Wer im Internet surft und außerdem gerne kocht, der kennt und nutzt mit großer Wahrscheinlichkeit Chefkoch.de. 16 Millionen Menschen – zwischen 16 und 80 Jahren alt – surfen jeden Monat auf Europas größter Koch-Community im Netz. Dies sagt Martin Meister, Geschäftsführer der Chefkoch GmbH in Bonn, einem Tochterunternehmen des Hamburger Gruner+Jahr-Verlages. Doch was halten Frankens Sterneköche von der Rezepte-Tausch-Börse mit der großen Reichweite?
„Man kommt als Koch nicht mehr drum herum“ (Sterne-Koch Bernhard Reiser)
„Man kommt als Koch definitiv nicht mehr drum herum“, sagt Bernhard Reiser. Der mit einem Michelin Stern ausgezeichnete Würzburger Koch fügt hinzu: Einerseits sei das Angebot sehr gut. Andererseits sei auch „viel Schmarrn“ dabei. Ähnlich wie beim Kochen müsse man „selbst filetieren und selektieren“, sonst werde man das eine oder andere Mal auf die Nase fallen. „Wenn ich genau weiß, was ich suche, kann ich gute Tipps finden. Nehmen wir einmal ein Wiener Schnitzel: Soll es perfekt gelingen, muss sich die Panade leicht vom Fleisch lösen lassen.
“ Dazu finde man auf Chefkoch eine Fülle unterschiedlicher Tipps. Anfänger könnten beim Kochen schnell auf falsche Ratschläge hereinfallen. Reiser empfiehlt beim Wiener Schnitzel die klassische Variante mit Mehl, angeschlagenem Eiweiß, frisch geriebenem Weißbrot und einer ordentlichen Portion Butterschmalz, „nicht zu sehr angedrückt, damit die Panade knusprig bleibt“.
Der Sterne-Bewertung auf Chefkoch steht er skeptisch gegenüber: „Sie wissen ja nicht, wer das Rezept bewertet hat. Meist fehlt die fachliche Tiefe. Gerade bei komplexeren Gerichten wird die Luft dünn“, sagt Reiser. „Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass man kochen lernt, indem man einmal ins Internet schaut.“ Ein Koch brauche bis zu sieben Jahre, bis er ein gutes Portfolio hat. Er empfiehlt: „Am besten suche ich mir kleine Spezialgebiete heraus, die ich kontinuierlich erweitere“. Er selbst habe mit Mehlspeisen angefangen – inspiriert von seiner Oma. (siehe Rezept unten)
„Rezepte mit Fehlern muss man in Kauf nehmen. Dafür sind es Hobbyköche“ (Sterne-Koch Alexander Herrmann)
Ähnlich sieht das Sterne-Koch Alexander Herrmann aus dem oberfränkischen Wirsberg (Lkr. Kulmbach): „Generell finde ich diese Form des kulinarischen Austausches großartig. Wenn jemand zuhause etwas Tolles kocht, möchte und kann er es auf dieser Plattform zeigen/teilen. Man stellt Gleichgesinnten das Rezept zur Verfügung und ist stolz auf die vollbrachte Leistung. Allerdings gibt es auch Rezepte mit Fehlern, aber das muss man einfach in Kauf nehmen. Dafür sind es Hobbyköche.“
Bei vielen Rezepten auf Chefkoch sei die angegebene Arbeitszeit für ungeübte Köche zu kurz, die empfohlene Garzeit dagegen zu lang. Dies bemängelt Iris Graus von der Würzburger Beratungsstelle des Verbraucher Service Bayern. Sie sagt: „Wenn ich Gemüse über eine Stunde koche, bleibt vom Nährwertgehalt nicht mehr viel übrig.“
Vorsicht beim Urheberrecht
Nächste Falle: Urheberrecht. „Bilder von Chefkoch zu kopieren, sollte man tunlichst vermeiden“, sagt Graus. Dagegen unterliegen Rezepte in reiner Textform keinem Urheberrecht, „es sei denn, sie sind mit Namen und Copyright gekennzeichnet“. Wer allerdings einzelne Zutaten ergänzt oder abändert, kreiert ein neues Rezept. Das Urheberrecht erlischt.
3 Millionen angemeldete Hobbyköche
Für die Fülle an Rezepten sorgen drei Millionen angemeldete Nutzer, die insgesamt etwa 100 Rezepte täglich einsenden. Bald erreicht die Plattform die Marke von 300 000 Rezepten. 130 Mitarbeiter arbeiten in Bonn bei Chefkoch, etwa 30 von ihnen in der Qualitätssicherung. Sie überprüfen die Rezepte, bevor sie veröffentlicht werden. Die Zeit, alle Gerichte nachzukochen, haben sie aber nicht. Doch sie filtern unplausible Rezepte heraus, „zum Beispiel fünf Kilo Mehl und 100 Gramm Butter“, sagt der Geschäftsführer. Geprüft werde auch, ob „eine offensichtliche Urheberrechtsverletzung“ vorliegt. Auch unpräzise Angaben wie „eine Handvoll Nüsse“ oder Gerichte, die nur in Luxusküchen zu realisieren sind, seien nicht gern gesehen.
Martin Meister: „Das Wichtigste ist, dass Hobbyköche alle Rezepte nachkochen können.“
Medienpsychologin Dr. Astrid Carolus von der Universität Würzburg hat noch eine andere Erklärung für den Erfolg von Chefkoch: „Es geht nie wirklich nur ums Kochen, sondern immer auch darum, mit anderen in Kontakt zu treten und sich selbst darzustellen.“ Einerseits sei die Nahrungsaufnahme eines der ganz banalen Bedürfnisse des Menschen, andererseits greifen bei Chefkoch die Mechanismen, die man von Facebook kennt: „Ich kann mich und mein Können vor großem Publikum darstellen und erhalte eine Rückmeldung. Das ist interessanter, als Rezepte mit ein, zwei Freunden privat zu tauschen.“
„Chefkoch.de hätte auch eine Datenbank für Schrauben und Nägel sein können“ (Gründer von Chefkoch.de)
Doch auch der Platzhirsch unter den Kochseiten im Netz hat klein angefangen: 1998 fütterten drei Unternehmer einer Internet-Agentur in Sinzig (Rheinland-Pfalz) eine Online-Datenbank mit Beispieldaten. Aus purem Zufall waren das Rezepte. „Chefkoch.de hätte auch eine Datenbank für Schrauben und Nägel sein können, dann wären wir vielleicht heute die größte Heimwerker-Webseite Deutschlands“, so die Gründer.
_________________________________________________________________________ Bernhard Reisers Rezept für Weihnachtsbuchteln mit Backofen-Quitten:
Zutaten: 500 Gramm Mehl, 1 Würfel frische Hefe, 60 Gramm Zucker, 1 Teelöffel Lebkuchengewürz, Prise Salz, 75 Gramm Butter, 2 Stangen Vanille, 250 ml lauwarme Milch, 1 Ei, Butter zum ausspielen, Puderzucker zum bestäuben
Zubereitung: Aus Mehl, Hefe, Milch, Zucker, Ei, Salz, Lebkuchengewürz, Vanillemark und Butter einen Hefeteig kneten und circa 45 Minuten gehen lassen - wenn möglich, zwei Mal.
Den Teig auf einer bemehlten Arbeitsplatte circa 1 Zentimeter hoch rechteckig ausrollen. Nun in 7 Zentimeter große Quadrate schneiden oder mit einem großen Glas rund ausstechen.
Eine Springform 26 Zentimeter Durchmesser fetten und die Teigbällchen abdrehen und dicht nebeneinander hineinsetzen. Den Teig erneut 30 Minuten gehen lassen.
Die zerlassene Butter über die Bällchen streichen und im vorgeheizten Backofen (200 Grad) circa 20 Minuten backen.
Auf dem Küchenrost auskühlen lassen und vor dem Servieren mit Puderzucker bestäuben.
Für die Quitten: Vier Quitten unten abschneiden und in eine gebutterte Pfanne setzen. In den Backofen mit der Schale circa 45 Minuten bei 200 Grad garen, die Haut abziehen, das Mark auslöffeln und mit ein bisschen Honig süßen. Etwas geriebenen Zimt darauf - fertig!
Dazu passt auch ein schönes Vanille- oder Walnusseis oder noch etwas Vanillesauße.