Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Berthold Kremmler wird 70: Kämpfer gegen Autoritäten

WÜRZBURG

Berthold Kremmler wird 70: Kämpfer gegen Autoritäten

    • |
    • |
    Berthold Kremmler: „Ich sei rechthaberisch, sagen die Leute immer alle“, erzählt er und grinst: „Ja, mein Gott, was soll ich machen, wenn ich immer Recht habe? Das ist schon schwierig.“
    Berthold Kremmler: „Ich sei rechthaberisch, sagen die Leute immer alle“, erzählt er und grinst: „Ja, mein Gott, was soll ich machen, wenn ich immer Recht habe? Das ist schon schwierig.“ Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Berthold Kremmler, der langjährige Vorsitzende der Filminitiative, Träger der Kulturmedaille, streitbar und unbequem, wird an diesem Montag 70 Jahre alt. Sein Kopfhaar ist schlohweiß, sein Bart auch. Er schaut neugierig in die Welt, mit Spottlust in den Augen. Begegnet er, was er für Dummheit, Mittelmaß oder Untertänigkeit hält, wird der freundliche Mann unangenehm.

    Der pensionierte Gymnasiallehrer für Deutsch, Französisch, Sozialkunde und Ethik lebt in einer Doppelhaushälfte in der Zellerau. Ein Nussbaum wirft Schatten in seinem Garten. Als die Stadt vor zwei Jahren Bauarbeiten in seiner Straße ankündigte, fürchtete er um ihn. Kremmler, ein Intellektueller, der sich als „bewegungsfaul“ beschreibt, wenig über 1,60 Meter groß und korpulent, richtete der Stadtverwaltung aus: Er richte ein Blutbad an, sollte dem Baum etwas geschehen.

    Ein Oberstaatsanwalt und ein Amtsrichter nahmen die Angelegenheit Ernst. Zunächst zu einer Geldstrafe verurteilt wegen Bedrohung, verließ Kremmler die Berufungsverhandlung unbescholten. Das Gericht stellte das Verfahren ein, gegen eine Zahlung von 2000 Euro an eine gemeinnützige Organisation.

    In den 1960er Jahren mischte er in der Hochschulpolitik mit. Er sagt, Würzburg sei so deprimierend langweilig gewesen, er habe einfach etwas unternehmen müssen. Seit über 30 Jahren ist er in der Kulturszene zugange. Zweieinhalb Jahrzehnte lang war er im Vorstand der Filminitiative aktiv, wo er sich bis heute für die Filmkunst jenseits des Hollywood-Mainstreams einsetzt. Eineinhalb Jahrzehnte lang engagierte er sich im Vorstand des Dachverbandes freier Würzburger Kulturträger für bessere Arbeitsbedingungen der freien Kulturszene ein. Er ist Mitbegründer und Autor des Kulturmagazins „Nummer“ (www.nummer-zk.de), taucht als Diskutant auf Veranstaltungen auf und schreibt Leserbriefe, besonders zu Themen der Stadtentwicklung und Stadtgestaltung.

    Kremmler wohnt im Chaos, scheinbar. Der Single, Vater eines Sohnes, lebt sichtbar allein. An den Wänden: Bücherregale. Auf Tischen, Stühlen, Sesseln, Sofas, Kommoden, überall, wo Platz ist: Bücher – Kunstbildbände, Belletristik und Philosophie vor allem –, Broschüren, lose Blätter. Kremmler hat einen hungrigen Verstand, der will gefüttert werden. Ein Band des österreichischen Satirikers Karl Kraus steht quer im Regal, Titel: „Ich bin ein Vogel, den sein Nest beschmutzt“.

    Kremmler ist als Kriegshalbwaise aufgewachsen, erzogen von der Großmutter, während die Mutter als Ärztin das Geld verdiente. Die Familie – er hat einen zwei Jahre älteren Bruder – wuchs im Kavaliershaus des Schlosses von Tettnang auf, nah am Bodensee. Prächtige Räume seien das gewesen, erzählt er. Sie haben wohl früh seinen Sinn für Architektur und Schönheit geprägt. Geprägt hat ihn auch das Aufwachsen ohne väterliche Leitfigur. Er erzählt, er habe „bis zu einem gewissen Grad immer auch einen Vater gesucht“ und sich deswegen „an Autoritäten mit besonderer Begeisterung gerieben“.

    „Man muss sich vor einem kritischen Verstand rechtfertigen können.“

    Berthold Kremmler

    Hochgebildet, mit einem scharfen Verstand, macht er sich mit niemandem gemein, auch nicht Freunden und Weggefährten. Er ist verbindlich, aber die Verbindlichkeit macht ihn nicht milde. Er meint, „man muss sich vor einem kritischen Verstand rechtfertigen können“. Das Kritisieren hält er für eine Pflicht, weil man besser machen müsse, was man besser machen kann, und weil „wir uns nicht mit der Reproduktion des immer Gleichen zufrieden geben dürfen“. Er sagt, „die Leute wollen immer Objektivität. Aber Objektivität ist Quatsch.“ Der Mensch habe eine „subjektive Vorstellung, die er an den Gegenständen abarbeitet. Und dann kommt etwas Neues heraus und das muss man dann darstellen“. So hält er es, ohne laut zu werden und ohne Rücksicht auf Verluste. Er ignoriert gesellschaftliche Konventionen und Schmerzgrenzen. Konsequenzen bedenkt er nicht. Kremmler ist ein Freigeist.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden