Geibelstraße, Grillparzerstraße, Randersackerer Straße: Wer erinnert sich nicht an die Gruselgeschichte vor 14 Jahren, als ein Mann vom Boden verschluckt wurde? Einige Jahre zuvor wurde ein Haus in der Grillparzerstraße wegen starker Risse abgebrochen. Das Haus hatte sich zu stark gesetzt. In der Randersackerer Straße, die sich ebenfalls in der Nähe befindet, tauchen immer wieder Löcher auf. Im Bau- und Ordnungsausschuss war jetzt das Erdfallgebiet wieder Thema, deshalb ließen die Stadträte diese Fälle Revue passieren.
Ausschlaggebend dafür war der Bauantrag für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohnungen und fünf Stellplätzen in der Grillparzerstraße 4 – an der Stelle, wo vor 20 Jahren abgerissen wurde.
Unter den Stadtratsmitgliedern im Ausschuss gab es Zweifler und Neinsager. Und die Abwägenden. Schließlich vertagten sie den Bauantrag auf einen weiteren Bau- und Ordnungsausschuss.
Karin Miethaner-Vent (Grüne), die Neinsagerin: Das Grundstück weise eine „ziemlich deutliche Absenkung auf“, sagte sie, was in ihren Augen die öffentliche Sicherheit gefährdet. Das Haus sei nicht genehmigungsfähig – so sieht das auch Heinrich Jüstel (SPD).
Wolfgang Baumann (ZfW), der Abwägende: Er will gar den Bebauungsplan geändert haben, sagt aber fast im gleichen Atemzug: „Die Genehmigungsfähigkeit ist gegeben.“ Weil der Bauwerber seinen Antrag bei einem rechtlich geltendem Bebauungsplan gestellt hat.
Christine Bötsch (CSU), die Überlegende: Die Standortsicherheit des Hauses muss gegeben sein, sagt sie und denkt über die Auswirkungen auf die Umgebung nach.
Baureferent Christian Baumgart sieht keinen Grund, den Bauantrag abzulehnen, allerdings müsse der Bauwerber harte Auflagen akzeptieren: entweder tiefgründig circa 40 Meter tief Pfosten in den Untergrund einbringen oder eine Art Wanne unter das Haus setzen, so dass es bei vereinzelten Erdfällen dennoch zusammengehalten würde.
Gutachten-Kosten trägt Bauherr
Ein Beweissicherungsverfahren auf Kosten des Bauherrn sei ebenfalls vorgesehen, bestätigt auch René Sauerteig, Jurist im städtischen Baureferat. In diesem Verfahren würde ein Fachmann die umliegenden Häuser begutachten und nach Fertigstellung des Gebäudes Grillparzerstraße 4 erneut deren Zustand bewerten – dies auf Kosten beziehungsweise mit Hilfe einer Versicherung des Bauherrn.
Während das Bauanliegen in der Grillparzerstraße erst mal auf die lange Bank geschoben wurde, ging ein anderes in der unmittelbaren Nachbarschaft durch: der Anbau eines Zimmers in der Hebbelstraße 5, die das gleiche Erdfallrisiko hat wie die anderen in diesem Bereich der äußeren Sanderau.
Martin Weber, Bauwerber in der Grillparzerstraße 4, wohnt selbst in seinem Elternhaus im Erdfallgebiet in der Äußeren Sanderau. Es war sein Nachbar in der Geibelstraße, der damals in das Loch fiel, das sich vor seinem Gartenhäuschen auftat, und sich glücklicherweise nur die Hand gebrochen hatte.
Als die Randersackerer Straße vor wenigen Jahren ein unterirdisches Frühwarnsystem samt einer Art Abfangnetz erhielt, damit Fußgänger oder Autofahrer nicht in die Tiefe fallen, wurde mit sehr schwerem Gerät gearbeitet, wurden „gigantische Mengen Erde bewegt, Tiefenbohrungen durchgeführt“, sagt Weber: Sein Laptop sei bei diesen Erschütterungen von einem Ende zum anderen des Schreibtisches gewandert. Sein jetziges Bauvorhaben sei dagegen klein.
Während Martin Weber über seinen Baugrund an der Grillparzerstraße läuft, schaut er auf das Nachbarhaus, Randersackerer Straße 45a: Es steht da seit 30 Jahren ohne Probleme, sagt er – genauso errichtet, wie er, Weber, es auf seinem Grundstück vorhabe.
Ein eigenes Frühwarnsystem wie in den Straßen und öffentlichen Wegen in diesem Gebiet lehnten die Bewohner seinerzeit ab, weil es ihnen schlichtweg zu teuer war, außerdem hätten alle Grundstücks- und Hausbesitzer dieses Bereichs mitmachen müssen, um die richtigen Werte zu messen.
„Allen Genehmigung versagen?“
Viele der Siedlungshäuser haben hier noch gemauerte Keller und keine Ringanker. Die Decken bestehen aus Holz- oder Stahlträgern, die nur auf der Außenwand aufliegen, erläutert Weber und bezeichnet dies als „höchst bedenkliche Bauweise“ in diesem Gebiet, die aber im und nach dem Zweiten Weltkrieg so gehandhabt wurde. Das führe dazu, dass diese Häuser nach und nach erneuert werden müssen, zumindest längerfristig. „Soll allen, die irgendwann ein solches Gebäude erneuern wollen, die Baugenehmigung versagt werden“, fragt Weber mit Blick auf seinen Bauantrag.
Weber verweist darauf, dass der Anbau in der Hebbelstraße ein Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung war, „da hier nicht innerhalb des Baufensters nach Bebauungsplan gebaut werden soll. Mein Antrag allerdings richtet sich ganz genau nach den Vorgaben des Bebauungsplanes.“