Es waren Jahre der Herzlichkeit, geprägt von vielen gegenseitigen Besuchen. Doch von dem, was die Partnerschaft von Helmstadt und der italienischen Gemeinde Chiusi della Verna vor allem zwischen 1990 und 2000 ausgemacht hat, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Sogar die Schilder, die einst am Ortseingang von Helmstadt auf die Beziehungen hinwiesen, wurden 2010 nach einem Gemeinderatsbeschluss abgebaut, weil sie beschädigt und unansehnlich waren.
Ihren Anfang nahm die Partnerschaft im Jahr 1988 bei einem Besuch des Helmstadter „Orgelprofessors“ Günther Kaunzinger in Chiusi della Verna, einem Dorf mit etwa 2000 Einwohnern in der Toskana. Kaunzinger weilte dort am 5. und 6. Juli, weil er einen Auftritt bei einem Konzert hatte. Am Abend des 6. Juli saß er mit dem damaligen Bürgermeister Angelo Pietrini bei einem Glas Chianti zusammen. Bei dieser Gelegenheit bot Pietrini Kaunzinger eine Städtepartnerschaft an. Er verfasste ein entsprechendes Schreiben an den damaligen Bürgermeister und heutigen Ehrenbürger von Helmstadt, Hermann Schlör. Weil Pietrini nichts anderes zur Hand hatte, notierte er es auf die Rückseite einer Speisekarte. Pietrinis Idee war, mit Hilfe einer Partnerschaft die auf den Zweiten Weltkrieg zurückgehenden Vorurteile und Aversionen gegen Deutsche zu beseitigen.
Am 24. Juni 1989 kam die erste italienische Delegation mit zwölf Personen nach Helmstadt. Es folgte im August 1989 ein Besuch des damaligen Pfarrers Udo Leiser mit den Ministranten und deren Betreuern in Chiusi della Verna. Am 6. September 1990 fuhr eine offizielle Helmstadter Delegation mit dem damaligen Dritten Bürgermeister Viktor Kempf nach Italien. Die italienische Herzlichkeit, mit der sie aufgenommen wurden, überraschte und begeisterte die Besucher zugleich.
Am 11. November 1990 wurde der offizielle Vertrag einer „Städtepartnerschaft für den Frieden und für Europa“ zwischen Helmstadt und Chiusi della Verna von den Bürgermeistern Schlör und Pietrini feierlich im „Haus Frohsinn“ in Helmstadt unterzeichnet. Die Gegenzeichnung in Italien erfolgte am 20. Juni 1991. „Zunächst war ich skeptisch“, erinnert sich Schlör. „Der ursprüngliche Antrag war in Weinlaune verfasst worden und ich sah auch Schwierigkeiten, weil es Vereine wie bei uns in Italien so nicht gibt“, sagt er. Aber dann habe sich die Sache doch gut entwickelt. Schlör selbst war mit seiner Frau zweimal in Chiusi della Verna. Höhepunkt war für ihn der Besuch am 17. September 1993, als er an einem gemeinsamen Mittagessen mit Papst Johannes Paul II. teilnehmen und ihm zum Abschied die Hand schütteln durfte.
Schlör erinnert sich an ein paar Anekdoten aus dieser Zeit. Zum Beispiel an die, als Gäste aus Italien in Helmstadt ins Gasthaus „Krone“ eingeladen waren. Es gab Fränkisches Hochzeitsessen, also Rindfleisch mit Meerrettich und Nudeln. „Mit dem Meerrettich konnten die Italiener gar nichts anfangen“, erzählt Schlör und lacht. Und noch eine Geschichte fällt ihm ein: Beim ersten Besuch in Italien hatten die Helmstadter drei Fässle Bier dabei, aber keine Bierkrüge. „Da haben wir das Bier aus Weingläsern getrunken“, erzählt Schlör.
Die gegenseitigen Besuche erfolgten zunächst jährlich. Viele Freundschaften entstanden, mit Einladungen zu Familienfeiern wie Hochzeiten. Auch die Pfarrgemeinden tauschten sich aus. Matthias Haber, der Vorsitzende des Partnerschaftskomitees, eignete sich erst ein paar Brocken Italienisch an, wurde aber im Laufe der Zeit immer besser und konnte schließlich bei Treffen dolmetschen. Damit möglichst viele seinem Beispiel folgten, wurden in Helmstadt Italienisch-Kurse angeboten, die viel und gerne besucht wurden.
Zu einem Abflauen kam es 1994, als Bürgermeister Pietrini abgewählt wurde. Sein Nachfolger Claudio Tellini war nicht mehr im gleichen Maße am Erhalt der Partnerschaft interessiert wie sein Vorgänger. 1995 erschien Tellini zwar noch zur Feier des fünfjährigen Bestehens der Partnerschaft in Helmstadt. Danach sagte er zwischen 1998 und 2004 aber gleich mehrere Besuche in Helmstadt ab – meist recht kurzfristig und aus Gründen, die den Franken wie vorgeschoben vorkamen.
Das am 21. Oktober 1994 gegründete Helmstadter Partnerschaftkomitee bemühte sich, die Kontakte aufrechtzuerhalten. 2007 besuchte Pietrini noch einmal Helmstadt, um dabei zu betonen, wie viel ihm diese Partnerschaft bedeute. Doch als das Partnerschaftkomitee im gleichen Jahr ein schriftliches Begegnungsangebot nach Chiusi della Verna schickte, gab es darauf keine Antwort.
Das Komitee besteht aber weiterhin und hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Beziehungen wieder aufleben. „Es war eine sehr erfüllte Zeit, auch über die Entfernung und die Sprachbarrieren hinweg“, schwärmt Haber. Auch Schlör denkt gern an die intensivsten Jahre zurück: „Im Großen und Ganzen haben wir alle viel gelernt. Es hat viele innige Kontakte gegeben, auch privat – schade, dass die Partnerschaft eingeschlafen ist.“