Entspannt, die Arme lässig über dem Kopf verschränkt schläft er – und schnarcht grässlich. Der Schnarchbär, eine batteriebetriebene Spielerei im Seminarraum der SOMNOmedics GmbH, symbolisiert, um was es am Sonnenstuhl in Randersacker geht. Die hier produzierte Medizintechnik hat eine Aufgabe und ein Ziel: Den Schlaf genau zu überwachen, damit er therapiert und (wieder) erholsam werden kann. Nicht Schlaftherapie hat Firmengründer Dr. Gert Küchler im Blick, sondern die ärztlich begleitete Schlafdiagnostik. Die hochspezialisierte Technik sammelt medizinische Daten sozusagen im Schlaf, um eben diesen zu analysieren.
Schlafdiagnostik ist eine interdisziplinäre, medizinische Disziplin, die erst in den letzten zwei Jahrzehnten in den Fokus der Ärzte und Mediziner geriet, erklärt der Firmenchef. Erst nach und nach habe man erkannt, dass der menschliche Körper im Schlaf nicht etwa ruht wie ein PC, den man vom Strom trennt. Eher spiegelt sich im Schlaf vieles wider, was dem Körper auch tagsüber zu schaffen macht. Einige Krankheiten machen sich vor allem in der Ruhephase erst richtig bemerkbar. Zudem stresst fehlende Erholung im Schlaf den Körper zusätzlich und beeinträchtigt den ganzen Menschen.
Ursachen der (zeitweiligen) Schlaflosigkeit zu ergründen, die Wechselwirkungen von Kreislauf,- Herz-, neurologischen oder Atemwegskrankheiten auf einen erholsamen Schlaf festzustellen und so geeignete Therapien zu finden, dafür schafft die Firma im Landkreis Würzburg mit ihren Entwicklungen die Grundlage – und das nahezu weltweit. Nur der australische Markt ist fest in anderer Hand. Immer wieder kommen Händler, Kunden oder Ärzte an den Main, die sich über die Produkte informieren wollen oder an Schulungen zum Umgang mit der Technik teilnehmen. Aber es gibt auch andere Gäste. Eine Delegation aus Korea war kürzlich gekommen, um ein Gerät zu zertifizieren.
Diese Zertifizierungen können den Geschäftsführer so richtig in Rage bringen „Da müssen wir als kleine Firma mit unseren 50 Mitarbeitern für jedes Land, in das wir verkaufen, ein eigenes Verfahren für die Produktzulassung durchlaufen.“ Ein hoher Aufwand nach jeder Produktentwicklung, dann, wenn die Firma zwar viel investiert, aber „noch keinen Cent verdient hat.“ Deutschland als Exportweltmeister solle sich hier endlich mal für eine Vereinheitlichung engagieren, so Küchler.
Bei so viel Erregung kann schon mal der Blutdruck steigen. Genauso wie bei jemandem, der sich schlaflos im Bett wälzt, weil ihn eine Blutdruckmanschette stört, die sich alle 30 Minuten aufpumpt. Mit dieser herkömmlichen Langzeitblutdruckmessung versuchen Mediziner bis heute festzustellen, ob jemand an Bluthochdruck leidet. Wobei die Messunsicherheit dabei hoch ist.
Das könnte bald Geschichte sein. In Randersacker hat man ein innovatives Langzeitblutdruckmessgerät entwickelt, das ohne Manschette auskommt, auf einem neuen Prinzip basiert und eine verbesserte Bluthochdruck-Diagnostik ermöglicht. Das Gerät in Größe einer Streichholzschachtel wird wie eine Uhr am Handgelenk getragen und liefert zuverlässige Werte, kombiniert mit einem EKG-Sensor sowie einem Fingerclip, der die Sauerstoffsättigung im Blut misst. Das alles stört den Schlaf nicht, verfälscht so keine Messergebnisse und zeichnet außerdem auf, ob der Patient tatsächlich schläft. Damit ermöglicht das Gerät, einen Zusammenhang zwischen dem Blutdruck im Schlaf und in Wachphasen herzustellen. Erste Studien dazu legen den Schluss nah, dass Schlafstörungen, dadurch bedingter nächtlicher Bluthochdruck und die Häufung von Herzinfarkten in den frühen Morgenstunden zusammenhängen.
Noch, so der Geschäftsführer, lasse sich das nicht zweifelsfrei belegen, aber es sehe ganz so aus, als könne mit Hilfe der Technik aus Randersacker ein medizinischer Durchbruch auf dem Weg zu einer geeigneten Therapie gelingen. Ein Schritt, so hofft man, um die Marktposition weiter zu verbessern. Derzeit kommt weltweit etwa jedes sechste, in Deutschland und Amerika jedes vierte neu-installierte Schlafdiagnosegerät aus Randersacker.
Der Bedarf ist hoch. In der Bundesrepublik gibt es insgesamt mittlerweile 500 Schlaflabore, Tendenz steigend. Vier bis fünf Prozent der Menschen leiden am Schlafapnoe-Syndrom (Atemaussetzer und damit verbunden Sauerstoffmangel im Schlaf), sieben Prozent an „restless legs“ (nächtliche Zucken und Schmerzen in den Beinen) und jeder Fünfte schläft schlecht oder kaum.
Eventuell tun sich bald noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten für die Randersackerer Technik auf. Wissenschaftliche Studien mit Pferden belegen auch bei Tieren einen Zusammenhang zwischen Schlafverhalten und Leistungsfähigkeit. Zudem hat der Firmenchef in Moskau die Übungskapsel der Marsmission besucht. Fest steht seitdem: Sollte der Flug zum Roten Planeten starten, fliegt auch ein Stück Randersacker mit. Ein Schlafdiagnostikgerät, das mittels moderner Datenübertragung den körperlichen Zustand von Astronauten aus dem Weltall auf die Erde liefert.
Und noch etwas spielt den Unterfranken in die Hände: die Entwicklung auf dem Mobiltelefonmarkt. „Wir bauen viel zu kleine Stückzahlen, um in diesem Bereich forschen zu können. Aber es ist unsere Chance, uns an die Entwicklung anzuhängen, die es ermöglicht, kleine und handliche Diagnosegeräte mit großer Speicherkapazität und hochauflösendem Display zu bauen, die ortsunabhängig abzulesen und auszuwerten sind.“ Am Sonnenstuhl geht man ausgeschlafen in die Zukunft.