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WÜRZBURG: Barrierefrei studieren an der Universität: Zwei Betroffene berichten von guten Erfahrungen

WÜRZBURG

Barrierefrei studieren an der Universität: Zwei Betroffene berichten von guten Erfahrungen

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    Nicht wenige Studenten in Würzburg sind auf fremde Hilfe und barrierefreie Orte angewiesen. „Acht Prozent aller Studierenden in Würzburg fühlen sich durch eine Krankheit in ihrem Alltag stark beeinträchtigt“, gibt Sandra Ohlenforst von der Uni-Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung (KIS) zu bedenken. Glaubt man Pascal, dann sind sie an der hiesigen Uni letztlich sehr gut aufgehoben. Er fühlt sich gar wie „in einer anderen Welt“, da man seine Wünsche ernst nimmt.

    Er erzählt, dass es am Wittelsbacherplatz lediglich einen Vorlesungsraum gibt, der für ihn unerreichbar ist. „Die Hebebühne kann über ein Maximalgewicht von 140 Kilo nichts tragen. Aber bei mir wiegt bereits der elektrische Rollstuhl um die achtzig Kilo.“ Ansonsten kann er sich im Gebäude frei bewegen, auch wenn nicht jeder Eingang für ihn zugänglich ist. Er meint damit die Stufen am Haupteingang. Für einen Rollstuhlfahrer sind sie nicht zu überwinden, obwohl er tragbare Rampen mitbringt.

    Er gelangt deswegen lediglich durch einen Seiteneingang in das Gebäude. Das sei aber in Ordnung, „denn man kann sich nicht mit jedem Einzelfall befassen.“

    Der 25-Jährige studiert Philosophie und Political and Social Studies. Er leidet an Muskelschwund und kann lediglich seine Zeigefinger bewegen. Pascal staunt darüber, wie sehr die Universität Studenten wie ihn durch solche Beratungsstellen und Hilfeleistungen unterstützt. Das Schreiben einer Klausur ist für ihn nicht möglich, deswegen darf er mündliche Prüfungen ablegen.

    Wenn im Studium das Anfertigen einer schriftlichen Hausarbeit verlangt wird, dann „darf ich die Arbeit mehrere Wochen später abgeben.“ Auf diese Erfahrung will er nicht verzichten. „Ich diktiere dann meinem Bruder Rene die Sätze“, berichtet der Philosophiestudent. Rene blättert ihm auch die Buchseiten um, wenn er zuhause lernt. Da er während eines Seminars nicht mitschreiben kann, darf er die Diskussionen auf einem Tonbandgerät aufnehmen.

    Er freut sich darüber, dass er in das alltägliche Studienleben der Universität integriert wird, von Kommilitonen und Dozenten respektiert: „In der Schule war es gelegentlich anders.“

    Ähnlich positiv äußert sich Ulla Becker über die Universität. Sie studiert im ersten Semester Psychologie. Nach dem Abitur hat sie bereits einige Jahre als Physiotherapeutin gearbeitet. Als 30-Jährige wagt sie nun den Gang an die Hochschule.   „Kein leichter Schritt“, wie sie zugibt. Das hat vor allem einen Grund: Sie ist beinahe blind. „Makula-Degeneration nennt man diese Krankheit“, erklärt sie und gibt zu verstehen, dass sie Details nicht erkennen kann. Buchstaben verschwimmen zu einem einzigen Fleck. Die tägliche Arbeit mit Büchern wäre für sie ohne Lupe oder Fernglas nicht möglich.

    „In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel getan. Die Menschen interessieren sich immer mehr für die Belange von Behinderten.“

    Ulla Becker Fast blinde Psychologiestudentin

    Da Ulla schlecht sieht, benötige sie für die Bewältigung ihrer Aufgaben über 50 Prozent mehr Zeit. Die Universität räumt Studenten mit Behinderungen deswegen ein, dass die Semesterzahl nicht begrenzt wird. Normalerweise ist der Bachelor-Studiengang in sechs Semestern zu meistern, weiß die 30-Jährige, höchstens in acht. Für sie gelte eine solche Beschränkung nicht.

    Schlechtere Erfahrungen hat sie in Berlin gesammelt. Dort wollte sie Medizinpädagogik studieren, doch man hat sie nicht haben wollen. „Ich würde anderen den Studienplatz wegnehmen“, hieß es dort.   „Da bekommt man schon ein schlechtes Gewissen.“ Aufklärungsarbeit hält sie für dringend notwendig, denn Menschen mit Behinderung „werden manchmal von der Gesellschaft noch stigmatisiert.“ Ulla erinnert sich auch daran, dass sie in ihrer Schulzeit noch gehänselt wurde, wenn sie eine Lupe zum Lesen verwendet hatte.   „Menschen, die gesund sind, können oft nichts mit Behinderungen anfangen.“ Auch deswegen gefällt ihr die Arbeit der KIS.

    Das Bayerische Hochschulgesetz verlangt, dass Unis Beraterstellen für Studierende mit Behinderung einrichten. Aufgrund der Initiative von Reinhard Lelgemann, der am Lehrstuhl für Sonderpädagogik unterrichtet, konnte Anfang 2008 die KIS installiert werden. Ziel der Einrichtung ist, dass „Studierende mit Behinderung die gleichen Chancen zur Selbstverwirklichung haben, wie andere Studenten“, berichtet Sandra Ohlenforst, die auch durch Vorträge auf die Situation von Studenten in besonderen Lebenslagen aufmerksam machen will.

    Das Konzept solcher Initiativen ist fruchtbar. Ulla erklärt, dass „sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan hat. Die Menschen interessieren sich immer mehr für die Belange von Behinderten.“ Optimistisch zeigt sich auch Pascal, der sogar Gottfried Wilhelm Leibniz zitiert, der einmal behauptet hatte, dass wir „in der besten aller möglichen Welten“ leben.

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