Walter S. (Name geändert) ist ein gestandener Mann. Ein Handwerksmeister. In Kürze wird er 63 Jahre alt. Viele Schwierigkeiten hat er im Leben bewältigt. Doch was er jetzt erleben muss, ist mehr, als er verkraften kann. „Ich finde einfach keine Wohnung“, sagt der ehemalige Berufsschullehrer und führt das Taschentuch, das er in seiner linken Hand zerknüllt, an die Augen. Ende März muss Walter S. aus dem WG-Zimmer, in dem er seit 14 Jahren wohnt. Seit Dezember sucht er vergeblich nach einer neuen Bleibe.
Der Theologe versucht zu helfen
Nur sehr wenige Menschen aus seinem großen Bekanntenkreis wissen, wie schlecht es Walter S. geht. Kürzlich vertraute er sich aber Pfarrer Gerhard Roth an. Der war sofort bereit, Walter S. zu unterstützen. Denn Roth hält große Stücke auf ihn. Der evangelische Theologe, der vor sieben Jahren in Rente ging, kennt Walter S. noch aus der Zeit, als sich der Handwerker für die Tafel in Grombühl engagierte. Auch begegnete er Walter S. oft bei kirchlichen Veranstaltungen.
Die beiden klappern Vermieter ab
Pfarrer Roth weiß, dass es in Würzburg schwer ist, eine günstige Wohnung zu bekommen: „Doch ich hatte keine Ahnung, welche Dimension das Problem hat.“ Zusammen mit Walter S. klapperte Roth in den vergangenen Wochen Vermieter von günstigen Ein-Zimmer-Wohnungen ab. Oft hagelte es sofort Absagen, obwohl die Miete in diesem Fall direkt vom Jobcenter käme. Roth: „Es scheint aber so, als wollten Vermieter nichts mit dem Amt zu tun haben.“
Wartezeit auf dem Amt
Jene Vermieter, die sich auf einen Hartz IV-Bezieher einlassen würden, werden auf eine Geduldsprobe gestellt. Denn Walter S. darf einen Mietvertrag nicht vor Ort unterschreiben. „Ich muss damit erst zum Jobcenter gehen“, erklärt er. Dort wird der Mietvertrag eingesehen und im besten Fall genehmigt. Nun dauert es oft eine Woche, bis ein Leistungsbezieher einen Termin beim zuständigen Sachbearbeiter bekommt. So lange warten wollen die wenigsten Vermieter.
Genossenschaften keine Alternative
Gerhard Roth und Walter S. kontaktierten auch die Wohnungsgenossenschaften. Was die beiden nicht wussten: Eine Wohnung gibt es nur, wenn man Anteilsscheine kauft. „Bei einer der Genossenschaften hätte das über 300 Euro gekostet“, sagt Walter S.: Geld, das er nicht hat. Aber auch mit dem Besitz von Anteilsscheinen wäre nicht gesagt, dass er auf absehbare Zeit eine Wohnung bekommt: „Es hieß, man muss bis zu 18 Monate warten.“ Falls nicht vorher jemand stirbt.
Angst vor der Obdachlosenunterkunft
Bevor sich Walter S. abends auf seine kahle Matratze legt, trinkt er ein oder zwei Bier: „Damit ich wenigstens ein paar Stunden schlafen kann.“ Spätestens um 6 Uhr morgens ist er wach. Und wieder beginnt die Verzweiflung darüber, dass er vielleicht bald auf der Straße stehen wird. Was bedeutet: Walter S. wird in die Obdachlosenunterkunft in der Sedanstraße ziehen müssen. Doch da will er auf keinen Fall hin: „Dann bin ich endgültig unten.“ Zwar hat er das Haus noch nie von Innen gesehen. Aber gehört hat er schon viel: „Ich weiß, dass ich ziemlich sicher zumindest am Anfang kein Zimmer für mich alleine haben werde.“
Walter S. wurde verprügelt
Vor 14 Jahren, bevor Walter S. in sein WG-Zimmer zog, hatte er in einer anderen Stadt Unterfrankens schon einmal in einer Obdachlosenunterkunft gehaust. Ein Erlebnis, das er niemals vergessen wird. „Einmal kamen zwei Männer und eine Frau und haben mich verprügelt“, berichtet er mit feuchten Augen.
Als Gerhard Roth sah, dass die Zeit davonrennt und die Angst Walter S.' vor Obdachlosigkeit immer größer wird, klapperte er in Würzburg die Klöster ab und fragte nach einem Notzimmer für ein paar Wochen: „Doch selbst das gibt es nicht.“ Gerhard Roth kann nicht fassen, wie es armen Menschen in Würzburg inzwischen ergeht. „Als ich noch Pfarrer war, ist mir Wohnungslosigkeit niemals als seelsorgerliches Problem untergekommen“, bekennt er.
Arme hausen manchmal würdelos
Für Roth ist es würdelos, was arme Menschen auf der Suche nach einem Zimmer durchmachen müssen, und menschenunwürdig, wie sie oft hausen. Vor wenigen Tagen sah Roth erstmals auch, wie Walter S. lebt. In seinem zwölf Quadratmeter großen Zimmer, das wegen eines Heizungsdefekts gerade nicht beheizt werden kann, vegetiert er mit wenigen, komplett heruntergewirtschafteten Möbeln. Aus einem zerbrochenen Gestell, das früher einmal einen Schrank darstellte, quillen Klamotten. Gegenüber der Tür liegt eine schmale, verschmutzte Matratze ohne Überzug, darauf eine Wolldecke.
Größter Traum: eine eigene Wohnung
Das Haus, das diese WG beherbergt, wird generalsaniert. Deshalb müssen alle raus. Einige Zimmer sind schon leer: „Wir leben noch zu viert hier.“ Früher waren es acht Männer, die sich die Küche und das Badezimmer teilten. Endlich mal wieder eine Wohnung ganz für sich zu haben, das wäre Walter S.' größter Traum. Wer Walter S. eine Wohnung anbieten möchte, kann sich unter WSwhg@web.de an Gerhard Roth wenden.