Im Jahr 1740 besuchte Balthasar Neumann während einer Reise nach Bonn und Brühl das Schloss Augustusburg. Die vollständig mit milchig-weißen Lacktafeln verkleideten Wände des „Indianischen Lackkabinett“ hinterließen einen bleibenden Eindruck bei dem Architekten.
Gleich nach der Heimkehr präsentierte er seinen Vorschlag eines vollkommen mit Hinterglasmalerei verglasten Spiegelkabinetts dem ebenso begeisterten Fürstbischof. „Während zu Beginn des Jahres nur untergeordnete Teile der künftigen Raumausstattung mit Flachglas verkleidet werden sollten, wurde nun der gesamte Raum quasi mit einer gläsernen Schale versehen“, schildert Autor Werner Loibl in seinem neuen Buch.
Loibl, ehemaliger Leiter des Lohrer Spessartmuseums und Kenner der europäischen Glasgeschichte, beschreibt nicht nur Balthasar Neumanns Vorgehensweise und Schwierigkeiten bei der Ausstattung des Spiegelkabinetts, sondern auch die dazu benötigte Spiegelmanufaktur.
Balthasar Neumann war Pächter einer Glashütte im Steigerwald, welche die von ihm eingerichtete Würzburger Spiegelmanufaktur in der heutigen Wallgasse mit vorgeformten Flachglas belieferte. Die für den Residenzbau, besonders für das Spiegelkabinett, benötigten Gläser und Spiegel ließ Neumann in seiner Manufaktur schleifen, polieren und mit Zinnfolie belegen.
„Dass eine solche Produktions- und Veredelungsanlage für den Unternehmer (Neumann) einträglich war, bedeutete für ihn einen erfreulichen Nebeneffekt“, schreibt Loibl. Neumann bewies nicht nur unternehmerisches Geschick, indem er die Schleichacher Glashütte und die Manufaktur in das Konzept des Spiegelkabinetts miteinbezog. Er verrechnete sich auch bei der Abrechnung der Spiegellieferungen zu seinen Gunsten.
Neumanns technische Leistung bei der Einrichtung der Spiegelmanufaktur und ihr weiteres Schicksal gehören zu den bisher kaum berührten Aspekten der lokalen Wirtschaftsgeschichte.
Das Buch: Werner Loibl: Die Spiegelmanufaktur in Würzburg. Ein Zweigbetrieb der Steigerwälder Glashütte in (Fabrik-)Schleichach, Schriften des Stadtarchivs Würzburg 18, Verlag Ferdinand Schöningh, 167 Seiten, 11 Tabellen, 43 Abbildungen, 16.80 Euro.