser Job nicht jedermanns Sache. Es braucht schon besondere Persönlichkeiten dafür. Ihnen muss der Umgang mit ganz unterschiedlichen Menschen liegen, sie sollten offen für die Kultur des anderen sein und auch in schwierigen Situationen immer einen kooperativen Weg anpeilen. Im Anforderungsprofil liest sich das dann so: „Positive Grundeinstellung gegenüber Flüchtlingen“.

    Vier Kümmerer hat der Landkreis inzwischen engagiert. Ihr Gehalt zahlt allein Landkreis. Im Gegensatz zu den anderen Kosten rund um die Flüchtlingsunterkünfte oder -verpflegung ist dafür nämlich bislang keine Kostenübernahme seitens des Freistaates oder des Bundes geplant.

    Auch wenn die Stellenbeschreibung „Kümmerer“ zunächst merkwürdig klingen mag, umschreibt sie das Aufgabenfeld von Liebe und ihren Kollegen doch recht präzise. Sie müssen ein Auge darauf haben, dass die Hygienestandards in den Notunterkünften eingehalten wird, dass die Essensausgabe funktioniert, dass kranke Flüchtlinge ärztliche Behandlung bekommen, zugleich aber den mitunter reflexhaften Ruf nach einem Arzt auf seine Notwendigkeit hin prüfen. Ist die nicht gegeben, müssen die Kümmerer den Bewohnern vermitteln, dass Wehwehchen wie Halsschmerzen oder kleinere Schürfwunden in der Regel auch ohne die Konsultation eines Mediziners zu überstehen sind. Obendrein managen die Kümmerer die Termine und Fahrten der Flüchtlinge etwa zu Behörden. Dass genügend Kindernahrung vorrätig ist sowie andere Pflegemittel für die Kleinkinder gehört ebenfalls zu ihren Aufgaben.

    Und noch etwas müssen die Kümmerer haben, was nicht in der Stellenbeschreibung steht: Ein offenes Ohr und die Fähigkeit, das Gehörte in der Notunterkunft zu lassen, wenn der Arbeitstag zu Ende. „Viele erzählen von ihren Schicksalen. Da sind wirklich furchtbare Geschichten dabei“, sagt Liebe. Wenn man es dann nicht hinbekomme, am Feierband eine gesunde Distanz dazu herzustellen, könne man den Job nicht lange aushalten, ist Liebes Erfahrung.

    Lieb beherrscht offensichtlich das Spiel mit der „gesunden Distanz“. Nach der Arbeit geht sie zum Sport und „wenn ich abends die Nachricht schaue, dann ist das wie vor dem Job.“ Auch wenn die internationale Flüchtlingskrise nun Teil ihres Arbeitsalltags geworden ist. Ihr Blick gilt den hilfesuchenden Menschen, um die sich nun kümmern muss. Das sie das nicht nur Muss, sondern auch will, ist offensichtlich. Liebe lacht viel, geht mit den Flüchtligen freundschaftlich und vertrauensvoll um, ohne sich auf der Nase herumtanzen zu lassen. Die Erwachsenen respektieren sie, die Kinder sind in sie vernarrt – und Liebe in die Kinder.

    Sollten Situationen auftreten, die Liebe nicht vor Orte lösen kann und sie als Buhmann dastehen ließe, übernimmt das Landratsamt diese unbequeme Rolle. Dann setzen Paul Justice oder seine Kollegin Kerstin Gressel qua Amt die Vorgaben durch. Der Effekt: Die Spielregeln werden eingehalten, aber das gute Verhältnis zwischen Liebe und „ihren 80 Bewohnern“ bleibt unbelastet.

    Als Liebe die Treppe aus dem ersten Stock herunterläuft, kommen gerade drei junge Männer aus der Küche. „Wir haben alles gespült“, geben sie ihr zu verstehen. Sie lächeln ihre Kümmerin entschuldigend, versöhnlich an. Liebe quittiert es mit einem Lächeln – und geht weiter.

    Innerlich ist sie aber gerade mächtig stolz auf sich. „Es hat funktioniert. Ich bin konsequent geblieben und sie haben eingesehen, dass sie sich unsere Abmachungen halten müssen.“ Und das ganz ohne die Hilfe ihrer Landratsamtschefs. „Ein gutes Gefühl“, sagt Liebe, dreht sich um und kümmert darum, dass ein Flüchtling seinen Arzttermin auch einhält.

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