Sein Hobby hält Heinz Stempfle seit Jahren in Bann: Der 79-Jährige begann als Junge, Briefmarken zu sammeln. „Ich war zwölf“, erzählt der Vorsitzende des Bad Kissinger Briefmarkensammlervereins. Das war 1951. Zu jener Zeit behandelte sein Vater, ein Masseur, eine Dame, die einen Brief aus Mosambik erhalten hatte: „Mit bunten Kolonialmarken darauf.“ Die Dame gab den Brief dem Masseur, der brachte ihn seinem Sprössling mit – und der kleine Heinz fing Feuer.
Zu jener Zeit hatte das Briefmarkensammeln noch ein anderes Image als heute. In vielen Schulen wurden junge Leute auf das damals weit verbreitete Hobby aufmerksam gemacht. Winfried Schön aus Würzburg besuchte die achte Klasse, als er „angefixt“ wurde. Sein damaliger Lehrer hatte die Idee, den Kindern politische Persönlichkeiten, zum Beispiel Konrad Adenauer, über Briefmarken näherzubringen. Bis heute mag Schön, inzwischen 69 Jahre alt, Postwertzeichen, die politische Geschichte erzählen.
Mit dem Postsparbuch fing es an . . .
„Ich erinnere mich, dass ich zu meinem ersten Postsparbuch ein Heftchen bekam, in das ich Marken einkleben konnte“, erzählt der Würzburger Sammler Bernhard Ziesemer. Fünf Jahre war er damals alt. Hatte er zehn oder zwanzig Pfennige beisammen, kaufte er sich keine Schokolade, sondern Marken. War das Markenheftchen voll, wurde es bei der Post eingelöst und der Betrag dem Sparbuch gutgeschrieben: „Auf diese Weise begann meine Sammelleidenschaft.“
Für Heinz Stempfle waren die bunten Wertzeichen aus dem fernen Afrika ein Faszinosum, das ihn nie mehr loslassen sollte. Er sammelt bis heute Marken aus allen ehemaligen portugiesischen Überseegebieten. Damit hat er zu tun, denn Portugal besaß etliche Kolonien. Die Kolonialmacht war nicht nur in Mosambik, sondern auch in Angola, Kap Verde, Portugiesisch-Guinea, Portugiesisch-Indien, Portugiesisch-Timor, Macau, Sao Joao Baptista d'Ajudá sowie in Sao Tomé und Príncipe zugange. Erst durch die „Nelkenrevolution“ 1974 wurden die Kolonien unabhängig. In diesem Jahr endet Stempfles Sammeltätigkeit.
Der philatelistischer Kollegenkreis der Rhöners ist, was sein Spezialgebiet anbelangt, klein. „Ich bin in Bad Kissingen ein Exot“, schmunzelt der Senior. Allerdings ist Stempfle, bundesweit gesehen, kein Einzelkämpfer. Es gibt sogar eine „Arbeitsgemeinschaft Portugal und ehemalige Kolonien“ im Bund deutscher Philatelisten.
Vor allem ist Stempfle keineswegs der einzige Exot in Unterfranken. Mit einem noch spezielleren Sammlergebiet befasst sich Rainer Fuchs aus Würzburg. Ihn interessiert der 1923 gegründete Überlandpostweg zwischen Bagdad und Haifa, der bis 1948 existierte. Fuchs sammelt hierzu keine Marken, sondern er trägt alles zusammen, was es zur Geschichte der Postbeförderung vom Mittleren Osten durch die syrische und irakische Wüste nach Asien in jener Zeit finden kann. Etwa Originalkuverts sowie Stempel des Transportunternehmens Nairn.
Hohe Ehre für den Philatelisten: „Fellow“ der Royal Philatelic Society in London
Der weitgereiste Bauleiter von Großprojekten gehört zu den renommiertesten Briefmarkenkundlern in der Region. Seine akribischen Privatforschungen zu einem Randgebiet der Postgeschichte brachte ihm vor fünf Jahre eine hohe Auszeichnung ein: Fuchs wurde zum „Fellow“ der Royal Philatelic Society London ernannt. Eine Ehre, die wenigen Philatelisten zuteil wird.
Der Ehrgeiz, Lücken in der eigenen Sammlung zu füllen, die Freude am Austausch mit Gleichgesinnten sowie die Neugier auf Raritäten, die möglicherweise auf Auktionen angeboten werden – all das macht das Hobby des Briefmarkensammelns spannend. Den Funken der Begeisterung auf die junge Generation überspringen zu lassen, gelingt jedoch kaum noch. So sind die 25 Menschen, die dem Bad Kissinger Briefmarkensammlerverein angehören, fast alle im Rentenalter. Das jüngste Mitglied ist mit 47 Jahren der Sohn von Vorstand Heinz Stempfle.
Eine Leidenschaft, die fast nur Männer packt
Briefmarken zu sammeln ist ein Hobby für Ältere und es ist eine Leidenschaft, die fast nur Männer packt. Das bestätigt Wolfgang Scheckenbach aus Geldersheim, der dem Briefmarkensammlerverein Schweinfurt vorsteht. Dem gehört eine einzige Frau an. Scheckenbach selbst, 68 Jahre alt, begann ebenfalls als Kind, Marken zu sammeln. Schweinfurter Belege zu ergattern, darin besteht seine Passion.
Ludwig Gambert aus Kitzingen befasst sich seit 1960 mit der Postgeschichte von Thurn und Taxis. Wobei Gambert nicht nur sammelt. Der 71 Jahre alte, pensionierte Lehrer setzt sich als Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Philatelisten-Vereine bayernweit für das Briefmarkensammeln ein. Sein Optimismus, was die Zukunft der Philatelie anbelangt, hält sich ebenfalls in Grenzen. „Von der Jugend kommt kaum noch etwas nach“, bedauert er. Bayernweit sei die Vereinsarbeit schwieriger geworden: „Den Älteren fehlt oft die Kraft, den Jüngeren die Zeit.“
Profis brauchen Wasserzeichensucher und Spezialliteratur
Dabei sei das Briefmarkensammeln ein Hobby, das, zumindest am Anfang, unaufwändig betrieben werden kann: „Man braucht nur eine Pinzette, ein Einsteckbuch sowie einen Katalog zum Sammelgebiet.“ Wobei die Ansprüche an das Hobby steigen, je versierter man es betreiben möchte. Ein Profi besitzt laut Gambach als Grundausstattung eine Lupe, Spezialliteratur, Wasserzeichensucher und einen Zähnungsschlüssel.
Junge Mitglieder, aber die kommen nicht zum Tausch-Treffen
Lebendig ist das Interesse am gemeinsamen Sammeln, Tauschen und Fachsimpeln beim Würzburger Verein für Briefmarkenkunde. Den gibt es seit 1880. Er wurde damit 40 Jahre nach Ausgabe der englischen „One Penny Black“ als weltweit erster Briefmarke und 18 Jahre nach Einführung der ersten Briefmarkenalben gegründet. 188 Briefmarkenfans gehören dem ältesten philatelistischen Verein Bayerns aktuell an. „Wir haben sogar sechs Jugendliche“, berichtet Schatzmeister Bernhard Ziesemer. Die tauchen allerdings so gut wie nie auf, wenn sich die Mitglieder an jedem ersten und dritten Freitag im Monat in der Gaststätte „Zur Zeller Au“ treffen, um Marken zu tauschen.
Was, wenn keiner mehr Briefe schreibt?
Dass heute fast nur noch gemailt wird und sich kaum noch jemand einen Brief schreibt, findet Ziesemer schade. Was soll aus seinem Hobby werden?, fragt er sich. Der 70-Jährige versucht, zumindest die Tradition der Weihnachtspostkarte hochzuhalten. Die verschickt er in diesem Jahr sogar mit einer persönlich gestalteten Briefmarke, auf der sein Konterfei prangt.
Mit Albrecht Mehling hat der Würzburger Sammlerclub seit letztem Jahr einen rührigen neuen Vorsitzenden. Zu den Spezialgebieten des pensionierten Lehrers gehören bayerische Briefmarken. Als erster deutscher Staat hatte Bayern am 22. Februar 1849, neun Jahre nach der „One Penny Black“, beschlossen, Briefmarken einzuführen. Bis 1920 gab es eigene Marken. Danach trat Bayern ins Reichspostgebiet ein.
Früher: Zeitaufwand. Heute: Internet.
Mehling, der in Bad Neustadt an der Saale aufs Internat ging, kam durch die Schule zum Briefmarkensammeln. „Das war bei uns ein Wahlunterrichtsfach, so wie heute Schach.“ Elf Jahre zählte er damals. Bis zum Abitur frönte der Jugendliche seinem Hobby. Das Studium und die anschließenden Jahrzehnte als Lehrer im Franken-Landschulheim Schloss Gaibach ließen ihm kaum Zeit zum Sammeln. Denn das Hobby kostete damals, als es noch kein Internet gab, Zeit: „Man brauchte Sammlerkollegen, musste zu Tauschtagen und Börsen fahren.“
Vor allem hatte Mehling, wie viele eingefleischte Sammler, einen besonderen Ehrgeiz: „Ich machte meine Alben selbst.“ Kaufen kann schließlich jeder. Individuelle Alben, die aus Blankoblättern und Stecktaschen kreiert werden, erhöhen den Wert einer Sammlung. Auf renommierten Ausstellungen, so der 70-Jährige, braucht man sich mit gekauften Alben sowieso nicht blicken lassen.
Wie alles anfing – und die Vereine in Unterfranken Am 6. Mai 1840 erschien in England die erste Briefmarke. Knapp 40 Jahre später begann in Bayern das organisierte Sammeln. 1879 wurde in München der „Verein für Briefmarkenkunde“ gegründet. Vier Jahre danach riefen 40 Sammler den heute noch existierenden „Bayerischen Philatelisten-Verein München“ ins Leben. In den 50er Jahren entwickelten sich die Mitgliederzahlen rasant. Gab es 1948 erst elf Vereine mit knapp 500 Mitgliedern, war deren Zahl 1958 auf 65 Vereine mit über 3100 Mitgliedern angestiegen. Aus Unterfranken gehören dem Landesverband Bayerischer Philatelisten-Vereine heute elf Vereine an: • Briefmarken-Sammler-Verein Bad Kissingen e.V. • Verein der Briefmarkenfreunde Bad Neustadt a.d. Saale e.V. • Briefmarkensammler-Verein 1947 Gerolzhofen e.V. • Briefmarkensammler-Verein 1952 Hammelburg • Verein der Briefmarken- und Münzensammler Kitzingen e.V. • Briefmarkensammlergemeinschaft Marktbreit e.V. • Club der Briefmarken- und Münzenfreunde Marktheidenfeld e.V. Briefmarkentauschring Obernburg 1983 mehr • Philatelisten-Zirkel Ochsenfurt und Umgebung e.V. • Briefmarkensammler-Verein Schweinfurt e.V. Verein für Briefmarkenkunde Würzburg von 1880