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WÜRZBURG: Das Festival, das an zwei Männern hängt?

WÜRZBURG

Das Festival, das an zwei Männern hängt?

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    Es war im Juli 2007 – da luden die damalige Oberbürgermeisterin Pia Beckmann und ihr Kulturreferent Muchtar Al Ghusain zur Pressekonferenz im „Lumen“ am Alten Hafen. Eine Premiere hatten die beiden zu verkünden, die Vorstellung eines neuen Festivals in und für Würzburg.

    Mit dem „Hafensommer“ auf den Betonstufen des Heizkraftwerks sollte und wollte die Stadt das Areal am Kulturspeicher beleben. Ein Monat lang fast jeden Tag Konzerte, Kabarett, Theater, Kino oder Tanz auf einer schwimmenden Bühne im Main – das klang gut!

    Und durchaus bemerkenswert damals: Die Stadt hatte die Planung und Durchführung ihres neuen Festivals nicht an eine externe Eventagentur abgegeben. Nein, die Verwaltung selbst trat als Veranstalter, Organisator und Anpacker auf. Beachtlich auch deshalb, weil das Ganze relativ spontan und kurzfristig kam. In nur drei Monaten waren Konzept und Programm ausgetüftelt worden.

    Die Oberbürgermeisterin und ihr Kulturreferent wussten bei jener Pressekonferenz selbst nicht, wie all das Ausgedachte werden würde. Aber sie ließen keinen Zweifel: Der „Hafensommer“ sollte zwar einmalig sein, aber nichts Einmaliges bleiben. Der Ausbau des Alten Hafens mache nur Sinn, wenn dort langfristig (kulturell) etwas passiere.

    Tatsächlich, es passierte was. Jahr für Jahr. Es gab einen zweiten Hafensommer, einen dritten, einen vierten. Es gab sogar einen siebten Hafensommer, als im Jahr 2013 kurzfristig alles den Main hinunterzuschwimmen drohte. Das Gelände am Heizkraftwerk war gesperrt worden. Die brüchige Kaimauer war nicht mehr standfest – eine Absage lag nahe. Stattdessen plante die Stadt um, die Mitarbeiter im Kulturreferat improvisierten und stellten fix eine riesige Tribüne am anderen Mainufer auf die grüne Wiese.

    Auch einen achten, einen neunten Hafensommer gab es. Und für den zehnten wurden bis zum 31. Januar dieses Jahres die Frühbuchertickets beworben. Early-Bird-Aktion – wer zeitig dran war, konnte sich zum günstigeren Preis Dauerkarten sichern für 22. Juli bis 7. August.

    Doch nun wird es ausgerechnet kein Geburtstagsfestival geben?

    Abgesagt, der ganze vorgeplante, terminierte Hafensommer 2016.

    Am Rosenmontag schickte das Rathaus die Pressemitteilung dazu, nachdem von Sponsoren, die schon informiert worden waren, die Nachricht per Twitter verbreitet wurde. Seitdem herrscht Fassungslosigkeit, Unverständnis, Ratlosigkeit. Bei Kulturschaffenden in der Stadt, bei Hafensommerfreunden, bei Stadträten, bei Kommentatoren im Netz.

    Die offizielle Begründung der Stadt hinterließ mehr Fragen als Antworten: „Wegen mehrerer personeller Veränderungen im Kulturamt und der damit verbundenen gleichzeitigen Unterbesetzung im administrativen und technischen Bereich ist die Durchführung des beliebten Festivals im Jahr 2016 leider nicht möglich.“

    Ein Hauptorganisator und Macher verlässt ein halbes Jahr vor dem Festival das Kulturreferat – deshalb wird eine Großveranstaltung abgesagt?

    Ein Mann fürs Technische steht nicht mehr zur Verfügung – deshalb lässt man das „beliebte Festival“ einfach sein?

    Eine Kulturamtsleiterin ist neu im Amt und das erste Mal dabei – deshalb wird eine Veranstaltung, die sich über Würzburg hinaus einen Namen gemacht hat, für ein Jahr gestrichen?

    Man hört wenig Konkretes, schon gar nichts Offizielles. Es soll tatsächlich die Entscheidung ausgerechnet des Mannes gewesen sein, der den Hafensommer im Jahr 2007 – auch als sein ganz persönliches Projekt – ins Leben rief: Muchtar Al Ghusain.

    Doch wieso?

    Für ein Gespräch, für Antworten steht der Kulturreferent in dieser Woche nicht mehr zu Verfügung. Eine Interview-Anfrage unserer Redaktion lehnt er ab – mit Verweis auf die Sitzungen des Ältestenrates am Montag und des Stadtrats am Donnerstag.

    Auf Facebook schreibt ein Kommentator, es scheine ihm, „als ob es einen Kleinkrieg zwischen zwei Ex- OB-Kandidaten“ gebe. Es sehe nach „Retourkutsche eines Kulturreferenten ohne Theaterbefugnis“ aus. „Die Fraktionen der CSU und der SPD“, so der Schreiber, „werden sicher als Deeskalationsparteien zu schlichten versuchen.

    “ Der Oberbürgermeister, so sagt er selbst, erfuhr kurzfristig von den Absage-Plänen des Kulturreferenten – und trug sie mit und wirkte nicht dagegen.

    Drei Männer organisierten bislang den Hafensommer. Als Externe besorgten Jürgen Königer die künstlerische und Matthias Strobel die technische Leitung. Für die Stadt war Ole Kruse dabei, der stellvertretende Chef des Kulturamts, der für den großen Rest zuständig war.

    Königer, der Mann für die musikalische Ausrichtung, bleibt. Kruses Wechsel ins Personalamt ist Rathaus-Informationen zufolge nicht ausschlaggebend für die überraschende Entwicklung. Eine Einigung zwischen Kultur- und Personalreferat wäre einem Insider zufolge möglich gewesen. Erst Strobels Abschied habe zur Absage geführt.

    Dass Sybille Linke seit 1. November das Kulturamt leitet, hat Kennern zufolge keine Folgen für das Festival. Auch Johannes Engels, der langjährige Kulturamtsleiter, unterstützte das Festival zwar und moderierte die festlichen Eröffnungsgalas – doch er ließ seine Mannschaft machen. Diesen Freiraum schaffte er seinen Leuten auch, weil er operativ andere Kulturaufgaben übernahm. Nun suchte Stellvertreter Ole Kruse nach nur wenigen Wochen unter der neuen Leiterin den Wechsel – auch dies lässt Raum für Spekulation.

    Nicht wenige sahen in ihm – weitergebildet zum Kulturmanager – den natürlichen Engels-Nachfolger im Kulturamt.

    Dass Kruse und Strobel als Hafensommer-Macher nicht rechtzeitig zu ersetzen sein sollen, erstaunt in einer Stadt mit großer Festivalerfahrung. Die Veranstalter des „Umsonst & Draussen“ und des Africa Festivals organisieren seit über zwei Jahrzehnten Events mit einer großen Anzahl von Künstlern und enormem Publikumsandrang.

    Nach Informationen unserer Redaktion fragte das Kulturreferat nicht bei den erfahrenen, kundigen Würzburger Festivalorganisatoren nach, ob sie nicht zumindest vertretungsweise die vakanten Leitungsstellen übernehmen könnten.

    Die Organisation der mehrwöchigem Veranstaltung auf den Hafentreppen gilt als anspruchsvoll. Doch in der Kulturszene meint man, mit guten Ersatzleuten müsse ein halbes Jahr Vorbereitungszeit reichen. Die Abläufe seien standardisiert, alle nötigen Verbindungen, etwa zu Lieferanten, Bühnenbauern und -technikern, bestünden.

    Nach dem Hafensommer 2014 – auf die Mainwiesen waren im achten Jahr an 17 Veranstaltungstagen 8700 Besucher gekommen – sagte Kulturreferent Muchtar Al Ghusain: Er sei zufrieden, das Festival sei auf einem guten Weg. Rund 10 000 Besucher hatte man im Jahr zuvor gezählt – aber da waren auch (Besucher-)starke Konzertabende dabei gewesen mit Sophie Hunger zum Beispiel, Quadro Nuevo oder Chilly Gonzales.

    Durchschnittsabende mit 300 bis 600 Besuchern – eine „stabile Entwicklung“ sei das, sagte Al Ghusain. Man gönne sich beim Hafensommer den Luxus, ein anspruchsvolles Programm anzubieten. Es sei gelungen, sich mit diesem Format einen Namen zu machen. Kritik, das Programm sei zu speziell und elitär, zu viele Plätze blieben leer, das Festival ein Draufzahl-Ereignis – all dies konterte Al Ghusain damals: Man müsse als städtischer Veranstalter natürlich wirtschaftlich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln arbeiten, man müsse dabei bestmögliche Qualität bieten – „aber es ist nicht unsere Aufgabe, keine Verluste zu machen.“

    Königer, der künstlerische Leiter, hat jetzt viel Arbeit: Er muss auf nationaler und internationaler Ebene mit vielen Partnern korrespondieren. Vor allem mit jenen, mit denen Vereinbarungen und Kooperationen für 2016 bestehen. „Der Hafensommer ist kein Wochenendfestival“, sagt Königer. Man müsse sich „immer wieder bewusst machen, wie immens insbesondere die Detailarbeit ist, die in einer mehrwöchigen Veranstaltungsreihe wie dieser steckt“.

    Er sei der Letzte, der nicht bis zuletzt immer das Bestmögliche versuche. Aufgrund der „akuten Konstellation“ wäre die Durchführung des zehnten Hafensommers „in der gewohnten Qualität und Umsetzung extrem schwierig beziehungsweise eher unmöglich“ geworden, sagt Königer. Er will die Zeit kreativ nutzen. Und in die Planung für 2017 gehen.

    Auf die Festival-Homepage haben die Verantwortlichen ein Zitat von Stefan Zweigs Novelle „Verwirrung der Gefühle“ gestellt: „Auch die Pause gehört zur Musik“.

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