"Was übst du so vor dem Spiegel?" In Ingrid Lausunds "Bandscheibenvorfall" will jeder irgendetwas sein, scheinen und werden. So sehr, dass gelegentlich die Realität zusammenbricht und absurde, traumartige und oft urkomische Szenen entstehen, die den Mikrokosmos eines Büros auf unterhaltsame Weise vorführen. Die bitterböse Bürosatire begeisterte vor kurzem bei ihrer Premiere im KuZu Kellertheater des Würzburger Theaters Chambinzky mit ihrem ungewöhnlichen Witz und tollen Darstellern.
Wenn in der Arbeitswelt unterschiedliche Typen Mensch aufeinander treffen, die einerseits zusammen arbeiten sollen und andererseits alleine Karriere machen wollen, brodelt es schon mal. Allerdings meist unter der Oberfläche – der Anschein von Anstand und Kollegialität soll schließlich gewahrt bleiben.
Gute Miene zum bösen Spiel
Doch genau hier setzt Ingrid Lausund mit ihrem nach 16 Jahren immer noch taufrischen Stück an: Sie löst die Trennung zwischen ungesagtem Innenleben und höflicher Oberfläche auf, sie lässt die Zwischentöne ohrenbetäubend laut erschallen, und das sprichwörtliche Messer erahnt man bei ihr nicht zwischen den Zeilen, es steckt ganz deutlich sichtbar im Rücken der Kollegin, die sich noch über das "wirklich gute Gespräch" mit dem Chef freut.
Trotzdem ist der "Bandscheibenvorfall" von purem Klamauk weit entfernt, zu treffend ist die Analyse menschlichen Miteinanders, zu frisch der Humor, zu klar die Einsichten. Eine wirkliche Handlung spielt keine Rolle, dafür sind die Charakterstudien der fünf Büroangestellten ungemein packend, manchmal mit dem feinen Pinsel gezeichnet, manchmal auch mit dem Farbbeutel auf die Leinwand geklatscht: Da ist Kretzky (Felix Nitsche), der gut gelaunt und scheinbar selbstbewusst daherkommt, Hufschmidt (Frido Müller) und Schmitt (Mo Marten), die sich in Ehrgeiz und Arroganz in nichts nachstehen und plötzlich zusammen arbeiten sollen, was zu einer herrlich choreografierten Szene aus gesagten Höflichkeiten und ungesagten Beleidigungen führt. Außerdem Kristensen, die noch an Fairness und Kollegialität glaubt (Kerstin Lauterbach) und Kruse (Michael Wagner), den untersten in der Hackordnung, der all seine Energie daran setzt, genau diesen Status nicht zu bemerken und die gute Miene zum bösen Spiel zur Kunstform erhoben hat.
In ihrer gelungenen Inszenierung sorgt Martina Esser dafür, dass der "Bandscheibenvorfall" sein Publikum von der ersten Minute an über gut zwei Stunden Spielzeit in seinen Bann zieht, bestens unterhält und immer wieder überrascht. Sehenswert.