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Chronologie: Geschichte der Sinti seit dem Mittelalter

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Chronologie: Geschichte der Sinti seit dem Mittelalter

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    Wanderung nach Westeuropa

    Die ursprüngliche Heimat der Sinti ist Indien. In Deutschland und auch in Würzburg, wo sie erstmals 1459 im Ratsprotokoll auftauchten, wurden sie zunächst freundlich begrüßt, da an ihren Produkten (Körbe, Töpfe) und Dienstleistungen (Scherenschleifen, Kesselflicken) Bedarf bestand. Auf Märkten traten sie als Musiker, Tänzerinnen, Wahrsagerinnen, Bärenführer auf.

    Wachsender Widerspruch

    Zunehmend erregte die neue Konkurrenz den Widerspruch der einheimischen Handwerker und Händler. Man warf den Sinti Zauberei, Diebstähle und Kindesraub vor; 1498 wurden sie aus Würzburg und allen deutschen Landen ausgewiesen. Auch religiöse Vorurteile wurden geschürt: Sinti sollten die Nägel geschmiedet haben, die Jesus am Kreuz festhielten.

    Romantisierung

    Im 19. Jahrhundert setzte die Romantisierung des „Zigeunerlebens“ ein. George Bizets Oper „Carmen“ und Johann Strauß' Operette „Der Zigeunerbaron“, ebenso wie volkstümliche Malerei und Trivialliteratur, machten Sinti zu einer klassischen Figur der abendländischen Kultur mit eindeutig bestimmter Rolle: Sie lebten in ihren Wohnwagen und Zelten das freie, „ungelebte Leben“ (Erich Fromm) der Bürger und Kleinbürger.

    Rasseforschung

    In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wanderten weitere „Zigeuner“ vom Balkan und aus Ungarn nach Mitteleuropa. Sie nannten sich Roma, während die bereits hier Ansässigen als Sinti bekannt waren. Gegen beide richteten sich die Vorurteile der aufblühenden Rasseforschung. Sinti und Roma wurden als Menschen charakterisiert, die aufgrund ihrer Veranlagung zum Verbrechertum tendieren.

    Familie Winterstein in Würzburg

    Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Mitglieder der aus der Pfalz stammenden Sinti-Familie Winterstein nach Würzburg. 1915 ließ sich der Korbmacher und Musiker Adolf Winterstein mit Frau und Kindern in der Korngasse nieder. Adolf Winterstein nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil.

    Tödlicher Unfall

    Im November 1918 meldet sich die Weißnäherin und Schirmflickerin Johanna Winterstein mit ihren Kindern Karl, Johann, Franz und Frieda für einige Zeit in Würzburg an. 1919 stürzte Frieda tödlich ab, als sie auf dem Geländer des Brückenkopfes der Löwenbrücke ein Kunststück vorführte. Ihr Bruder Johann heiratete später Josefine Spindler. Die Tänzerin Theresia Winterstein war beider Tochter.

    Heizer auf dem Flugplatz

    Karl Winterstein war Soldat im Ersten Weltkrieg und arbeitete danach als Heizer auf dem Flugplatz am Galgenberg. 1926 übernahm Bayern mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“, das der Landtag gegen die Stimmen von SPD und KPD verabschiedete, eine unrühmliche Vorreiterrolle in Deutschland.

    „Zigeunerzentrale“

    1933 lebten etwa 26 000 Sinti und Roma im Reich. Die bereits in der Weimarer Republik in München etablierte „Zigeunerzentrale“ wurde 1938 nach Berlin verlegt. Die in den Nürnberger Gesetzes von 1935 enthaltenen Bestimmungen wurden auch auf Sinti ausgedehnt, was Mischehen mit Nicht-Sinti und außereheliche sexuelle Beziehungen unter Strafe stellte.

    Rasse-Gutachten

    Der Kinderpsychologe und SS-Mann Robert Ritter vertrat die Ansicht, dass Sinti und Roma, vor allem „Zigeunermischlinge“, vorbelastet für kriminelles Verhalten seien. Im Auftrag der Reichsregierung erstellte er Rassegutachten für fast alle in Deutschland lebenden Sinti und Roma. 1940 wurde Theresia Winterstein als „Mischling“ eingestuft. Ihr späterer Mann Gabriel Reinhardt galt in der Terminologie des Dritten Reiches als „reinrassig“.

    „Festsetzungserlass“

    Im Dezember 1938 sprach Heinrich Himmler erstmals von der Notwendigkeit, die „Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser Rasse heraus in Angriff zu nehmen“. In jeder Kriminalpolizeistelle, so auch in Würzburg, wurde ein „Zigeuner-Referat“ eingerichtet. Im Oktober 1939 wurden per „Festsetzungserlass“ alle in Deutschland lebenden Sinti und Roma verpflichtet, einen festen Wohnsitz zu wählen. Die Mitglieder der Familie Winterstein durften Würzburg nicht mehr verlassen.

    Dienst in der Wehrmacht

    Ab Oktober 1940 diente Theresia Wintersteins Bruder Kurt in der Wehrmacht. Er nahm am Frankreichfeldzug teil und wurde 1942 zum Reserveoffiziersanwärter vorgeschlagen. Die Schulung hatte bereits begonnen, als am 7. Januar 1943 sein – für alle Sinti vorgeschriebener – Ausschluss aus der Wehrmacht erfolgte. Sein Onkel Franz Winterstein, Vater von vier kleinen Kindern, wurde nach der Entfernung aus der Wehrmacht inhaftiert und am 9. Juli 1942 in Würzburg „auf der Flucht“ erschossen.

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