„Diese Ausstellung erinnert an ein bedeutendes Kapitel unserer regionalen Geschichte.“ Das sagte Bürgermeister Adolf Bauer bei der Eröffnung der der Wanderausstellung „Mitten unter uns“, die bis zum 6. Februar im Foyer im ersten Stock des Rathauses zu sehen ist. Modern aufbereitet informiert sie über die Landjuden in Unterfranken vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.
„Hochburg der Gelehrsamkeit“
Die jüdischen Gemeinden im Bezirk haben tiefe Wurzeln; beispielsweise ist die Existenz der jüdischen Gemeinde Würzburgs bereits im Jahr 1147 belegt. „Im 13. Jahrhundert war unsere Stadt eines der großen Siedlungszentren der Juden in Europa“, fügte Bauer hinzu. Als „Hochburg jüdischer Gelehrsamkeit“ genoss die hiesige Gemeinde in ganz Europa hohes Ansehen.
Bauer erinnerte daran, dass im Jahr 1900 Unterfranken mit 13 611 jüdischen Einwohnern den höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil unter den sieben bayerischen Regierungsbezirken verzeichnete. 1932 gab es in Unterfranken noch 108 Orte mit jüdischen Gemeinden. Bauer: „Damit war Unterfranken nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland der Regierungsbezirk mit der größten Dichte jüdischer Gemeinden.“ Die Mehrheit der Juden lebte vom 16. bis zum späten 19. Jahrhundert auf dem Land. Nach Ansicht des Bürgermeisters war das Landjudentum somit eine Lebensform, die für Unterfranken typisch war und die Region jahrhundertelang mitprägte. „Die auf dem Land lebenden Juden erfüllten mit ihren spezifischen Berufen eine wichtige Funktion im Wirtschaftsleben“, betonte Bauer. Insbesondere in der Frühen Neuzeit gab es „ein reiches kulturelles Leben“. Auch deshalb gelte es, diesen „wesentlichen Teil unseres geschichtlichen Erbes zu bewahren“.
Der Bürgermeister warnte davor, das deutsche Judentum in der historischen Betrachtung nur auf die Opferrolle zu reduzieren. Allerdings machte er die Besucher bei der Ausstellungseröffnung darauf aufmerksam, dass von den zwischen November 1941 und Juni 1943 aus Würzburg deportierten Juden nur 60 überlebten.
In der Ausstellung sind auch Menschen erwähnt, die Unterfranken schon im 19. Jahrhundert verließen, beispielsweise in Richtung Vereinigte Staaten, ebenso wie KZ-Überlebende, die in sogenannten DP-Camps lebten. Ein solches Lager für „Displaced Persons“ befand sich etwa in Giebelstadt.
Die Schau entstand innerhalb des Kooperationsprojektes „Landjudentum in Unterfranken“, an dem sich alle Landkreise des Regierungsbezirks, die Städte Würzburg und Schweinfurt, der Bezirk Unterfranken sowie regionale Arbeitsgemeinschaften beteiligten, erläuterte Rotraud Ries, Leiterin des Johanna-Stahl-Zentrums, die mit Projektkoordinatorin Rebekka Denz bei der Verwirklichung federführend war. Das bayerische Landwirtschaftsministerium sowie der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums trugen aufgrund ihrer Förderung ebenfalls zum Gelingen bei.
Rotraud Ries hob die bemerkenswerte Unterstützung durch Heimatforscher der gesamten Region hervor. Sie hätten sich „mit ihrem Sachverstand, ihrem Wissen und ihren Sammlungen eingebracht“.
Gebet in hebräischer Sprache
Ries wies darauf hin, dass die Ausstellungsbesucher nicht nur Wandtafeln erwarten, sondern auch eine Audio-Station: Hier ist ein Interview mit einem christlichen Dienstmädchen zu hören, das in den 1930-er Jahren im Haushalt der jüdischen Unternehmerfamilie Wetzler in Kleinheubach tätig war; außerdem sind ein Gebet in hebräischer Sprache sowie ein Ausschnitt aus einem Chanukka-Lied in Jiddisch zu hören.
Vier Personen – Figuren aus Holz – geben den Besuchern Auskunft über ihr früheres Leben. Dazu gehört zum Beispiel die Ärztin Sara aus Würzburg, die um 1400 hier lebte und die weniger Geld mit dem Heilen von Patienten verdiente als mit ihrem Talent als Geschäftsfrau.
Öffnungszeiten: Montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr sowie freitags von 8 bis 14 Uhr.