„Ich will den Menschen die Angst vor der Einäscherung nehmen“, sagte Johannes Chwalik und sah 14 gespannten Schülern in die Augen. Der 28-jährige Betriebsleiter aus Giebelstadt weiß, dass die meisten jungen Leute Krematorien noch nie von innen gesehen haben. So ging es auch den Gymnasiasten aus Veitshöchheim.
Im Rahmen eines wissenschaftlichen Seminars sollen sie sich mit dem Thema „Tod und Sterben in den Kulturen der Welt“ beschäftigen und darüber eine Seminararbeit schreiben. Tod und Jenseits stand im Lehrplan für den katholischen Unterricht. Die Idee zur Umsetzung des sensiblen Themas kam vom Lehrer selbst. „Mich hat das schon immer fasziniert. Aber ich merkte, dass es viele Menschen gibt, die diesem Thema unbedingt fernbleiben wollen“, so Kerber. Deshalb wollte er sich der Materie mit der Klasse in einem sachlichen Rahmen nähern.
Respektvoller Umgan mit den Verstorbenen
Nach Besuchen auf Friedhöfen und intensiven Unterrichtsstunden stand nun der Besuch bei einem Feuerbestattungsbetrieb an. „Ich finde es wichtig, dass sich auch junge Menschen mit Sterben und Vergänglichkeit beschäftigen. Das heißt nicht, dass wir eine depressive traurige Truppe sind“, erklärte Lehrer Michael Kerber den Ausflug.
Die angehenden Abiturienten besichtigten die verschiedenen Räumlichkeiten, wie das Trauer- und Abschiedszimmer, die Verbrennungsöfen und blickten auch hinter die Kulissen des Betriebs. „Es ist mir sehr wichtig, immer respektvoll mit den Verstorbenen umzugehen", sagte der Betriebsleiter während er die Besucher durch das Krematorium führte.
Spannender als im Museum
„Ich finde es sehr interessant und es ist mal etwas anderes, als ins Museum zu gehen“, sagte Johanna Kreiter. Die Schülerin findet es wichtig, sich mit dem Thema Bestattung zu befassen: „Man sollte sich schon frühzeitig darüber Gedanken machen, was man denn eigentlich möchte“, so die 18-Jährige. Die Besichtigung galt dabei nicht dem Zweck, sich schnellstmöglich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen. Viel mehr war es „eine Gelegenheit, sich vielleicht etwas zu rüsten, wenn in der Familie plötzlich mal etwas passiert“, so der Religions- und Englischlehrer.
Nachdem verschiedene Urnen herumgereicht wurden, entwickelte sich ein lockeres Gespräch mit dem Betriebsleiter. Neugierige Nachfragen der Schüler lauteten dabei: „Was kostet eine Urnenbestattung?“ oder „warum sind Tierverbrennungen teurer als die von Menschen“, welche Chwalik mit Verweis auf die vielen Schadstoffe in Tierhaaren beantwortete.
Im Giebelstädter Krematorium finden täglich ungefähr acht Einäscherungen statt. Kapazitäten hätte das Unternehmen aber noch für deutlich mehr. Feuerbestattungen liegen im Trend und sind laut Betrieb prozentual bereits gefragter als herkömmliche Erdbestattungen. Dennoch gebe es viele Menschen, die aus Kostengründen zwar gerne auf eine Urnenbestattung zurückgreifen würden, sich den nötigen Sarg dafür aber sparen möchten. „Ich wurde schon gefragt, ob man auch in einem Sack verbrannt werden kann. Das geht natürlich nicht und ich finde das auch pietätlos“, so der Betriebsleiter.
„Ich will gar nicht sterben“
Der junge Chwalik wirkte während der Führung nicht wie jemand, der tagtäglich mit Tod und Trauer konfrontiert wird. Mit kleinen Scherzen gespickt, unterhielt er die Schüler gekonnt. So wie der Krematorium-Besuch eine Premiere für die Schüler war, so war es für Chwalik ebenfalls eine neue Erfahrung, mit jungen Menschen über seinen Beruf zu sprechen. In diesen ist er schon mit 14 Jahren familiär hineingerutscht.
Dann erkundigte sich einer der Gymnasiasten nach Sondergrößen von Särgen. „Wir können nur bestimmte Größen verbrennen. In Deutschland gibt es für alles eine DIN-Norm. Auch für Särge“, sagte Chwalik und löste ein lautes Gelächter in der Klasse aus.
„Durch diesen lockeren Umgang denke ich jetzt schon ein bisschen gelassener über Bestattungen nach“, sagte der 18-jährige Philipp Daugs erleichtert. Durch das Seminar mit Lehrer Kerber habe er sich aber grundsätzlich schon mit der ganzen Thematik beschäftigen können.
Am Ende gewährte Betriebsleiter Johannes Chwalik noch persönliche Einblicke und verriet seine Gedanken über den eigenen Tod: „Ich will eigentlich gar nicht sterben. Damit beschäftige ich mich erst wenn ich 40 bin“, so der 28-Jährige. Schmunzelnd antwortete der Lehrer: „Na danke, ich bin 45.“