"Und hier hat die Margarete Böttiger Radio gehört, Fernsehen geschaut oder in ihrer Bibel gelesen und geschlafen." Unzählige Male erinnern Gertrud Volck und Marianne Zink an das Leben der letzten Bewohnerin des Lindleinturmes Margarete Böttiger. Nach deren letzten Willen sollte ihr ungewöhnliches Zuhause mit dem gesamten Inventar als Museum für die Nachwelt erhalten werden.
Nachdem es am 1. Mai 1999 soweit war, dass nach wissenschaftlicher Begleitung und aufwändiger Aufbereitung sich erstmals die Türen für Besucher des Turmes öffneten, feiert das Lindleinturm-Museum am kommenden 1. Mai sein 20-jähriges Bestehen.
Museum geöffnet
Von 11 bis 17 Uhr können sich Kinder an einem Quiz versuchen und es werden Führungen angeboten, bei denen Klein und Groß in die Welt und das Leben von Margarete Böttiger eintauchen können. Die letzte Bewohnerin des Jahrhunderte alten Turms ist 1995 im Alter von 98 Jahren verstorben.
Die zeitlebens alleinstehende Eigentümerin war bekannt dafür, dass sie von frühester Jugend an bis ins hohe Alter hinein unermüdlich gearbeitet und sehr sparsam und ärmlich gelebt hat. Nach dem Tod von Margarete Böttiger kam es für die Creglinger ziemlich überraschend, dass die einstige Dienstmagd und Tagelöhnerin die stolze Summe von rund 325 000 DM zusammengespart hat. Nachdem Margarete Böttiger den Lindleinturm im Jahre 1979 an die Stadt Creglingen verkauft und sie ein lebenslanges Wohnrecht darin erhalten hatte, vermachte sie der Stadt den Großteil ihres Vermögens.
Auf engstem Raum gelebt
Beim Betreten des Turmes taucht der Besucher in Lebens-und Wohnverhältnisse ein, wie sie heute kaum noch vorstellbar sind. Im Turm mit seiner Gesamtfläche von nicht mal 30 Quadratmetern biegt nach wenigen Stufen, die zum Schutz des Holzes und zur Sicherheit der Besucher mit Blech belegt sind, der Eingang in die untere Turmstube ab. Hier in dem kleinen Kämmerchen hat Margarete Böttiger den Großteil ihres Alltags verbracht. Auf engsten Raum findet das Bett ebenso Platz wie der Fernseher, das Radio und ein Ofen. Den kargen Platz im Turm teilte Margarete Böttiger über Jahrzehnte hinweg mit unzähligen Katzen.
Wie dieser Raum, der wirkt als hätte die Bewohnerin ihn mal kurz verlassen, so zeigt sich auch ein paar Stufen höher die kleine Küche. Ein Herd, ein Tisch, ein Schrank und das Regal mit Gerätschaften zeugen von der Bescheidenheit, in der Margarete Böttiger gelebt hat. Das kleine hölzerne Plumpsklo ist ebenso sehenswert wie die "gute Stube" im Obergeschoss.


Sammelsurium an Erinnerungen
In dem Raum, der nur an Festtagen genutzt wurde oder wenn der Pfarrer oder der Bürgermeister zu ihrem Geburtstag ihre Aufwartung machten, hat die Hausherrin ein unzähliges Sammelsurium von Erinnerungsstücken und Vorzeigeobjekten aufbewahrt. Während der nahezu 60 Jahre, in denen Margarete Böttiger den Turm bewohnte, blieben die Möbel aus der Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert ebenso unverändert an ihrem angestammten Platz, wie die blecherne Wärmeflasche und der Nachttopf unter dem Bett.
Ihr werdet sehen, mein Turm wird noch bewundert werden, wenn eure Häuser schon längst nicht mehr stehen.
Margarete Böttiger einstige Turm-Bewohnerin
Ebenso interessant wie die wechselhafte Geschichte des Turmes, so fesselnd haben Gertrud Volk und Marianne Zink in den vergangenen 20 Jahren vielen Tausend Besuchern aus aller Welt das Kleinstmuseum nahegebracht. Der kleine Turm, der einst Bestandteil der mittelalterlichen Befestigungsanlage war, diente der Stadt zunächst als Lagerraum bevor er 1795 versteigert, zum "Wohnhäuslein" umgebaut und bis 1993 auch als Wohnraum genutzt wurde.
Über vier Generationen in Familienbesitz
Unter den wechselnden Bewohnern ist der Turm ab 1852 über vier Genrationen im Besitz der Familie Böttiger geblieben. Es ist kaum vorstellbar dass im Laufe der Geschichte in dem kleinen Gebäude das auf einem hohen Steinsockel steht, einstmals Familien mit Kindern gelebt haben.

Margarete Böttiger, die unverheiratet geblieben und wegen ihrer eigenen Art bei ihren Mitmenschen nicht unumstritten war, hat den Lindleinturm, den sie als ihr "Vaterhaus" ansah, im Jahre 1927 erworben. Dass eine erst 30-jährige, die in Stuttgart als Dienstmädchen arbeitete, unverheiratete Frau und ohne Vermögen Hauseigentum erwarb, das war damals sehr ungewöhnlich. Immerhin hatte sie 1200 Goldmark zu zahlen.
Seit dem Jahr 1999 halten Gertrud Volck und Marianne Zink die Geschichte um das historische Bauwerk ebenso wach, wie die Erinnerung an die persönliche Lebenssituation von Margarete Böttiger. Und die hatte zu Lebzeiten ihren Nachbarn prophezeit: "Ihr werdet sehen, mein Turm wird noch bewundert werden, wenn eure Häuser schon längst nicht mehr stehen."
Führungen werden in der Zeit zwischen Ostern und Allerheiligen jeweils an den Wochenenden sowie an Feiertagen angeboten. Die Broschüre in der Claudia Heuwinkel das Leben der Margarete Böttiger festgehalten hat ist bei der Stadt Creglingen erhältlich.
