Die 15 durchsichtigen Acryl-Röhren in Burkard Schmidls Tonstudio im Keller seines Wohnhauses in Eibelstadt könnten auch eine Zimmerbeleuchtung sein. Mal leuchten sie rot, dann wieder gelb, grün oder blau, wenn der Komponist und Musiker seine Hände vorsichtig über ihnen bewegt, ohne sie dabei zu berühren. Gleichzeitig kommen sphärische Klänge aus den Boxen, die an den Studiowänden montiert sind. Schmidls Hände, die Röhren und die Musik müssen irgendetwas miteinander zu tun haben. Nur was?
Alles andere als eine Harfe
Die Lösung heißt Soundharp. So hat Burkard Schmidl das digitale Klanginstrument genannt, das er erfunden und selbst zusammengebaut hat. Die Soundharp, auf Deutsch: Klangharfe, hat außer dem Namen mit der klassischen Harfe rein gar nichts gemein. Vielmehr ist sie ein elektronisches Instrument, das über ein komplexes Computersystem betrieben und mit den Händen des Spielers beeinflusst wird, ohne das Instrument zu berühren.
Eigentlich ging es dem Klangtüftler, der sich vor 25 Jahren mit seinem ersten Klanggarten bei der bayerischen Landesgartenschau in Würzburg einen Namen machte, gar nicht so sehr darum ein neues Instrument zu entwickeln. Vielmehr galt sein Interesse der Weiterentwicklung seiner Klanginstallationen. Dort wurde den Besuchern bislang ein musikalisches Klangerlebnis geboten, dem sie in der vom Komponisten erdachten Form zuhören konnten.
Schmidl wollte dem etwas Neues hinzufügen und er fing an über interaktive Elemente nachzudenken, die den Zuhörer in die Klanginstallation einbinden. Er beschäftigte sich zunächst mit Sensoren, die Bewegungen der Zuhörer im (Klang)Raum in Klänge umsetzen können, um so die Zuhörer aktiv ins Geschehen einzubeziehen.
15 Acryl-Röhren mit Sensoren
Das war vor etwa vier Jahren. Und je mehr er sich mit dem Thema beschäftigte, reifte in ihm die Idee, dass sich durch das menschliche Eingreifen die Klänge mit der Zeit verändern sollten. Das heißt: Bei einer einzigen Aktion wird der Klang variiert und es wird etwas Neues erzeugt. Deshalb befinden sich in den 15 Acryl-Röhren jeweils zwei Sensoren, über die man mit den Händen Klänge auslösen und verändern kann.
Je nach Entfernung der Hände kann man dann Sounds hinzufügen, Effekte beeinflussen oder die Richtung der Klänge im Raum verändern. Man könnte sich also eine Skulptur mit solchen Sensoren vorstellen, die neben ihrer visuellen Form auch Klänge nach dem Willen der Betrachter erzeugt.
Die eigentliche Klangerzeugung findet im Computer statt. Dort sind unterschiedlichste Klänge programmiert und gespeichert: Instrumente, perkussive Samples, Sprache, Geräusche aus der Natur, Loops, Atmosphären, kleine kompositorische Momente und vieles mehr. Aus diesem Klangmaterial lassen sich Atmosphären und Stimmungen verändern und entwickeln.
Da die rhythmischen Phasen zeitlich getaktet sind und auch das Tonmaterial aufeinander abgestimmt ist, wird verhindert, dass ein musikalisches Chaos entsteht. Harmonische und rhythmische Strukturen sind also garantiert. Die so erzeugte „Komposition“ kann in Stereo gehört oder auf bis zu 16 Lautsprecher übertragen werden.
Musik zu erzeugen, ohne ein Instrument zu berühren, gab es auch früher schon, konnte sich aber nicht durchsetzen, erzählt Schmidl. Das 1919 entwickelte Theremin war solch ein Instrument, bei dem Klangveränderungen durch Handbewegungen in einem elektromagnetischen erzeugt werden. Das Theremin wird noch heute hin und wieder eingesetzt, ist aber sehr schwierig zu erlernen. Umso mehr ist es erklärtes Ziel bei der Soundharp, dass sie im Rahmen von Installationen auch von Nichtmusikern oder neugierigen Menschen einfach zu bedienen ist.
Würzburger Trautonium-Erfinder
Während der in Würzburg geborene und heute in Eibelstadt lebende Schmidl ein modernes elektronisches Instrument für das 21. Jahrhundert entwickelt hat, geht einer der ältesten elektronischen Klangerzeuger ebenfalls auf einen Würzburger zurück: das heute kaum noch bekannte Trautonium. Sein Erfinder Friedrich Trautwein wurde 1888 in Würzburg geboren und stellte 1930 sein erstes Trautonium fertig. Das Instrument kam unter anderem in mehreren Hitchcock-Filmen zum Einsatz.
Schmidl wird seine „Soundharp“ weltweit erstmals beim Konzert „Schmidl and Friends“ am 5. Dezember in der Alten Synagoge in Kitzingen live präsentieren. Der Klangtüftler, der während seiner Zeit als Keyboarder bei den „Dissidenten“ zum Miterfinder des „Ethno Beats“ wurde, spielt dann mit Gitarrist Jochen Volpert und Bassist Thomas Gawlas.
Es ist dies eine der äußerst seltenen Gelegenheiten, Burkard Schmidl tatsächlich live zu hören, denn in den vergangenen 25 Jahren hat er nur fünf Konzerte gegeben, das letzte beim Hafensommer in Würzburg im Jahr 2011.
https://www.youtube.com/watch?v=uvt7CobyTQ8