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REGION WÜRZBURG: Bunte Kunst aus der Dose

REGION WÜRZBURG

Bunte Kunst aus der Dose

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    Als der Norweger Erik Rotheim vor 85 Jahren daran tüftelte, wie er seine Skier möglichst gleichmäßig mit Wachs behandeln könnte, dachte er sicherlich nicht daran, dass seine Erfindung später auch mal Hip-Hopper, Punks, Künstler, Polizei und Gemeindeverwaltungen beschäftigen würde. Am 9. Februar war seine Sprühdose gebrauchsfertig und erleichterte damit nicht nur das Auftragen von Wachs, sondern auch Haarspray, Deodorant – und eben Farben. Das wichtigste Werkzeug für Graffiti war geboren.

    „Man hat schon eine besondere Beziehung zu der Dose und ihren Eigenschaften“, erklärt Max Göbel, Sprayer aus Würzburg. Die Deckkraft, der Geruch und wie die Farbe läuft machen diese Eigenschaften aus. „Und welche Dosenmarke die beste ist, darüber kann man nächtelang diskutieren“, sagt Max' Kollege Dirk Weiser. „Spraycan-Artists“, also Sprühdosen-Künstler, findet Max deshalb auch die beste Bezeichnung für ihre Szene.

    „Wenn du an einer Wand stehst und malst – egal wer vorbeikommt, alle bleiben stehen und fragen.“

    Dirk Weiser Graffiti-Künstler

    Nicht jeder empfindet Graffiti jedoch als Kunst, das wissen die beiden auch. „Illegale Graffiti werden immer einen schlechten Namen haben und bleiben dem Bürger verschlossen“, erklärt Max. Vor allem das so genannte „Tagging“, wenn ein Sprüher also nur seinen Namen oder sein Kürzel auf Wänden hinterlässt, ist für viele Menschen in erster Linie Schmiererei. Das wird dann auch polizeilich als Sachbeschädigung verfolgt. Offiziell freigegebene Wände sind für Max und Dirk deshalb die Lösung: „Die bremsen das illegale Potenzial aus.“

    Idealerweise laufe das so: Sprayer entdecken eine graue Wand, zum Beispiel an Brücken, Unterführungen, Lagerhallen und stillgelegten Fabriken, fragen bei der Firma oder der Gemeinde an und bekommen die Erlaubnis, den Beton zu bemalen und zu besprühen. Oder eine Gemeinde gibt eine Wand einfach frei – wie zum Beispiel in der Würzburger Zeppelinstraße oder eine Gemeindemauer in Leinach. Das spricht sich dann schnell in der Szene herum.

    Manchmal geben Gemeinden auch selbst den Auftrag für ein Graffiti-Kunstwerk. Dirk zum Beispiel sprühte vor vier Jahren die Unterwasserwelt auf dem Karlstadter Juze: blubbernde Fische, ein Schiffswrack und Seegras verschönern seitdem die Eingangsseite. „Am besten ist mir die Krake gelungen“, sagt er. Aber es sei auch ein komischer Zusammenhang zwischen Rathausverwaltung und Sprühern: „Auf der einen Seite verteufeln uns die Städte, aber auf der anderen Seite fragen sie an, ob wir die städtischen Juzes bemalen können.“

    Max ist 40, Dirk 36 Jahre alt und beide haben schon einige Strömungen miterlebt. Vor rund zehn Jahren war die Politik gegenüber Graffiti noch strikter, inzwischen gebe es immer wieder häufiger die Gelegenheit, Mauern legal zu besprühen.

    Auch die Haltung der Menschen habe sich geändert. „Wenn du an einer Wand stehst und malst – egal wer vorbeikommt, Oma oder Kind, alle bleiben stehen und fragen,“ erzählt Dirk. „Das Feedback ist allgemein positiver geworden“, bestätigt auch Max. Beide freuen sich über die positive Rückmeldung, gerade auch von Leuten, von denen man es nicht erwartet hätte. Manchmal beispielsweise kämen Leute, oft Familien mit Kindern, immer mal wieder vorbei, um zu sehen, was sich an der Wand getan hat. Denn auch ein einzelnes Kunstwerk kann je nach Größe Tage und Wochen dauern, bis es fertig ist.

    Ein zeitaufwändiges Hobby, das auch nicht ganz billig ist: Rund vier Euro kostet eine Dose; je nach Größe und Buntheit des Bildes braucht man mindestens fünf Dosen. Dazu kommen die Sprühkappen, Abdeckfarbe und das Material für Entwürfe. „Da kommt schon einiges zusammen.“ Deshalb sei es auch immer wieder ärgerlich, wenn Auftraggeber versuchen, den Preis für ein Bild weit nach unten zu drücken. „Sie sehen oft nicht ein, dass sie es mit Künstlern zu tun haben“, erklärt Max, der hauptberuflich ein Tattoo-Studio in Würzburg betreibt. „Manche sagen dann: Sei doch froh, wenn du malen kannst“, erzählt auch Dirk. Er ist Künstler in Vollzeit und lebt von Aufträgen – macht aber auch gern mal was Soziales.

    Zur Kunst aus der Dose gehört auch, dass sie in den meisten Fällen vergänglich ist. „Das ist das Buddhistische daran“, beschreibt Max. Gerade an legalen Flächen ist es der normale Lauf der Dinge, dass Kunstwerke nach einer gewissen Zeit wieder übermalt werden. Fest steht für die beiden auf jeden Fall: „Ohne Graffiti wäre die Welt weitaus grauer.“

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