Es wird in diesem Jahr gefeiert. Und das groß. Der Grund: Vor 700 Jahren wurde die Stiftung Bürgerspital zum Heiligen Geist gegründet. Zu ihren Botschaftern, die diese soziale Einrichtung für alte Menschen weit nach außen bekannt machen, gehören neben dem Weingut auch die Bürgerspital-Weinstuben an der Theaterstraße. Und auch hier wird gefeiert, und das aus doppeltem Grund: Seit 30 Jahren betreibt die Familie Wiesenegg als Pächter die renommierte Gastronomie, und das Familienoberhaupt wird an diesem Freitag 70 Jahre alt.
Die Geschichte der Gastronomie im traditionsreichen Bürgerspital beginnt 1873 mit der Eröffnung der „Gothischen Weinstube“ an der Semmelstraße. 1935 wurde im südöstlichen Seitenflügel des Roten Baues die Neue Trinkstube eingerichtet, heute „Alte Weinstube“ genannt. Was hier zu sehen ist, entstand nach dem Krieg, der vom Gebäudekomplex nicht viel übrig gelassen hatte. 1950 konnte das Spital die Alte Weinstube wieder eröffnen. Schrittweise folgten bis 1978 die Erweiterungen.
Seit drei Jahrzehnten führt inzwischen Familie Wiesenegg die Weinstuben. So lange und so erfolgreich in einer Gastwirtschaft dieser Größe zu arbeiten, ist in der Branche alles andere als selbstverständlich, und es liegt wohl daran, dass hier Menschen am Werke sind, die mit Leib und Seele Wirtsleute sind.
Peter Wiesenegg war dies, so scheint es, schon in die Wiege gelegt. Er stammt aus Reutte in Tirol, wo seine Familie den 300 Jahre alten Hotelgasthof „Goldene Glocke“ betrieb. Der Vater war nebenbei Braumeister.
Die Wieseneggs sind ein altes Adelsgeschlecht, und einer ihrer Ansitze aus frühen Jahren war in Bozen, dort, wo heute das Ötzi-Museum ist. Eigentlich könnte sich der Wirt auch „der hochwohlgeborene Peter Paul von Wiesenegg, Edler von und zu Hurlach, Spauregg und Gaudententurm“ nennen. Aber darauf verzichtet er gerne, sagt er. Als junger Bursche hatte der Tiroler seine Kochlehre in Garmisch gemacht, bevor ihn eine Frau nach Würzburg lockte, wo er im „Russischen Hof“ mit Erwin Weiss seinen großen Förderer fand. 1965 wurde er Küchenchef der Autobahnraststätte Würzburg-Nord.
Hier fand er sein Glück, seine Frau Angelika, die auch beruflich immer an seiner Seite stand. Fünf Jahre haben beide gemeinsam das „Franziskaner“ am gleichnamigen Platz geführt, bevor sie Wirte im Bürgerspital wurden. Die Weinstuben gehören zu den größten Gastronomiebetrieben der Stadt, und da braucht es Organisationstalent und Menschenkenntnis. Auf diesem Feld ist Peter Wiesenegg ein Meister. Er kennt fast alle Stammgäste beim Namen und sie sind ihm wichtig, auch wenn der Tourismus und das Tagungswesen in den Weinstuben eine große Rolle spielen. „Der Chef kommt mit allen zurecht“, sagt seine Frau.
Was Wiesenegg an seinen Gästen schätzt, ist die Mischung: das bürgerliche Publikum aus Würzburg, Reisende aus aller Welt, ehemalige Studenten, auch junge Leute und Prominenz: Außenminister Genscher etwa, der amerikanische Außenminister, Kanzlerin Angela Merkel, Udo Lindenberg und Kardinäle und Bischöfe aus aller Welt. „Nur ein Papst fehlt hier noch“, sagt der Wirt scherzend. Wenn Wiesenegg nun ein doppeltes Jubiläum feiert, ist er dankbar für das Glück, das ihn im Laufe seines Lebens begleitet hat, wie jüngst bei einem schweren Skiunfall.
Zu den Glücksfällen in seinem Leben zählt auch Sohn Alexander Wiesenegg, der seit gut einem Jahr die alleinige Verantwortung in den Weinstuben trägt und mit dem Vater vertrauensvoll zusammenarbeitet. 2007 ist er nach seinen Wanderjahren in den elterlichen Betrieb gekommen und hat Erfahrung aus Sterne-Küchen mitgebracht: von Heinz Winkler am Chiemsee und von Starkoch Alfons Schuhbeck in München.
Mit dem Sohn an der Spitze schlug die Familie ein neues Kapitel in der Geschichte der Weinstuben auf: So entstand aus der ehemaligen dunklen Eingangshalle an der Theaterstraße im Jahr 2010 eine moderne Weinbar, die auch wieder viele junge Leute anspricht. Modern ausgestattet und ins rechte Licht gerückt wurden die angrenzenden Arkaden, die Häckerstube und die Alte Weinstube.
Aufgefrischt, aber im alten Stil erhalten, wurden die älteren Teile der Weinstuben, die Willkommensstube, die Steren-Halle, die Stifter-Stube, das Meistergewölbe und der Teufelskeller. Dazu wurde der Innenhof mit riesigen Sonnenschirmen ausgestattet. Letzter Baustein der grundlegenden Erneuerung war vor kurzem die Neugestaltung des Bürgerzimmers. Nun stehen noch Investitionen in die Lüftung und die Kühlanlagen bevor.
Gastronomisch hat Alexander Wiesenegg ein klares Bild von der Zukunft: die Kultur der klassischen Würzburger Weinstube pflegen und eine Brücke schlagen hin zu einem Restaurant mit traditionellen fränkischen und internationalen Speisen.