Fast scheint es wie im Mittelalter zu sein, als die Menschen in die Herrgottskirche strömten, um sich bei einem Ablasshändler ihr Seelenheil zu erkaufen und mit ihren Scherflein zum Erhalt der Kirche beizutragen.
Wie damals, als die Menschen arm und das Geld knapp war, ist in dieser Zeit, nicht zuletzt durch Corona, die weltberühmte Sehenswürdigkeit in finanzielle Bedrängnis geraten.
Nachdem die Besucherzahlen und somit die Einnahmen bei gleichzeitig steigenden Betriebskosten zurückgegangen sind, fanden die Verantwortlichen mit Pfarrerin Fraukelind Braun eine nicht alltägliche Einnahmequelle.
Wie vor Hunderten von Jahren, bevor die Herrgottskirche während der Reformation 1530 evangelisch wurde, blüht am Sonntag, 12.September, am bundesweiten "Tag des offenen Denkmals", der Ablasshandel in dem einstigen Wallfahrtsort wieder auf.
An diesem Tag werden sich die Blicke der Besucher nicht nur auf den von Tilman Riemschneider geschnitzten Altar im Inneren der Kirche richten, sondern auch an der Außenwand hinauf, auf die sogenannte "Tetzel Kanzel".
Ob der Dominikanermönch Johann Tetzel im 16.Jahrhundert von dieser Kanzel seine Predigten gehalten und versprochen hat: " Der Taler im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt", das ist so unbelegt wie sein Versprechen, das sich die Gläubigen bis zu 100 Tage weniger Qualen verdienen könnten, wenn sie nur tief genug in ihre Geldsäckel griffen.
Der "Fegefeuererlass", mit dem Papst Leo X (1475- 1521) in großem Stil den Ablasshandel förderte, um Gotteshäuser wie den Petersdom in Rom zu bauen und kunstvoll auszustatten, ist längst Geschichte. Ebenso wie in der Vergangenheit schon lange niemand mehr auf das kunstvoll gearbeitete kleine achteckige Türmchen hinaufgestiegen ist und von der Tetzel Kanzel herunter gepredigt hat.
Bis jetzt. Bürgermeister Uwe Hehn will das Rad der Zeit zurückdrehen, in ein Mönchsgewand schlüpfen und den Besuchern um 11 Uhr um 14 Uhr Uhr sowie um 17 Uhr als Ablassprediger eine originelle Vorstellung bieten.
Hintergrund der ungewöhnlichen Aktion ist ist es nach den Worten des Stadtoberhauptes, die Besucher für die Herrgottskirche zu sensibilisieren und möglichst viele "Spendenbriefe" verkaufen zu können.
Zusätzlich zu einer kleinen Verköstigung gibt es für die "Gläubigen" eine eigens nach historischem Vorbild gestaltete Ablassurkunde. Darauf ist in kunstvoller Schrift folgender, von Uwe Hehn und seiner Sekretärin Esther Hillenbrand verfasster Text zu lesen:

Im Namen unserer Stifter, der Brüder Gottfried und Konrad von Hohenlohe-Brauneck und der evangelischen Kirchengemeinde Creglingen dankt Dir unsere heilige Herrgottskirche für Deine großzügige Spende zum Erhalt der Heimat des Marienaltars von Tilman Riemenschneider. Maria möge Dir wohlgesonnen sein und verleiht Dir das Recht die Herrgottskirche zwiemal im Jahr guldenfrei für Dein Seelenheil zur Huldigung Mariens zu besuchen. Sünden seien Dir verziehen, Maria verschone Dein Haus, Felder und Gärten vor Hagel, Unwetter und Ungetier. Deine Spende bringe Wohlstand, Zufriedenheit, Kinder und zahlreiche Enkel in Dein Haus. Du wirst bewahrt vor dem bösen Blick, dem Neid der Nachbarn, dem Finanzamt und jeglichen sonstigen Missgeschicken, die das Schicksal für Dich vorhält. Gottes Segen, Seelenheil, Glück und Gesundheit mögen mit Dir sein jetzt und immerdar.
Deine Herrgottskirche
Wer nicht persönlich anwesend sein kann und trotzdem die Kirche unterstützen möchte, denen werden die Briefe auch zugeschickt.
Weitere Informationen unter www.herrgottskirche.de und www.creglingen.de