Vor einigen Jahren trat die deutsche Betonindustrie mit dem Werbeslogan auf den Plan: „Beton - es kommt drauf an, was man draus macht“. Es ging wohl darum, das schlechte Image eines Werkstoffes, für das „Betonköpfe“ beim Wiederaufbau nach dem Krieg gesorgt hatten, aufzupolieren. Nun ist Beton wieder einmal zum Streitpunkt geworden, denn aus diesem Material soll eine röhrenförmige Aussichtskanzel an der Vorzeige-Weinlage Würzburger Stein gebaut werden.
Dass man Beton heute durch Farbgebung, Struktur und Oberflächenbehandlung ein naturnahes Aussehen geben kann, hat die Stadt eben erst bei der Neugestaltung des Peterplatzes demonstriert. Doch ist Beton das Richtige für eine Kanzel im Stein? Und braucht es dergleichen überhaupt?
Am Samstag hatte der Verein Stein-Wein-Pfad als Träger der Baumaßnahme die Bevölkerung an den „Tatort“ eingeladen. Am oberen Ende der Rotkreuzsteige, einem geteerten Wege vom Weingut Knoll zum Bismarckturm, soll die Plattform am Rand zwischen Weinberg und Wald entstehen und einen von zwölf „magischen Orten des Frankenweins“ markieren. „Über Reben schweben“ ist dabei die tragende Idee für den Stein, wie der Vereinsvorsitzende Horst Kolesch, Leiter Weingut Juliusspital, erläuterte. Die Kanzel könnte einmal Ausgangs- und Endpunkt des gut vier Kilometer langen Rundweges durch den Stein sein.
„Der Blick ist auch ohne eine solche Plattform gut“
Matthias Pilz Grünen-Stadtrat
Mit einem Absperrband hatte der Verein die Ausmaße abgesteckt: Das polygonale Gebilde reicht etwa zwölf Meter in den Weinberg hinaus. Man betritt die Röhre an einer schmalen Stelle, vorne weitet sie sich auf etwa acht Meter und schwebt drei Meter über dem Weinberg. So soll der weite Rundblick freigegeben werden über die mit 86 Hektar Fläche größte zusammenhängende Einzellage Deutschlands, auf dem jährlich Trauben für 700 000 Bocksbeutel geerntet werden. Zur Plattform gehört ein eigenes Informationssystem „Goethes Gästebuch - Wein inspiriert“, das den Besuchern Informationen über Würzburg, den Wein vom Stein aber auch über das gesamte „Terroir f“, die magischen Orte des Frankenweins, geben soll.
„So ein Firlefanz, das ist unnötig wie ein Kropf“, schimpft Friedrich Düll aus Oberdürrbach, der mit seiner Frau viel am Stein läuft. „Es gibt hier genügend Aussichtspunkte. Ein paar Bänke zum Ausruhen würden völlig reichen“, sagt er und setzt nach: „Anscheinend war die Ernte so gut, dass ihr euch solche Pflenz erlauben könnt.“ Er spielte damit auf die Kosten von 100 000 Euro an, wobei mehr als die Hälfte aus öffentlichen Mitteln kommt.
Solchen Kritikern konnte Kolesch jedenfalls nicht mit den Argumenten überzeugen, welche wirtschaftliche Bedeutung der Weinbau für die Region habe und dass man das touristische Potenzial, das der Stein besitze, weiterentwickeln müsse.
Auch andere Argumente des Vereins werden wohl die Front der totalen Ablehner kaum erreichen: Dass der Bismarckturm diesen magischen Ort nicht markieren könne, weil er zu tief im Wald liege und keinen Rundumblick biete und dass Frankens Weinlandschaft seit jeher Baumeister inspiriert habe und dass auch die heutige Zeit mit Mut und Liebe zum Detail unverwechselbare Bauten schaffen dürfe, die in ihrer architektonischen Qualität für den jungen, modernen Frankenwein stehen.
Ob Beton an diesem Ort das Richtige ist, um dieses Ziel zu erreichen, daran hat Andree Runge Zweifel. „Wir sind Anlieger hier, und ich bin mit diesem Bauwerk gar nicht glücklich. Es passt nicht hierher. Wenn man schon glaubt, so etwas zu brauchen, dann hätte man mit Stahl, Holz und Glas etwas Filigraneres entwickeln müssen“, meint er.
Auch im Stadtrat wird der Verein, hinter dem die Weingüter Juliusspital, Bürgerspital, Hofkeller, Knoll, Reiss, das Schlosshotel Steinburg, die Stadt Würzburg und der Main-Franken-Kreis stehen, noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Der Blick ist auch ohne Plattform gut“, meint Matthias Pilz von den Grünen. Er steht den Plänen nicht ablehnend gegenüber, befürchtet aber als Folge die Forderung nach einem Straßenausbau in diesem empfindlichen Bereich. Jürgen Weber von der Würzburger Liste steht dem Projekt offen gegenüber, sieht aber den Verein vor einer großen Herausforderung stehen, weil„die Leute sensibilisiert sind“. Karl Graf (FDP) sieht das größte Problem darin, dass das Bauwerk bei nächtlichen Gelagen verunreinigt werden könnte. Dagegen müsse vorgesorgt werden. Von unten werde das Bauwerk jedenfalls nicht negativ wahrgenommen. Holger Grünwedel von den Linken hält den Standort für richtig und auch das Argument, dass man etwas für den Tourismus tun müsse. Bei der Gestaltung müsse man aber sehr sensibel vorgehen. Stadträte der CSU waren nicht gekommen.
Am Ende des Tages zog Kolesch für sich eine gute Bilanz. Das Interesse sei mit an die 90 Besuchern groß gewesen. Natürlich habe es Ablehnung gegeben, doch viele hätten auch gesehen, dass die Plattform nicht so wuchtig ist, wie sie von Gegnern dargestellt worden sei. Der Verein sehe sich jedenfalls für seine weitere Arbeit positiv gestimmt.
Eine, die der Verein überzeugen konnte, war die Mediengestalterin Gisela Plettau: „Ich war erst dagegen, weil ich einen überdimensionierten Betonklotz erwartet hatte. Jetzt sehe ich einen eleganten und charmanten Baukörper. Ich bin als Gegnerin gekommen, jetzt gehe ich als Befürworterin.“