Ihre Namen sind so außergewöhnlich wie ihre Geschichte: Mebrahtom Gebrehiwet, Esseyas Hadush und Filimon Habtemikael sind noch gar nicht so lange in Würzburg und liefern doch schon jede Menge Gesprächsstoff. Die drei 16-Jährigen starteten nämlich kürzlich beim Residenzlauf und liefen im Hauptlauf den meisten Teilnehmern auf und davon. Das schnelle Trio stammt aus Eritrea und lebt seit kurzem in Würzburg. Zuvor jedoch mussten sie einen langen und gefährlichen Weg hinter sich bringen.
Die drei 16-Jährigen sind als sogenannte unbegleitete junge Flüchtlinge nach Würzburg gekommen, wo sie jetzt von Mitarbeitern der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe im Waldhaus im Steinbachtal betreut werden. Und demnächst werden sie auch bei den Aufbauarbeiten des Africa Festivals mithelfen, worauf sie sich schon riesig freuen.
Bei der letzten Pressekonferenz des Africa Festivals bekamen sie außerdem spontan ein weiteres Jobangebot. Die Auszubildenden des Festivalsponsor s.Oliver betreuen beim Festival nämlich einen T-Shirt-Stand, an dem die drei jungen Eritreer zur Mitarbeit mit gleichaltrigen jungen Deutschen eingeladen wurden. Wenn sie wie bei dem Pressegespräch vor einem sitzen, ständig lachend und grinsend und offensichtlich miteinander scherzend, kann man kaum glauben, was sie in ihren jungen Jahren schon alles durchmachen mussten.
Stellvertretend für seine Freunde erzählt Esseyas Hadush seine Lebensgeschichte.
Um sie zu verstehen, muss man wissen, dass das nördlich von Äthiopien liegende Eritrea von Beobachtern als das „Nordkorea von Afrika“ bezeichnet wird. Nach einem langen Befreiungskrieg, der 1991 zur Unabhängigkeit vom Nachbarn Äthiopien führte, hat sich Eritrea inzwischen zur aggressiven Militärdiktatur entwickelt. Für junge Menschen bedeutet dies, dass sie schon während der Schulzeit zum Militär eingezogen werden und nicht wissen, ob sie jemals wieder verlassen können.
Esseyas berichtet, dass schon sein Vater lange zeit im Gefängnis eingesperrt war. Er selbst habe es in der Schule deshalb nicht leicht gehabt. Auch er selbst wurde verhaftet, „weil ich meine Meinung gesagt habe“. Danach habe er beschlossen, das Land zu verlassen und machte sich allein auf den Weg nach Äthiopien. Über den Sudan, wo er einen Monat war, schlug er sich Libyen durch, wo er sieben Monate verbrachte. Dort wurde er wieder verhaftet und verbrachte einige Zeit im Gefängnis. Schließlich gelangte er mit einem Schiff nach Italien, ehe er am 14. März 2015 in Würzburg ankam.
Jetzt lebt er mit seinen Freunden, die alle ähnliche Schicksale meistern mussten, in einer Wohngruppe im Waldhaus im Steinbachtal. Hier erhalten die jungen Männer Schulunterricht, vor allem in deutscher Sprache. Der zuständige pädagogische Leiter Peter Schidla erzählt, dass sie so bald wie möglich in eine deutsche Regelschule wechseln sollen. Deutsch verstehen sie schon ganz gut, aber beim Sprechen sind sie noch etwas schüchtern.
Gar nicht zurückhaltend waren sie vor knapp zwei Wochen beim Residenzlauf, wo Mebrathom Gebrehiwet und Esseyas Hadush quasi aus dem Stand die Plätze eins und drei im Hauptlauf über zehn Kilometer belegten. Die größte Überraschung war Filimon Habtemikael, der so schnell lief, dass er im Hauptlauf nicht mehr gewertet wurde und mit seiner Zeit im Klassement des Laufes der Asse geführt wurde. Den Hauptlauf hätte er sonst gewonnen.
Erfahrung als Läufer habe er zuvor nicht gehabt, in seinem Dorf sei er ein bis zwei Kilometer gelaufen, sagt Filimon ganz cool. Man mag es glauben oder nicht. Hauptlauf-Sieger Mebrathom hätte sogar locker noch eine Runde mehr gedreht, wenn ihn nicht ein Streckenposten darauf hingewiesen hätte, dass das Rennen zu Ende ist. Esseyas, der Drittplatzierte, lief in Würzburg sein erstes Rennen überhaupt.
„Es war ein gutes Gefühl zu sehen, wie sich alle mit uns freuen“, erzählt Filimon Habtemikael. „Wir waren ganz locker und haben überhaupt nicht gemerkt wie schnell wir unterwegs sind“, sagt er uns setzt wieder dieses unwiderstehliche Lachen auf. Und natürlich wollen sie jetzt weitermachen.
„Dazu brauchen wir aber Hilfe und Unterstützung“, sagt Habtemikael. Die bekommen sie auch, denn ihre Lehrerin Sabine Treutlein kennt sich in der Laufszene aus und versucht die jungen Talente an einen passenden Verein anzubinden. Und seit einiger Zeit laufen sie jeden Tag zusammen – um noch besser zu werden.
Wie wäre es mit einer Profikarriere als Läufer? Vielleicht schon, aber jetzt stehen erst einmal Schule und Ausbildung im Vordergrund. Denn sie bringen nicht nur läuferische, sondern auch viele andere Talente mit, sagt Peter Schidla. Esseyas beispielsweise sei sehr kreativ und habe schon einige Theaterstücke geschrieben. Er nickt dazu und lacht.
Jetzt steht aber erst einmal der Würzburger Stadtmarathon am kommenden Sonntag auf dem Programm. Dort wollen die drei jungen Eritreer im Halbmarathon antreten. Wer wird der Sieger sein? Filimon hebt sofort die Hand – und lacht natürlich dazu. Er sei sehr motiviert, sagt Peter Schidla, und wolle unbedingt siegen. Mal sehen, ob er sein Versprechen wahr machen kann.