Zum Valentinstag: Ilse Weber und Thorsten Schley verbindet mit der Alten Mainbrücke eine ganz besondere Beziehung. Dort haben sie ihre Liebe wiedergefunden. Und nun wollen sie am 1. März heiraten. "Irgendwie ziehen uns Brücken magisch an.“ Ilse Weber (45) steht Arm in Arm mit Thorsten Schley (48) vor dem Heiligen Kilian auf der Alten Mainbrücke. Während die Passanten vorbeieilen, wirft sie einen zärtlichen Blick auf ihren Freund. „Wir gehen in jeder Stadt auf die Brücke. Und wir haben uns früher in Calw auf der Nikolausbrücke getroffen.“ Beide stammen aus der baden-württembergischen Kreisstadt, wo auch der Schriftsteller Hermann Hesse geboren ist.
Die Liebe in Calw liegt allerdings schon etwas länger zurück. Um genauer zu sein: 30 Jahre. „Ich war da noch ziemlich jung. Er war ja auch mein erster Freund“, sagt Weber. Und Schley erzählt: „Sie war meine erste Freundin. Wir waren vom 10. August 1982 bis zum 14. August 1983 zusammen. Ich hab’ ein gutes Zahlengedächtnis. Ich arbeite in einem Lager für Autoteile und hab’ so meine 12 000 Autoteile im Kopf.“ Wieso ihre erste Beziehung nur ein Jahr hielt, wissen beide nicht mehr genau. Webers Erklärungsversuch: „Er hatte eine andere Lebensplanung als ich. Er war gleich im Berufsleben, und ich wollte dann noch studieren.“
Danach haben sich die Wege der beiden getrennt. Während Weber in Iphofen eine Stelle als Chemielaborantin gefunden hat, arbeitet Schley seit 1986 bei einer Firma in Holzgerlingen bei Böblingen. „Wir haben beide geheiratet, haben beide Kinder. Er eines, ich zwei. Wir sind beide schon seit längerer Zeit wieder geschieden, weil wir nicht den richtigen Partner gefunden haben.“ So fasst Weber rund 30 Jahre Lebenszeit zusammen.
Ebenso unerklärlich wie sich die beiden getrennt haben, sind sie auch wieder zusammen gekommen. Während einige Unverzagte sich trotz der Kälte einen guten Frankenwein genehmigen und einzelne Narren Farben auf die Brücke bringen, berichtet Schley: „Es war ja gar nicht einfach, uns zu finden. Fragen Sie mich nicht wie, aber über 1000 Umwege haben wir uns über Facebook gefunden. Genau kann ich es auch nicht mehr sagen. Kann sein, dass ich es über ihre Eltern gefunden habe.“ Weber war jedenfalls ziemlich erstaunt, als sie eine Nachricht von ihrem ersten Freund im Briefkasten fand: „Er hat geschrieben „Schön, Dich wiedergefunden zu haben.“ Ich muss schon sagen, das hat mich sehr angesprochen. Da hab’ ich mir gesagt, den muss ich treffen.“
Das war im Februar 2012. Gesagt, getan. Am 1. März 2012 war es dann soweit. Schley: „Es hat 15 Tage gedauert, bis wir uns in Kist getroffen haben. Nach zwei Wochen und knapp über 600 SMS. Man mischt halt viel von der Vorgeschichte rein und von dem, was man aktuell macht. Wir wussten, was der Andere gemacht hat und wo er gerade steht. “ Trotz des intensiven Kontakts – beide wussten nicht, wie sie aktuell aussehen. Deswegen hat Weber Schley ihr Autokennzeichen verraten, damit sie sich bei ihrem Treffen in Kist ohne Probleme finden konnten. Wieso Kist? Das war für Schley autobahntechnisch gesehen der beste Treffpunkt.
Spannend war das Ganze schon – ein Blind Date mit dem ersten Freund. Beiden gingen auf der Fahrt nach Kist viele Gedanken durch den Kopf. Neugier, was mag wohl aus dem Anderen geworden sein? Eine ziemlich bewegte Hinfahrt.
Große Gedanken konnte sich Weber nicht machen: „Ich arbeite bis um Drei, musste alles mit den Kindern managen.“ Doch dann ging es los: „Die Hinfahrt hat sich schon hingezogen, weil ich ja endlich da sein wollte. Ich war ziemlich aufgeregt. Das ist ja nicht alltäglich. Ich hab’ die ganze Zeit überlegt, wie er sich in 30 Jahren verändert hat. Und wie das so ist, wenn man sich gegenübersteht. Ich war mir da nicht so sicher.“
Und Schley sagt: „Zwei Packungen Tic Tac hab’ ich auf der Fahrt vor Aufregung vertilgt. 90 lange und kurzweilige Minuten. Ich hab’ gedacht, hoffentlich bleibt das Auto nicht stehen. Sonst bekomme ich zu Hause Ärger.“ Er saß nämlich im Auto seiner damaligen Freundin. Die wusste von dem Treffen nichts. „Ich hab’ als Ausrede gesagt: „Ich war im Besen, einer Schankwirtschaft. Und meine damalige Freundin hat mir das auch geglaubt.“
Dann in Kist – der erste Blick. „Nach 30 Jahren, da weiß man nicht. Und es war so, als wären keine 29 Jahre dazwischen gewesen. Wir waren gleich wieder total vertraut“, erzählt Weber und schaut Schley dabei an. Während der Fahrt nach Würzburg war sie ziemlich aufgeregt. Und vor Aufregung konnte sie dann auch beim Thailänder unweit der Alten Mainbrücke nichts essen. Ganz anders Schley: „Ihm hat’s geschmeckt“, sagt Weber. Und er grinst dabei.
Nach dem Essen hat dann Weber die Regie übernommen: „Und dann hab’ ich gesagt, jetzt laufen wir auf die Brücke. Man kann von da die Burg so schön sehen, und das Wasser zieht mich magisch an.“ Beide laufen also die paar Schritte zur Alten Mainbrücke. Ein paar Treppenstufen. Sie warten an der Ampel, gehen über das uralte Kopfsteinpflaster, das schon viele Geschichten getragen hat. Und schließlich stehen sie vor dem Heiligen Kilian. Den links und rechts Dutzende Liebesschlösser flankieren. Da stehen sie dann Arm in Arm. Er küsst sie.
„Wir haben unser Glück gar nicht fassen können“, erzählt Weber nach einer kurzen Pause. „Es kam mir so unwirklich vor. Ich hab’ mir eine Sektflasche gekauft. Ich dachte, das muss sein. Die Flasche haben wir vor dem Kilian getrunken. Und die Flasche steht jetzt auf meinem Nachttisch.“ Geredet haben sie nicht viel. „Wir haben viel gelacht. Und viel geknutscht. Es war alles so überwältigend.“ Kalt ist es auf der Brücke. Davon merken die beiden nichts. „So lange standen wir da nicht. Eineinhalb Stunden“, sagt Weber.
Die Rückfahrt nach Kist ging ziemlich schnell und ziemlich wortlos vorbei. „Für mich war das alles so überwältigend. Es hat eine Zeit lang gedauert, bis ich das realisiert habe“, erzählt Weber. Praktische Überlegungen wird sie erst später anstellen.
Schley hingegen schießen auf dem Heimweg nach Holzgerlingen 1000 Gedanken durch den Kopf: „Ich hab’ ja mit meiner damaligen Lebensgefährtin eine Eigentumswohnung gehabt. Die hab’ ich verkauft. Letztes Jahr hab’ ich alles ausgetauscht. Es sind nur die Blutsverwandtschaft und mein Arbeitsplatz geblieben.“
Während er in die Garage fährt, fragt eine SMS seiner damaligen Freundin, ob alles in Ordnung sei. „Ich hab’ nicht zurückgeschrieben. Zwei Minuten später war ich in der Wohnung und bin da gleich eingeschlafen. Meine damalige Freundin hat nichts gesagt.“
In den nächsten Wochen treffen sich die beiden regelmäßig in Würzburg. Und damit die Beziehung nicht wie schon beim ersten Mal auseinandergeht, denkt sich Schley: Jetzt machen wir gleich mal richtig Nägel mit Köpfen. Und fragt Weber nach vier Wochen auf der Alten Mainbrücke: „Da wir hier wieder an unserem Ort stehen und wir unserer Sache ziemlich sicher sind, möchte ich Dich fragen, ob Du meine Frau werden willst.“ Weber: „Das hab’ ich nicht erwartet. Ich hab’ zwei, drei Sekunden gewartet und dann gesagt: „Machen wir in 2013.“ Das passt, denn Webers Glückszahl ist die 1 und Schleys Glückszahl die 3.
Heiraten werden die beiden am 1. März im Würzburger Standesamt, erzählen sie glücklich. Im ganz kleinen Kreis, nur mit Eltern und Kindern. Danach ruft wieder die Alte Mainbrücke – die ist nur ein paar Schritte entfernt. Aber die Brücke spielt nicht nur am Tag eine wichtige Rolle, wenn die Hochzeitsgesellschaft feiert. Die Hochzeitsnacht werden Weber und Schley in einem Hotel ganz in der Nähe verbringen.
Und sie werden vor dem Heiligen Kilian etwas aufhängen. Und sich damit in eine Kette vieler Liebespaare einreihen. Ein Liebesschloss. „Das Schloss ist rot. Auf das Schloss sollen zwei Ringe und das Datum 1.3.2013. Und auf die Rückseite schreiben wir unsere Vornamen“, erzählt Weber. Die Schlüssel versenken sie dann im Main. „Klingt fast kitschig.“ Beide lächeln. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Ein Kuss. Und noch einer.
Moment. Hat da Kilian nicht ganz kurz gelächelt?