Der Festivalsommer ist passé. Erstmals seit Corona wurden wieder größere Kultur-Events veranstaltet. Wie zufrieden sind die Organisatoren? Diese Redaktion hat nachgefragt. Es zeigt sich: Die Menschen haben wieder Lust, rauszugehen – und zwar im wörtlichen Sinne. Aber nicht unter allen Umständen. Die Bilanz des Festivalsommers 2022 ist gemischt. Manche Veranstaltungen floppten komplett, andere erreichten fast wieder das Vor-Corona-Niveau. Bei wem also wurden die Erwartungen erfüllt? Ein Überblick:

"Insgesamt waren wir hochzufrieden. Organisation und Ablauf liefen gut und die Zahl der Gäste war mit circa 70.000 in etwa wieder genauso hoch wie vor Corona", sagt Ralf Duggen, Veranstalter des viertägigen "Umsonst & Draußen"-Festivals (U&D) im Juni in Würzburg. Nach zwei mageren Corona-Jahren konnte dieses Jahr wieder ein U&D stattfinden, wie man es vor Corona kannte: Man habe 2022 nicht nur die frühere Teilnehmerzahl erreicht, sondern auch das alte Gelände wieder nutzen können. "Zwar hatten wir etwas weniger Bühnen und Acts – unsere beiden Zelte, das Zirkus- und Kunstzelt sind weggefallen", so Duggen, "allerdings konnte letzteres ins Freie übernommen werden".

Auf die Zelte habe man verzichtet, weil sie quasi Innenräume sind und die Regelungen für Indoor-Veranstaltungen zur Zeit der Planung und Vorbereitung im Frühjahr noch nicht abzusehen waren.
Das Literaturfestival MainLit will sein Programm künftig abspecken
Das Literaturfestival MainLit im Frühjahr und Sommer indes lief enttäuschend, obwohl man in der Corona-Zeit einiges an Frustration gewöhnt sein dürfte. Pressesprecherin Marie-Christin Flöhl resümiert: "Es kamen weniger Leute als erwartet. Unsere Veranstaltungen im Freien im Juni und Juli waren theoretisch offen bis 400 Gäste, meist wurden die Kapazitäten aber nicht auch nur annähernd ausgeschöpft." Die Veranstalter führen das auf die vielen Alternativen zurück, zahlreiche abgesagte Veranstaltungen seien in diesem Sommer nachgeholt worden.

Bei Veranstaltungen im Innenbereich sei es besser gelaufen. Für die erste Veranstaltungsreihe im März, meist Lesungen, habe man zwei Räumlichkeiten mit 150 beziehungsweise 300 Plätzen genutzt und die seien etwas stärker besucht gewesen, so Flöhl.
"Während dieses Jahr für viele andere das erste richtige Nach-Corona Jahr war, lief es bei uns sogar schlechter", sagt die MainLit-Sprecherin. Und ja, man habe ein Minus von etwa 30.000 Euro gemacht, hauptsächlich auch deshalb, weil eine bereits bewilligte Förderung von Neustart Kultur nicht ausgezahlt werden konnte, der Topf war bereits leer. Lehre für das kommende Jahr: Nur noch einen Veranstaltungszeitraum, und zwar im Herbst.
Gestiegene Preise: Welche Rolle spielen sie für Veranstalter und Gäste?
Eine besondere Schwierigkeit für die Veranstalter ergab sich aus der Kombination aus um zwei Jahre verschobenen Events und gestiegener Inflation: Weil viele Besucherinnen und Besucher ihre Tickets schon vor Corona gekauft hatten, konnten die mittlerweile deutlich gestiegenen Kosten nicht einfach oder nur eingeschränkt an die Kunden weitergegeben werden, sagt Florian Zoll, Veranstalter des Taubertal-Festivals, ein großes Musikfestival, das dieses Jahr im August in Rothenburg ob der Tauber stattfand.

Man habe beim Kartenverkauf 2019 die Veranstaltung für 2020 kalkuliert, seitdem aber deutliche Preissteigerungen in allen Bereichen zu verbuchen. Besucher seien mit über 14.000 allerdings vergleichbar viele gekommen wie vor Corona.
"Wir haben haben ein gutes Gefühl aber noch keine abschließende Bilanz."
Ralf Duggen, Veranstalter des U&D
"Auch wir haben natürlich gemerkt, dass einiges sehr viel teurer geworden ist", sagt Ralf Duggen und nennt als Beispiel die Toiletten- und Büro-Container. Die Kosten dafür seien im Vergleich zu 2019 um zwei Drittel gestiegen. Während man damals 12.000 Euro dafür ausgegeben habe, waren es heuer 20.000 Euro. Ansonsten habe man bei den meisten Lieferanten ganz gute Konditionen, bei den Bauzäunen etwa musste man nicht so stark drauflegen wie im Marktdurchschnitt.
Lieber zu Coldplay als zu kleinen Festivals?
"Das Fachpersonal wie etwa Bühnenbau, Licht- und Tontechniker ist aber auch für uns deutlich kostspieliger geworden, hier hatten wir etwa zehn- bis 20-prozentige Steigerungen", so Duggen. Ohne Zuschüsse und Sponsoren wäre es schwierig geworden. Unterstützung sei etwa vom Programm "Neustart Kultur" der Bundesregierung gekommen. Auch auf Sponsoren sei man angewiesen, wenn man ein kostenloses Event in dieser Größenordnung bieten möchte. "Aber wir haben noch keine abschließende Bilanz, können also noch gar nicht sagen, ob etwas und wenn ja, wie viel, übrig geblieben ist. Es ist immer ein Wagnis, eine Gratis-Veranstaltung zu organisieren."
Wegen höherer Lebenshaltungskosten bleibt vielen Menschen weniger Geld für Freizeitaktivitäten. Möglicherweise haben sie viele Gäste dafür entschieden, lieber nur ein Ticket für ein großes Event wie Rock im Park in Nürnberg, das Taubertalfestival oder für ein Konzert mit bekannten Bands wie "Coldplay" zu kaufen – und kleinere Veranstaltungen eher links liegenzulassen.

Das hat auch Manfred Schleicher mit seinem "Metal Kingdom" zu spüren bekommen. Er veranstaltete im Juni in Gaukönigshofen (Lkr. Würzburg) ein Festival mit namhaften Black- und Death-Metal-Bands. Das Event war allerdings ein großes Draufleggeschäft: Es kamen nur 80 Gäste, Schleicher blieb auf einem satten vierstelligen Betrag sitzen.
In Wiesthal lief das Konzert besser als vor Corona
Auch der Open-Air-Club Wiesthal ging im August das Wagnis eines kostenlosen Festivals ein. Zwar deutlich kleiner dimensioniert als das U&D, gleichwohl aber sehr gut besucht war das "Rock Over Wiesthal", ein Metal- und Hardrock-Festival im Landkreis Main-Spessart. Mit 1700 Gästen war die dreitägige Veranstaltung besser besucht als vor Corona – man erarbeite sich langsam eine Stellung.
Als Verein arbeite man nicht kommerziell, aber dank Getränkeeinnahmen sowie freiwilliger Spenden am Eingang – im Tausch mit einem Festivalbändchen – zumindest kostendeckend. "Und was übrigbleibt, wird an gemeinnützige Zwecke gespendet", sagt Sebastian Büdel, Vorstand des Open Air Clubs. Der Vereinsauftrag: Newcomern eine Bühne geben, Fans ein unvergessliches Musikerlebnis bieten und damit auch noch etwas Gutes tun. Büdel ist guter Dinge, dass die nächste Veranstaltung kurz vor Weihnachten auch wieder stattfinden kann.

Ebenfalls von einem Verein, nämlich dem FC Einigkeit Rottershausen, organisiert wird "Ab geht die Lutzi", ein dreitägiges Festival im Landkreis Bad Kissingen. Mit insgesamt rund 11.000 Besuchern erreichte die Lutzi annähernd das Vor-Corona-Niveau, sagt Christian Stahl vom Veranstalter. Das Stammpublikum sei treu geblieben, "aber bei den 14- bis 18-Jährigen hatten wir einen deutlichen Einbruch".
Auch er erlebe, dass sich kleinere Festivals nach Corona schwer tun. Warum das in Rottershausen anders ist, "darüber rätseln wir auch etwas". Als Verein sei man im Gegensatz zu hauptberuflichen Veranstaltern in einer "komfortablen Lage": Viele freiwillige Helfer, dazu ein familiäres Konzept mit Liebe zum Detail, Campingwiese und weitere Attraktionen – möglicherweise sind das die Gründe dafür, dass die Lutzi so abgeht. Trotzdem mussten die Eintrittspreise angepasst werden: Hatte das Festivalticket für alle Tage 2019 noch 35 Euro gekostet, waren es diesmal 45 Euro. So konnten die gestiegenen Kosten ausgeglichen werden. "Der Umsatz hat gepasst", sagt Stahl, "wir sind schwer zufrieden". Und für nächstes Jahr gibt es bereits neue Ideen.