Künftig müssen Bordellkunden Kondome verwenden, Prostituierte unterliegen einer Anmeldepflicht – ab 2016 gelten neue Regeln zum Schutz von Prostituierten. Doch schützt das neue Gesetz wirklich vor Ausbeutung? Darüber wird am 25. November anlässlich des „Internationalen Tags ,Nein zu Gewalt gegen Frauen‘“ ab 19.30 Uhr im Hobbit-Theater diskutiert. An der Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Würzburger Frauen (AWF) nimmt auch Kriminalhauptkommissar Reiner Rügamer teil.
Seit 15 Jahren im Rotlichtmilieu
Seit 15 Jahren ist Reiner Rügamer im Würzburger Rotlichtmilieu zugange. Regelmäßig besucht er die Orte, an denen Prostituierte ihrer Arbeit nachgehen. Einmal jährlich findet ein Polizeikontrolltag statt. Vor kurzem war es wieder so weit. Das Ergebnis: In Würzburg sind pro Tag rund 50 Prostituierte tätig. Einige bieten ihre Dienste in einem der fünf Bordelle an. Einige arbeiten in sogenannten Modellwohnungen.
„Die Lage ist in Würzburg im Großen und Ganzen ruhig“, sagt Rügamer. Das Milieu sei nicht mit Köln oder Frankfurt zu vergleichen: „Es geht viel geordneter zu.“ Auch von den Prostituierten hört Rügamer oft, dass sie mit den Arbeitsbedingungen in Würzburg zufrieden sind.
Prostitution ist also nicht gleich Prostitution. Doch selbst dort, wo die Arbeitsbedingungen vergleichsweise okay sind, ist Sexarbeit nach Rügamers Ansicht „kein Job wie jeder andere“. In keinem anderen Beruf müsse man sich im Wortsinne so „nackt“ machen, müsse man sich derart ausliefern.
Wie Prostituierte in Würzburg ihrem Dienst konkret nachgehen, ist unterschiedlich. „Manche mieten sich ein Zimmer für 120 Euro am Tag“, so Rügamer. Andere zahlen mehrere hundert Euro monatlich an Miete. Wieder andere einigen sich mit ihrem Vermieter auf einen prozentualen Anteil, der pro Kunde abzuführen ist. Die Prostituierte darf zum Beispiel 60 Prozent behalten. 40 Prozent gehen an den Vermieter.
Auch die Arbeitszeiten gestalten sich unterschiedlich, wobei sie oft sehr lang sind. Der Würzburger Sauna-Club „Garten Eden“ zum Beispiel öffnet bereits um 11 Uhr. Die ganze Nacht ist Betrieb. Schichten von 10 bis 14 Stunden sind laut Rügamer nicht selten.
Die Arbeit einer Prostituierten ist auch deshalb speziell, weil sie ihre Dienste meist jede Woche woanders anbietet. Denn im Milieu will man ständig neue Gesichter sehen. Ein „Girl“, das heute in Würzburg Dienst tut, tourt deshalb nächste Woche nach Nürnberg und übernächste Woche nach Köln.
Ein großer Teil der in Würzburg tätigen Prostituierten stammt aus Osteuropa. „Im Moment kommen die Frauen vor allem aus Rumänien“, so Rügamer. Vor mehreren Jahren noch waren Tschechinnen häufig anzutreffen gewesen.
Viele Prostituierte haben Kinder. Um ihre Familie zu ernähren, gehen sie drei oder vier Wochen am Stück in Deutschland der Prostitution nach. Was sie verdienen, schicken sie nach Hause. Nach ein paar Wochen geht?s wieder heim – bevor sie sich neuerlich auf den Weg in ein Bordell machen.
In Würzburg ist es friedlich
Deutsche Frauen sind eher selten in Würzburger Bordellen anzutreffen. In einem Club zu arbeiten und also den ganzen Tag nackt oder fast nackt bei ununterbrochen dröhnender Musik auf dem Präsentierteller zu sein, das lehnen viele von ihnen ab. „Einige versuchen, sich in einem Hotel oder einer Ferienwohnung einzumieten“, so Rügamer. Doch auf diese Weise anschaffen zu gehen, ist nicht erlaubt. Und fliegt auch oft auf.
Auch wenn es im Würzburger Milieu überwiegend friedlich zugeht, findet Prostitution nicht in einem völlig gewaltfreien Raum statt. Wie an anderen Orten der Stadt auch, kommt Körperverletzung vor, so Polizeioberrätin Kathrin Thamm: „Allerdings wird nicht eigens statistisch erfasst, ob es sich bei dem Opfer um eine Prostituierte handelt.“ Statistiken wären aber auch nur bedingt aussagekräftig, steht doch zu vermuten, dass bei weitem nicht jede Körperverletzung im Milieu angezeigt wird.
Warum sich eine Frau entscheidet, der Prostitution nachzugehen, bekommt Rügamer im Detail nicht mit. Direkter Zwang allerdings, weiß er, ist selten der Grund: „Die Frauen machen es freiwillig,“ Wobei hinter dem freiwilligen Verkauf des eigenen Körper oft armutsbedingte Zwänge stecken. Direkter Druck allerdings muss laut Rügamer kaum aufgebaut werden, sind doch genug Frauen zur Prostitution bereit. In den vergangenen 15 Jahren hatte es der Würzburger Kriminalpolizist denn auch nur einmal mit einem Fall von Menschenhandel zu tun.
Ob sich die Situation der Frauen durch das neue Prostitutionsschutzgesetz verbessert? Rügamer ist skeptisch. Denn wie soll kontrolliert werden, ob Freier Kondome verwenden? Gut hätte es der Kriminalhauptkommissar gefunden, wäre Prostitution künftig erst ab 21 Jahren erlaubt. Doch eine Altersgrenze ist nicht vorgesehen. Auch soll es keine verpflichtende Gesundheitskontrolle geben. Auch das hätte sich Rügamer zum Schutz der Frauen gewünscht.
Darüber wird am Mittwoch, 25. November, anlässlich des „Internationalen Tags ,Nein zu Gewalt gegen Frauen‘“ ab 19.30 Uhr im Hobbit-Theater diskutiert. An der Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Würzburger Frauen (AWF) nimmt auch Kriminalhauptkommissar Reiner Rügamer teil.