Während auf höchster Ebene über die Modalitäten für den Austritt Großbritanniens aus der EU verhandelt wird, wirft der „Brexit“ schon jetzt Fragen für bestehende Kooperationen auf. So arbeitet die Universität Würzburg derzeit mit 25 britischen Hochschulen zusammen – in der Forschung und über
Auslandsaufenthalte von Studierenden. Droht mit dem Brexit dieser wissenschaftliche Austausch abzubrechen?
Uni-Präsident Alfred Forchel sieht jedenfalls einen „klaren Regelungsbedarf“. Die bestehenden Vereinbarungen könnten durch den Brexit nicht unverändert weitergeführt werden, so Forchel auf Anfrage der Redaktion.
Fragezeichen hinter Erasmus-Programm
Vor allem der beliebte Erasmus-Austausch dürfte auf den Prüfstand kommen, weil nach einem EU-Austritt in Großbritannien voraussichtlich hohe Studiengebühren fällig würden.
Forchel war vor wenigen Tagen mit einer bayerischen Delegation unter Leitung von Wissenschaftstaatssekretär Bernd Sibler zu Besuch auf der Insel, wo man den Universitäten in Cambridge, London, Edinburgh und Glasgow einen Besuch abstattete. Auch der Präsident der Uni Erlangen-Nürnberg nahm daran teil.
Staatssekretär: „Enttäuschung über Brexit“
Wie Sibler laut Ministerium erklärte, „waren Enttäuschung und Unsicherheit über den beschlossenen Brexit und seine Folgen für Forschung und Lehre bei den Gesprächen deutlich zu spüren.“ Er fordert einen verlässlichen rechtlichen Rahmen, der die Zusammenarbeit zwischen britischen und europäischen Hochschulen nach dem Brexit regelt. Bayern halte an der Kooperation fest, „die europäische Forschungslandschaft ist ohne Großbritannien nur schwer vorstellbar“, so Sibler.
Die Würzburger Julius-Maximilians-Universität kooperiert in der Forschung vor allem in den Bereichen Physik und Chemie mit britischen Hochschulen, unter anderem mit den renommierten Einrichtungen in Cambridge und Oxford und vier Londoner Hochschulen.
Uni-Präsident Forchel: Kooperationen fortführen
Über die Erasmus-Plus-Austauschprogramme sind neben den Natur- auch die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften beteiligt und vom Brexit betroffen.
Trotz aller dadurch aufgeworfenen Probleme geht Würzburgs Uni-Präsident Forchel von einem fortgesetzten internationalen Austausch aus: „Er ist seit Jahrhunderten ein Kernelement des Wissenschaftssystems.“ Britische und deutsche Universitäten gehörten zu den besten der Welt. „Daher wird allein der Wunsch, an einer Spitzenuniversität zu forschen, zu lehren oder zu studieren, auch nach dem Brexit zu kurzfristigen bis dauerhaften Auslandsaufenthalten führen.“
Delegation in Großbritannien: Thema Digitalisierung
Inhaltlich stand laut Forchel bei der Delegationsreise die Digitalisierung im Mittelpunkt. Allein hier ergäben sich viele Ansatzpunkte für neue Kooperationen – etwa im Bereich der „Digital Humanities“ (digitale Geisteswissenschaften) oder in digital-basierten neuen Lehr- und Verwaltungsmethoden. Hierzu wolle man in den kommenden Wochen vertiefende Gespräche mit Partnern in Schottland und England führen.
Auf Würzburger wie auf britischer Seite sei man trotz Brexit an einem Ausbau der Kooperationen interessiert, u.a. in der Medizin, der Geografie und in den Rechtswissenschaften.