In seinem Vorwort freut sich Oberbürgermeister Georg Rosenthal über die ausgezeichnete Arbeit (Untertitel: „Die Wirtschaftsentwicklung in der Stadt Würzburg 1650 – 1803“), die in gut lesbarer Form jede Menge neue Erkenntnisse präsentiert, weil die Autorin auch viele bisher kaum genutzte Quellen ausgewertet hat.
„Unter dem Krummstab ist gut leben“, hieß es schon im 18. Jahrhundert, und dieser Spruch wurde bis heute selten angezweifelt. ie Untertanen hätten, so die zugrundeliegende Vorstellung, ihr Schicksal zuversichtlich der Fürsorge ihres Landesvaters anvertraut, der dieser Verantwortung als geistliches und weltliches Oberhaupt bereitwillig nachgekommen sei.
Ellen Christoforatou macht in ihrer beim emeritierten Würzburger Geschichtsprofessor Peter Baumgart entstandenen Arbeit allerdings deutlich, dass dies die tatsächlichen Verhältnisse nur unzureichend beschreibt.
Sozialpolitische Maßnahmen
Denn: Die wirtschaftliche Lage des Hochstifts war damals keineswegs glänzend und viele Menschen lebten nur von der Hand in den Mund. Das wussten die Fürstbischöfe zwar und sie ergriffen auch sozialpolitische Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken. Insgesamt aber handelte es sich nur um ein Bekämpfen von Symptomen. Die Misere breiter Bevölkerungskreise wurden nicht durchschlagend und dauerhaft beseitigt.
Der kontinuierliche Bevölkerungsanstieg und eine durchweg hohe Inflationsrate führten zu extremen Teuerungen und infolgedessen zu sinkenden Reallöhnen, ist in dem Buch nachzulesen, das in der von Archivleiter Dr. Ulrich Wagner herausgegebenen Reihe „Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg“ erschienen ist. In ihrem wirtschaftspolitischen Unvermögen entsprachen die Würzburger Fürstbischöfe allerdings zahlreichen Landesherren anderer Territorien, betont die Autorin.
Grundsätzlich stand die gesicherte Versorgung der Würzburger mit erschwinglichen und qualitativ einwandfreien Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Bemühungen der Fürstbischöfe und ihrer Regierungen.
Um dieses Ziel zu erreichen, waren sie sogar bereit, die einheimischen Händler und Handwerker unter Druck zu setzen, zum Beispiel durch die Zulassung auswärtiger, auch jüdischer Kaufleute. „Auch die vier Würzburger Handelsmessen dürften eher diesem Zweck als einer Ausweitung der auswärtigen Handelsbeziehungen des Hochstifts gedient haben“, referiert OB Rosenthal in seinem Geleitwort eine wichtige Erkenntnis aus dem Buch.
Eher den eigenen Interessen der Bischöfe in ihrer Funktion als Bauherren diente die Förderung der Ausbildung künstlerisch besonders begabter Handwerker und vor allem deren Befreiung von den sogenannten „Zunftzwängen“, die die Zahl der Gesellen und Lehrlinge sowie die Arbeitsbereiche und die Fertigungsmethoden festlegten.
Dadurch waren diese privilegierten Handwerker dann in der Lage. die besonderen qualitativen Anforderungen bei den großen Bauprojekten der Fürstbischöfe zu erfüllen – und das auch noch innerhalb festgelegter Terminpläne.
Infos zum Buch: Ellen Christoforatou, Zwischen geistlicher Herrschaft und Eigenverantwortung. Die Wirtschaftsentwicklung in der Stadt Würzburg 1650 – 1803 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, hrsg. von Ulrich Wagner, Band 16), Würzburg 2010, 368 Seiten, 8 farbige Abb., Verlag Ferdinand Schöningh, 24,80 Euro.