Auch acht Tage nach dem Kreuz-Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, wonach ab dem 1. Juni in jeder Behörde des Freistaats ein Kreuz hängen muss, geht die Debatte scharf weiter. Unionspolitiker stellen sich hinter Söder, Kirchenvertreter halten dagegen, darunter der künftige Bischof von Würzburg, Franz Jung.
In seinem Handeln am Kreuz messen lassen
„Der bayerische Ministerpräsident und die CSU sehen im Kreuz in erster Linie ein kulturelles Symbol. Ich halte diese Grundaussage für falsch“, so Franz Jung gegenüber dieser Redaktion. Das Kreuz sei ein „genuin religiöses Zeichen und darf nicht auf bayerische Folklore und heimatliches Brauchtum reduziert werden“. Und weiter: „Wer das Kreuz als christliches Symbol aufhängt, muss sich in seinem Handeln am Kreuz und seiner Botschaft messen lassen.“
Auch der Schweinfurter Pfarrer Roland Breitenbach mischt sich ein: Söders Verordnung habe „buchstäblich einen Kreuzzug der unterschiedlichsten Überzeugungen ausgelöst“. Es gelte, über den Sinn des Zentralsymbols des christlichen Glaubens nachzudenken, auch deswegen könne die derzeitige Auseinandersetzung von Nutzen sein.
Breitenbach: Schindluder mit dem Kreuz
Breitenbach hält den Beschluss für eine „totale Entwertung des christlichen Zeichens“. Er sagt: „Der Verdacht liegt nahe, dass aus welchem Grund auch immer mit dem Kreuz Schindluder getrieben wird.“
Am Sonntag hatte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, Söder kritisiert. Durch die Verordnung seien „Spaltung und Unruhe“ entstanden. Wer das Kreuz nur als kulturelles Symbol sehe – wie es Söder zunächst getan hatte –, habe es nicht verstanden. Es stehe dem Staat auch nicht zu, die Bedeutung des Kreuzes zu erklären, sagte Marx der „Süddeutschen Zeitung“.
Bär: Heimatland christlich-jüdisch geprägt
Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär wies die Kritik zurück: „Die Aussagen von Kardinal Marx verwundern sehr. Vor drei Jahren plädierte er noch öffentlich für den Verbleib der Kreuze in Schulen und Gerichtssälen“. Dem „Handelsblatt“ sagte die Staatsministerin für Digitalisierung, niemand könne leugnen, „dass unser Heimatland christlich-jüdisch geprägt ist“. Bundestagsabgeordneter Hans Michelbach (CSU) setzte noch eins drauf: „Ich finde es schon erstaunlich, dass ein Kardinal nicht mehr zum Kreuz steht“.
Max Strauß, Sohn von Franz Josef Strauß, sagte, es gebe „weltweit kein besseres Zeichen für Nächstenliebe und Demut“. Söder habe daher „das richtige Zeichen zur rechten Zeit“ gesetzt. Auch der ehemalige Kultusminister Ludwig Spaenle verteidigte Söder: Oberste Bildungsziele der Bayerischen Verfassung seien die „Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen“ (Artikel 131).
-> Kommentar zur Kreuz-Debatte: Zuhören statt draufhauen
Die theologisch konservative Deutsche Evangelische Allianz begrüßte die Kreuz-Pflicht. Zurückhaltender reagierte der evangelische bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm: Es gehe „natürlich nicht“, das Kreuz auf ein Kultursymbol zu reduzieren. Er vermied jedoch direkte Kritik an der Söder-Regierung.
Grundgesetz statt Kreuz
Vertreter des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend und der Evangelischen Jugend Bayern schreiben in einem offenen Brief, sie seien schockiert, dass das „Ursymbol des Christentums“, das mit Nächstenliebe, Toleranz, Vielfalt und Achtung der Menschenwürde verknüpft sei, „politisch-national vereinnahmt“ sowie „instrumentalisiert und als Ausgrenzungssymbol missbraucht“ werden solle. Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof mahnt, das Kreuz sei „kein Wahlkampf-Logo“.
Martin Hagen von der Bayern-FDP appelliert an Söder, statt eines Kreuzes lieber den ersten Satz von Artikel 1 des Grundgesetzes in bayerischen Behörden anzubringen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Eine Online-Petition des Regensburger Studenten TarekCarls gegen den "Kreuzzwang" in Behörden wurde bislang über 44 000 Mal unterzeichnet.