Jens Hörl ist weit gereist. In Nepal lebte er Monate in einem entlegenen Gebiet ohne Strom und fließendes Wasser, an einem Ort, den man nur zu Fuß erreichen kann. In Indien leistete er Mönchen in Tempeln Gesellschaft, in Peru arbeitete er ein Jahr lang als Sozialarbeiter mit missbrauchten Kindern und Frauen. Jetzt ist 28-Jährige zurück in seiner Heimatstadt Würzburg. Er arbeitet im Schichtdienst, als Krankenpfleger an der Strahlenklinik der Uni Würzburg – und pflegt eine große Leidenschaft: die Geflügelzucht, ja eigentlich die Vogelwelt generell. Andere Länder, sagt er, habe er genug gesehen. Heute reichen ihm die Wege von der Wohnung in Grombühl zur Zuchtanlage in Randersacker.
Die Beschäftigung mit seinen gefiederten Freunden findet Hörl alles andere als altbacken oder langweilig. Da ist zum Beispiel Bernhard. Der dunkle Hahn gehört einer alten Kampfhuhnrasse an. „Bernhard ist der einzige Hahn bei mir, der einen Namen hat“, erzählt der Geflügelzüchter.
Das, fährt er fort, habe mit der Schönheit wie dem Charakter des Tieres zu tun. „Ich mag ihn einfach. Bernhard ist etwas Besonderes“. Als ob er diese Worte versteht, fixiert der Genannte mit erhobenem Kopf seinen Besitzer, schreitet majestätisch und mit stoischer Ruhe auf ihn zu. Sein schwarzes Gefieder glänzt im Abendlicht.
„Bernhard ist der einzige Hahn bei mir, der einen Namen hat.“
Jens Hörl (28 Jahre) Geflügelzüchter
Bernhard ist ein Shamo, eine aus Japan stammende alte Rasse. Und keineswegs aggressiv. Bernhard verhält sich damit aber nicht etwa rassenuntypisch. „Kampfhühner“, erläutert Hörl, „sind nicht kampfeslustig. Im Gegenteil: Sie sind eher ausgeglichen und ruhig, sehr auf den Menschen bezogen“. Auch wenn sie einmal für Hahnkämpfe gezüchtet wurden. Kampfhühner, fährt Hörl fort, gehören zu den ältesten Hühnerrassen. Insbesondere die Asil, die er als Mitglied des Kleintierzuchtvereines Randersacker hauptsächlich züchtet, haben eine sehr lange Tradition. „Sind sie nicht einfach schön?“, schwärmt der stolze Besitzer, als er sich dem Gehege nähert, in dem seine jungen Asil-Hühner wohnen. Die aus der Ferne schwarz-weiß wirkenden Vögel offenbaren aus der Nähe ein fantastisch bunt schillerndes Gefieder.
Wie alle Kampfhuhnrassen sind die Asil groß, schwer und schlank, nicht so plüschig wie andere Hühner. Kräftige Krallen, muskulöser Körper und eher dünnes Gefieder zeichnen sie aus.
Essen kann man die Kampfhühner natürlich auch. „Da ist schon einiges dran. Schließlich wiegen sie bis zu drei Kilo.“ Er kennt sich aus, sieht das mit dem Schlachten eher pragmatisch. Schon lange träumte der Würzburger von einem Grundstück für sich, um quasi als Selbsterzeuger leben zu können. Teilweise hat er sich diesen Traum mit dem Einzug in die leer stehenden Gehege hoch über Randersacker nun erfüllt, gemeinsam mit seinem Freund Silvio Kessmann (39 Jahre). Eine Wiese für Schafe und Ziegen soll noch folgen.
In Randersacker züchten die Beiden zudem auch Puten, Perlhühner und demnächst noch Wachteln. Im Brutkasten purzeln die geschlüpften Miniwachteln gerade munter durcheinander. Beide Freunde lieben besonders die vitalen, unkomplizierten, alten Rassen. „Sie sind ideale Bruttiere und Mütter“, urteilt Kessmann. Hörl gefällt es, dass die Tiere in der landschaftlich attraktiv gelegenen Anlage am Rand des Naturschutzgebietes viel Platz haben und sich – wie etwa die Puten – frei bewegen können.
Gemeinsam ist beiden, dass sie in der Zucht auch die Chance sehen, genetische Vielfalt zu erhalten, ebenso wie teilweise uralte Geflügel-, Kaninchen- oder Taubenrassen. „Die sind meist viel gesünder als die heute oft überzüchteten Formen.“
So ist durchaus zu verstehen, dass die beiden Männer ihr Hobby modern finden. Es passt, so sagen sie, zu Trends wie „Slow Food“, Besinnung auf regionale Produkte oder auch dem „Urban Gardening“, der neuen städtischen Gartenkultur.
Zurück in die Natur entlassen, hat Hörl mittlerweile die vielen kleinen Wild- und Singvögel, die er über den Sommer in seinen Volieren ebenfalls aufpeppelte. „Wegen der diesjährigen Hitze hatten andere Auffangstationen oft keinen Platz mehr für Vögel in Not“, erklärt er, wie es dazu kam.
Der junge Mann hat aber nicht nur ein Herz für Wildvögel. In seinen Gehegen leben zudem Kanarienvögel, Tauben, Wellensittiche sowie allerlei andere Papagei- und Sittichrassen. „Sie sind alle zu mir gekommen, weil sich die eigentlichen Besitzer nicht mehr um sie kümmern konnten.“ Bei Hörl leben sie artgerecht in großen Volieren und nicht eingepfercht in Mini-Käfige. „Wer einmal bei mir ein Zuhause gefunden hat, der bleibt auch hier“, diese Prämisse teilt er jedem mit,, der um Aufnahme eines Vogels bittet. Anders als die Zuchtvögel, werden die bei ihm Gestrandete auch nicht verkauft.
Wie er das alles zeitlich schafft? „Da ist mein Nachtdienst ideal“, erklärt der Krankenpfleger. „Er lässt mir genug Zeit, mich tagsüber um die Tiere zu kümmern. Selbst wenn man – wie in diesem Sommer – zwei- bis dreimal täglich Wasser bringen muss.“ Denn das ist der Nachteil der idyllischen Anlage, die übrigens auch Spaziergängern offen steht: Fließendes Wasser gibt es nicht.
Ausstellung: Exemplare der Kampfhuhnrassen Asil, Ko-Shamo und Shamo von Jens Hörl und Silvio Kessmann gibt es am Samstag und Sonntag, 14./15. November, im Schützenhaus in Randersacker zu sehen, bei der Lokalgeflügelschau des Kleintierzuchtvereins Randersacker.