(ca) Zumindest von außen hat sich mit dem Beginn des neuen Schuljahres wenig verändert: die Gebäude am Frauenlandplatz, die bekannten Gesichter der Lehrer und sogar des Schulleiters Hermann Berst sind geblieben. Dennoch bedeutet der Trägerwechsel von der Stadt zur Kirche einen tiefen Einschnitt in die Würzburger Bildungslandschaft. Mit dem Ende des erst 2001 entstandenen Mozart-Schönborn-Gymnasiums und der Neugründung des Evangelischen Gymnasiums Würzburg hat sich die Kommune aus der gymnasialen Ausbildung zurückgezogen.
„Viele fragen sich, ob das gleichbedeutend ist mit einem Übergang von Offenheit zur Konfessionalität, von frei zu fromm“, griff Pfarrer Christian Herpich in einer geistlichen Besinnung während des feierlichen Festaktes zum Beginn des Schuljahres unter dem neuen Träger, dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat, die Befürchtung vieler auf. „Es ist unser Ziel diese zu zerstreuen“, antwortete ihm Pfarrerin Susanne Wildfeuer. Mit einem Festtags-Rap zum Mitmachen und Gedanken der Schüler zu den Leitwerten der überkonfessionell ausgerichteten Schule abgeleitet: soziales Handeln, individuelles Lernen, miteinander Gestalten und evangelisch Sein.
Ziel der personenzentrierten Pädagogik sei es „gebildete Menschen, die verantwortungsvoll und selbstbewusst auf die Welt und andere Menschen zu gehen“, sagte Pfarrerin Wildfeuer. Anschließend überreichte sie Schulleiter Hermann Berst ein Holzkreuz als Zeichen dafür, dass „diese Schule und Menschen unter dem Segen Gottes stehen“.
„Von Offenheit zur Konfessionalität? Von frei zu fromm?“
Christian Herpich Pfarrer
Nicht einfach war für OB Georg Rosenthal der Gang zum Rednerpult. Für die Stadt Würzburg bedeute der Trägerwechsel „einen schmerzlichen Prozess des Kleinerschmelzens“, sagte er. Der finanzielle Druck habe jedoch dem Stadtrat keine andere Möglichkeit gelassen, als im April 2011 der Übergabe der Schulen zuzustimmen. Er dankte dem neuen Träger, da so der wichtige Schulstandort im Frauenland gesichert sei.
Auch Landtagspräsidentin Barbara Stamm begrüßte die Neugründung einer „Schule mit christlicher Wertorientierung“. Der Staat sei aufgefordert dort, wo es möglich ist, Verantwortung abzugeben. Auch habe die Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt, wie wichtig nicht nur die Wissensvermittlung, sondern auch „die Bildung von Herz und Charakter“ seien. „Der Mensch bedarf einer Wertorientierung, eines Ordnungsrahmens“, so die gelernte Erzieherin.
Schulleiter Berst verwies darauf, dass jetzt die über zehn Jahre währende Zeit andauernder Kürzungen beendet und der Weg frei sei, für einen Aufbruch in eine „vielversprechende Zukunft“. Hierzu seien größere Investitionen geplant, um die offene Ganztagesschule in „ein Lernhaus, das Raum für die Entfaltung des Geistes und der Bildung der Person bietet“ weiterzuentwickeln.
Ungewöhnlich scharf fiel die Festrede des Würzburger Erziehungswissenschaftlers Andreas Dörpinghaus aus. Seine Kritik an den zurückliegenden Bildungsreformen mündete unter Rückgriff auf die Philosophen der Frankfurter Schule, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, in einem Aufruf zum „Widerstand gegen die Verdummung“. Schule und Universitäten drohten zu „Orten der Verdummung“ zu werden.
Der Versuch „zeitgemäße Bildung“ zu schaffen, sie stärker auf die Bedürfnisse der Wirtschaft auszurichten, unterwerfe Schüler und Studenten einer „lückenlosen Verwaltung und Kontrolle“, deren Ziel allein die „Dienstbarmachung des Menschen“ sei, rügte Dörpinghaus.