Seit August dieses Jahres ist Carmen Schiller die kommunale Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises. Sie setzt sich für die Chancengleichheit von Frauen und Männern ein, hilft geschlechtsspezifische Benachteiligungen abzubauen und möchte gesellschaftliche Veränderungen mit bewirken. Die 44-jährige gebürtige Türkin will in den Landkreis-Gemeinden Sprachrohr sein für Menschen und insbesondere Frauen, die - aus verschiedenen Gründen - diskriminiert werden. Schiller ist studierte Sozialpädagogin und hat viele Jahre in einem Frauenhaus gearbeitet. Im Landratsamt Würzburg gibt es Gleichstellungsbeauftragte seit 1987.
Frage: Seit August sind Sie die kommunale Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises. Für wen sind Sie in Ihrer Funktion zuständig?
Carmen Schiller: Erstmal freue ich mich, dass ich beim Landkreis als Gleichstellungsbeauftragte hauptamtlich angestellt bin. Das ist tatsächlich nicht selbstverständlich. In vielen Institutionen oder Firmen arbeitet die/der Gleichstellungsbeauftragte ehrenamtlich. Meine Aufgabe am Landratsamt Würzburg ist es zunächst mal die circa 600 Mitarbeiter dort zu betreuen, des Weiteren das Kommunalunternehmen des Landkreises plus 52 Gemeinden mit ihren Bürgern und Bürgerinnen.
Das ist jede Menge. Um welche Aufgaben handelt es sich dabei?
Schiller: Die Aufgaben sind vielfältig, vom Einsatz für die Frauenquote und angepasste Gehälter über die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie - gerade bei Alleinerziehenden - bis hin zu Hilfestellungen bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und bei häuslicher Gewalt. Als Gleichstellungsbeauftragte liegt mir aber auch die Integration anderer Nationen und Religionen am Herzen, ganz aktuell in der Flüchtlingspolitik. Bei diesen Themen kommt mir meine Ausbildung als Sozialpädagogin zugute. Im Grunde genommen möchte ich in den Gemeinden dort helfen, wo Dinge im Argen liegen. Wichtig ist für mich zu wissen, wo der Bedarf liegt. Beispielhaft gesagt: Sind es in der Gemeinde XY eher die Jugendlichen oder die alleinerziehenden Mütter, die Angebote brauchen?
Eines Ihrer Kernthemen ist die häusliche Gewalt...
Schiller: Ja. Um fundierte Aussagen zu treffen, habe ich für unseren Landkreis Statistiken erhoben: Wie hoch ist in unseren Gemeinden die häusliche Gewalt? Wie viele Frauen bei uns im Landkreis brauchen Schutzplätze? Aufgrund dieser Erhebungen möchte ich mich stark machen für weitere Schutzplätze. So, dass Betroffene aus dem Landkreis auch wirklich hier einen Platz bekommen. Denn die Regel ist: Ist in der Region kein Platz frei, wird aufs gesamte Bundesgebiet ausgewichen. Für die Betroffenen ist das arg schlimm. Es kostet schon viel Kraft aus der häuslichen Situation auszusteigen. Gleichzeitig von jetzt auf gleich das gesamte soziale Gefüge mit Arbeit, Schule, Kindergarten zu verlassen, ist in meinen Augen fast nicht zumutbar.
Sie möchten auch gerne das Angebot an junge Mädchen erweitern, ihr Selbstbewusstsein zu stärken?
Schiller: Ja. Ich finde es wichtig, dass Mädchen und junge Frauen selbstbewusst durchs Leben gehen und lernen "Nein zu Gewalt" zu sagen. Es gibt schon viele gute Projekte, beispielsweise Selbstverteidigungskurse, auch in Kooperation mit der Stadt Würzburg, die meine Vorgängerin mit organisiert hat.
Wie sieht denn Gleichstellung im Landratsamt aus?
Schiller: Ich denke, wir gehen schon mit gutem Beispiel voran. Die Frauenquote im Geschäftsbereich des Landratsamtes ist überdurchschnittlich hoch. Auch, was Familie und Beruf angeht, stehen wir mit Angeboten zur Teilzeitarbeit gut da. Zudem wird es ab Herbst nächsten Jahres eine betriebseigene Kinderkrippe geben. Und noch ein konkretes Projekt habe ich vor Augen: Ausgewiesene Parkplätze für Mitarbeiter, die ihre Kinder in die hauseigene Kita bringen und ausgewiesene Familienparkplätze für Besucher.
Dieses Jahr ist ein besonderes. Seit 100 Jahren gibt es in Deutschland das Wahlrecht für Frauen.
Schiller: Ja, ich freue mich genau in diesem geschichtsträchtigem Jahr die Stelle als Gleichstellungsbeauftragte anzutreten. Um das Jubiläum gebührend zu würdigen, wollte ich unbedingt etwas organisieren und habe überlegt, wofür mein Herz pocht. Da ich selbst Türkin bin, ist mir die Integration der Flüchtlinge ein großes Anliegen. Integration sobald wie möglich, nicht über drei Generationen hinweg. Darum die Frage: Wie kann man Menschen mit Wertvorstellungen aus dem traditionellen Islam in die freiheitliche Grundordnung unserer Demokratie integrieren?
Für den Vortrag "An den Rechten der Frauen misst sich die Demokratie" konnten Sie zwei hochkarätige Dozentinnen gewinnen.
Schiller: Ja, da bin ich sehr stolz darauf. Dr. Necla Kelek ist eine in der Türkei geborene Sozialwissenschaftlerin und Publizistin sowie prominente islamische Stimme in Deutschland für den liberalen Islam. Und Seyran Ates ist Rechtsanwältin für Familienrecht in Berlin und gehört zu den bedeutendsten Stimmen im Kampf gegen religiöse und traditionsgebundene Gewalt.
Vortrag der Gleichstellungsstelle des LandkreisesWie kann es gelingen, Menschen mit Wertvorstellungen aus dem traditionellen Islam in die freiheitliche Grundordnung unserer Demokratie zu integrieren? Wie können die islamischen Werte in Einklang mit den demokratischen Errungenschaften der westlichen Gesellschaft gebracht werden? Über diese und weitere Fragen der Integration, die vor allem auch die Stellung der Frau betreffen, referieren die beiden Frauenrechtlerinnen Dr. Necla Kelek und Seyran Ates am Mittwoch, 12. Dezember, im Landratsamt Würzburg, Haus 2, Sitzungssaal 2. Anmeldung per E-Mail an gleichstellung@lra-wue.bayern.de. Einlass ist ab 17.30 Uhr, Beginn um 18 Uhr.