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KÜRNACH: Aus für Schlecker-Regionallager in Kürnach

KÜRNACH

Aus für Schlecker-Regionallager in Kürnach

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    Unübersehbar: Das 10 000 Quadratmeter große Regionallager des Drogerie-Discounters Schlecker an der Autobahn A 7 bei Kürnach. Es wurde 1991 in Betrieb genommen.
    Unübersehbar: Das 10 000 Quadratmeter große Regionallager des Drogerie-Discounters Schlecker an der Autobahn A 7 bei Kürnach. Es wurde 1991 in Betrieb genommen. Foto: Foto: Theresa Müller

    Der Abbau beim Drogerie-Riesen Schlecker trifft auch die Region Würzburg: Nicht nur zahlreiche Filialen machen dicht. Bis Ende September schließt auch das Regionallager an der A 7 in Kürnach. Betroffen sind 129 Beschäftigte.

    Spekulationen gab es schon länger. Am Mittwochmorgen aber platzte die Bombe, eine Betriebsversammlung wurde über Lautsprecher einberufen. Dann wurden die Mitarbeiter über die Pläne zur Schließung des Lagers mit einer Fläche von rund 10 000 Quadratmetern informiert. Zuvor, so Schlecker-Sprecher Patrick Hacker auf Anfrage, habe es Gespräche mit dem örtlichen Betriebsrat gegeben. Genauere zeitliche Angaben zur Schließung konnte er am Mittwoch nicht machen.

    Den Lager-Mitarbeitern in Kürnach fuhr die Ankündigung und der drohende Arbeitsplatzverlust gehörig in die Glieder. Kreidebleich hätten viele die Versammlung verlassen, berichten Anwesende. Man habe den Betriebsrat zu weiteren Gesprächen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan eingeladen, sagt der Unternehmenssprecher. Den Mitarbeitern möchte man eine Weiterbeschäftigung in anderen Regionallagern anbieten. Diese freilich sind meist hunderte Kilometer entfernt.

    Dass Kürnach geschlossen wird – davon fühlt man sich selbst im Gesamtbetriebsrat von Schlecker Deutschland überrumpelt. Zwar habe der Wirtschaftsausschuss des Konzerns im November eine Schließung von bundesweit „vier bis fünf“ Lagern nicht ausgeschlossen. Nun aber steht man vor vollendeten Tatsachen – dies sorgt für Ärger bei Ursula Bieber aus Hammelburg, Mitglied im Gesamtbetriebsrat. Über ein Ende für Kürnach sei man von der Unternehmensleitung mit keiner Silbe informiert worden: „Es wäre die Pflicht des Arbeitgebers, vorher mit dem Betriebsrat darüber zu reden.“

    Radikaler Sanierungskurs

    Die Drogeriekette hat vor etwa zweieinhalb Jahren einen radikalen Sanierungskurs eingeschlagen. Allein seit November haben nach Main-Post-Informationen an die 1000 von 8000 Märkten zugemacht – darunter auch in der Kürnacher Ortsmitte, wo Schlecker am 28. Dezember von heute auf morgen zumachte. Das Unternehmen steckt nach Einschätzung von Branchenkennern in großen finanziellen Schwierigkeiten und versucht mit einem Umbau aus den roten Zahlen zu kommen. Wie unsere Zeitung aus verlässlicher Quelle erfahren hat, bezahlt Schlecker mangels Gewinn am Standort Kürnach keine Gewerbesteuer mehr. Ein Indiz für die prekäre Lage bei dem 1975 von Metzgermeister Anton Schlecker gegründeten Familienunternehmen, das heute nach eigenen Angaben führender Drogerie-Discounter in Deutschland und Europa ist.

    Von 17 Regionallagern im Jahr 2009 wurden zuletzt die Standorte Berka (Thüringen), Upahl (Mecklenburg-Vorpommern), Ingolstadt (Bayern) und das schwäbische Berg geschlossen bzw. das Ende angekündigt. Von Kürnach aus werden Filialen im Umkreis von 150 bis 200 Kilometer beliefert – bis nach Frankfurt, nach Thüringen und in die Oberpfalz.

    Völlig überrascht von der bevorstehenden Schließung in Kürnach zeigte sich am Mittwoch die WM Handelslogistik GmbH, die im Auftrag Schleckers die Lieferungen von Kürnach aus abwickelt. „Die Information ist uns komplett neu“, sagte Geschäftsführer Günter Artinger auf Anfrage. Betroffen sind seine Firma ebenso wie beauftragte Fahrer.

    „Fit for Future“ nennt Schlecker sein Programm der Umstrukturierung. Einzelne Märkte, so Unternehmenssprecher Hacker, würden geschlossen, wenn sie wirtschaftlich keine Perspektive haben. Ziel sei es, den „Mitarbeiterstamm so gut wie möglich zu erhalten.“ Mit der Gewerkschaft Verdi wurden im vergangenen Jahr für rund 30 000 Beschäftigte ein Beschäftigungssicherungs- und Sozialtarifvertrag vereinbart. Nun will die Drogeriekette auch noch über ein Sanierungsprogramm mit der Gewerkschaft verhandeln.

    Kritik von der Gewerkschaft

    Auf die Lager-Schließung in Kürnach reagiert der Würzburger Verdi-Sekretär Peter König einigermaßen angefressen: „Das ist typisch Schlecker. Statt gemeinsam mit der Gewerkschaft Konzepte zu entwickeln, wird einfach dicht gemacht.“ Verdi werde sich mit dem Betriebsrat vor Ort in Verbindung und sich für die Beschäftigten einsetzen. Der Sozialtarifvertrag läuft bis Juni 2012. Bei Kündigungen im September wird er vermutlich nicht mehr greifen. Der Schlecker-Konzern stand in der Vergangenheit wegen seiner Mitarbeiterführung und seiner restriktiven Informationspolitik in der Kritik. Zuletzt wurde dem Unternehmen eine gewisse Öffnung bescheinigt.

    Kürnachs Bürgermeister Thomas Eberth erfuhr am Mittwoch von unserer Zeitung, dass das weithin sichtbare Lager im Industriegebiet am Wachtelberg bald der Vergangenheit angehört. Er zeigte sich überrascht, aber nicht gänzlich verwundert: „Bei Schlecker ist das ein schleichender Tod.“ Vier Hektar Grund hatte Schlecker 1990 von der Gemeinde an der früheren Autobahn-Auffahrt gekauft, um das Logistikzentrum zu bauen. Es wurde 1991 in Betrieb genommen. Das Grundstücksgeschäft war nicht unumstritten: Der Landkreis gab – um Arbeitsplätze zu sichern – damals einen Zuschuss von 300 000 D-Mark.

    Eberth bedauert das Aus für Schlecker. Gleichzeitig ist er überzeugt, „dass wir bei der attraktiven Lage des Geländes schnell eine gute Nachnutzung finden.“ Der Bürgermeister geht davon aus, dass auch die Mitarbeiter in anderen Betrieben unterkommen. Schlecker war 1991 größter Arbeitgeber in Kürnach. Mittlerweile wurde er von den angesiedelten Nußbaumer, Dachser, Geis und GLS überflügelt.

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