Zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Beihilfe zum gewerbs- und bandenmäßigem Betrug hat das Landgericht Würzburg eine gelernte Friseurin (31) aus dem hessischen Bad Soden verurteilt, die für eine Bande "falscher Polizisten" bundesweit bei alten Leuten Erspartes in Höhe von über 160.000 Euro abgeholt hatte. Dafür erhielt sie bei der anschließenden Geldübergabe an ein Bandenmitglied der nächsthöheren Stufe jeweils sofort eine Gewinnbeteiligung von zehn Prozent ausbezahlt.
Angeblich hatte man der Job suchenden Frau gesagt, dass sie bei Ex-Politikern Schwarzgeld "zum Waschen" abholen solle. Nach einigen Einsätzen sei ihr jedoch bewusst geworden, so die Angeklagte vor Gericht, dass es sich bei den alten Frauen, bei denen sie meist am späten Abend an der Garten- oder vor der Haustür bereitgelegtes Geld, Schmuck und Goldmünzen abholte, nicht um Ex-Politikerinnen handelt.
Rimparer Rentnerin trickste Bande aus
Tatorte waren unter anderem in Mannheim, Stuttgart, Sohren im Hunsrück und Weinstadt in Baden-Württemberg, beendet wurde die Serie durch eine clevere 75-Jährige in Rimpar im Landkreis Würzburg. Als der ein freundlicher "Polizeibeamter" am Telefon mitteilte, dass ihr Geld in Gefahr sei und man jemand vorbei schicke, hat sie, so das Gericht, "cool und taff" "mitgespielt".
Sie hat den Anrufer hingehalten, über Handy aus ihrem Schlafzimmer die Polizei informiert und dann dem Anrufer aufgetischt, dass sie, welch ein Zufall, 20 000 Euro im Haus habe. Es folgten weitere Anrufe der falschen Polizisten, zwischendurch hat die Frau der echten Polizei den Stand des Geschehens mitgeteilt und den Weg beschrieben, wie man ziemlich unbeobachtet durch den Garten und eine Hintertür des Hauses in ihr Schlafzimmer kommen könne. Als dann spät in der Nacht die jetzt Angeklagte klingelte und sich als Polizeibeamtin vorstellte, kamen die echte Kollegen aus dem Schlafzimmer und nahmen sie fest.
Mit echter Notrufnummer 110 bei falschen Polizisten gelandet
Die Beweisaufnahme zeigte, wie professionell die Bande mit Sitz im türkischen Izmir vorgeht. Als eine der angerufenen alten Frauen Verdacht schöpfte und das dem Anrufer, einem "Herrn Schneider" auch sagte, hat der empfohlen, das Gespräch zu beenden, dann die Notrufnummer 110 zu wählen und nach ihm, Schneider, zu fragen. Das machte die Frau und tatsächlich meldete sich eine "Einsatzzentrale", fragte, was passiert sei und hat dann wunschgemäß mit dem "Kollegen Schneider" verbunden. Sehen sie, sagte der sinngemäß, "ich bin echt." Ein technischer Trick machte diese Umleitung des Anrufes möglich.
Die Masche sollte inzwischen eigentlich bekannt sein: Falsche Polizisten rufen an, berichten, dass Mitglieder einer Einbrecherbande festgenommen wurden, aber nicht alle. Bei denen habe man Adressenlisten und Bankdaten gefunden, auch die der angerufenen Opfer. Deswegen wolle man Bargeld und Schmuck abholen und sicher verwahren, bis alle Bandenmitglieder hinter Gitter sind. Da nicht auszuschließen sei, dass auch Mitarbeiter von Banken und Sparkassen der Bande zuarbeiten, sollten die Angerufenen auch Schließfächer leeren und Konten abräumen.
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Geld, Goldmünzen und -barren sowie Schmuck haben die Opfer weisungsgemäß bei Dunkelheit in Tüten oder Stoffbeuteln vor die Haustüre gelegt oder an den Gartenzaun gehängt. Zu den Anweisungen gehörte, nicht am Fenster, hinterm Vorhang zu stehen und auf den Abholer zu warten, denn bei denen handle es sich ausnahmslos um verdeckte Ermittler, deren Gesicht nicht bekannt werden soll. Meist sind die Opfer durch ein Telefongespräch abgelenkt worden, wenn der Abholer kam.
Abholer werden streng überwacht
Die Abholer als letztes, aber auch wichtigstes Glied in der Kette sind straff geführt worden. Durch Videoaufzeichnungen während der Fahrt zum Tatort wurde überwacht, dass keine zweite Person im Fahrzeug dabei ist. Während des Abholens wurde die Verbindung nicht abgebrochen, so dass die Zentrale ständig "im Bild war," bis der Abholer an einem kurzfristig mitgeteilten Treffpunkt ein weiteres Mitglied der "Abteilung Logistik" traf und die Beute ablieferte, die sofort gezählt wurde .
Von einem Fall der Anklage, mit einer Schadenssumme von über 100 000 Euro bei einer alten Frau in Großheubach im Landkreis Miltenberg, musste die Angeklagte freigesprochen werden. Es konnte zwar ermittelt werden, dass sie in der Tatnacht mit ihrem Handy in der "zuständigen Funkzelle" eingeloggt war, man könne allerdings nicht ausschließen, dass sie zufällig, auf der Fahrt zu einem anderen Einsatzort, dort vorbeikam. Die Angeklagte, in den übrigen Fällen geständig, konnte sich jedenfalls an Großheubach nicht erinnern.
Den Job in der Bande, an den sie über eine Facebook-Gruppe kam, will die Angeklagte nur angenommen haben, weil sie sonst aufgrund von hohen Mietrückständen demnächst mit ihren Kindern auf der Straße gelandet wäre. Ihr Lebensgefährte war vor kurzem vom Landgericht Aachen wegen schwerer Kriminalität im Rotlicht-Milieu zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden.
Manche Opfer wussten gar nicht wieviel Geld im Schließfach war
Profis, soweit es um technische Ausrüstung und verbales "Bearbeiten" geht, haben da, so der Vorsitzende Richter Konrad Döpfner, alte und fast hilflose Opfer betrogen. In manchen Fällen konnte die Schadenssumme überhaupt nicht ermittelt werden. Eine Frau wusste nur, dass sie 19 prall mit Geldscheinen gefüllte Briefkuverts im Schließfach hatte und für die falschen Polizisten abholte. Regelmäßig habe sie seit vielen Jahren Geldscheine in ein Kuvert gesteckt und wenn‘s voll war, zum Schließfach gebracht, nachgezählt, wieviel da drinnen war, habe sie nicht.
Der Staatsanwalt hätte gern eine höhe Strafe gehabt, sechs Jahre und neun Monate hatte er beantragt. Unangenehm aufgefallen ist ihm, dass die Angeklagte sich bei keinem der Opfer, Frauen weit über 75, die zum Teil nur schlecht hörten oder auch schon nichts mehr verstanden, entschuldigt hat.