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WÜRZBURG: „Delta, Lima, Null, Tango, Papa“: Funker voll auf Empfang

WÜRZBURG

„Delta, Lima, Null, Tango, Papa“: Funker voll auf Empfang

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    Erinnerung an die Anfänge: Funkamateur Hans-Dieter Swobodnik mit einem mehr als 100 Jahre alten Morsegerät.
    Erinnerung an die Anfänge: Funkamateur Hans-Dieter Swobodnik mit einem mehr als 100 Jahre alten Morsegerät. Foto: Pat Christ

    Eigentlich hat die Organisation einen falschen Namen. „Amateurfunk Unterfranken“ nennt sie sich. Doch „Amateurfunker“ wollen die Mitglieder keinesfalls genannt werden. „Wir sind Funkamateure“, sagt Bernd Götter. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, klingt doch dieses Wort einfach viel weniger nach „Laie“. Was Götter und seine Kollegen am Würzburger Blosenberg, oberhalb des Stadtteils Heidingsfeld, treiben, ist aber auch tatsächlich weit mehr als verspielte Liebhaberei. Davon spricht allein das Funkhaus, das bayernweit seinesgleichen sucht.

    „Hier haben wir Amateurfunkstationen für Kurz- und Ultrakurzwelle, Antennenanlagen für praktisch alle relevanten Frequenzbänder sowie eine Sende- und Empfangsstation für Satellitenfunk“, listet Vereinsvorstand Thomas Kleffel aus. Hinzu kommen Mess- und Prüfmittel, mit denen man Funkgeräten selbst bauen oder, sollten sie mal „spinnen“, auf ihre Funktionsfähigkeit hin überprüfen kann. In einem großen Veranstaltungsraum werden regelmäßig Vorträge angeboten. All dies gibt es nirgendwo sonst in Bayern.

    Im Clubhaus, daheim, unterwegs: Zum Funken reicht was Kleines

    Allerdings braucht es nicht zwangsläufig dieses üppige Equipment, um zu funken. „Es reicht ein einfaches Handfunkgerät, das in puncto Größe und Preis einem Mobiltelefon ähnelt“, sagt der Vereinsvorsitzende. Die meisten Funken betreiben ihr Hobby nicht nur im Clubhaus, sondern, mit einfacheren Mitteln, auch daheim oder unterwegs. „Der lokale Funkbetrieb über eine Relaisfunkstelle ist den meisten Funkamateuren möglich“, sagt Kleffel. Bei anderen Betriebsarten, also etwa Satellitenfunk oder leistungsstarker Kurzwellenbetrieb, kann es, je nach Wohnsituation, schon schwieriger werden.

    Das Haus der Funkamateure Unterfranken in Würzburg.
    Das Haus der Funkamateure Unterfranken in Würzburg. Foto: Pat Christ

    Je tiefer jemand in das Funken einsteigt, umso höher werden gewöhnlich seine Ansprüche. Was ja bei jedem Hobby so ist. Echte Freaks mit ausgesprochener Amateurfunk-Obsession investieren teilweise sechsstellige Beträge in ihre Freizeitbeschäftigung, erzählt Kleffel: „Es gibt Funkamateure, die alte, kommerzielle Sendemasten ehemaliger Radiosender aufgekauft oder ganze Felder mit Antennen bebaut haben.“

    Den Club „Amateurfunk Unterfranken“ gibt es in seiner heutigen Form fast 50 Jahre. Wobei die Wurzeln des Würzburger Amateurfunks fast 100 Jahre in die Vergangenheit reichen, erzählt Hans-Dieter Swobodnik, ehemaliger Vorsitzender und Experte, wenn es um die Historie des Vereins geht. Die ältesten Würzburger Funkamateure sollen bereits vor der ersten Welt-Wellenkonferenz 1927 in Washington aktiv gewesen sein.

    Im Dritten Reich allerdings konnte nicht gefunkt werden. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden sämtliche Lizenzen zurückgenommen, Funkgeräte wurden eingezogen. „In Würzburg bunkerte man sie in der Paradepost ein“, weiß Hans-Dieter Swobodnik. Erst Anfang 1949 gab es in Deutschland dann wieder ein Amateurfunkgesetz.

    Gut ausgerüstet: Vom zweiten Stock des Funkhauses aus nehmen die Funkamateure Verbindung in alle Welt auf.
    Gut ausgerüstet: Vom zweiten Stock des Funkhauses aus nehmen die Funkamateure Verbindung in alle Welt auf. Foto: Pat Christ

    Der Würzburger Club existiert seit 1972 als eingetragener Verein. Fast komplett in Eigenregie bauten die Mitglieder damals – über viele Jahre – das imposante Funkhaus mit Antennen und Satellitenschüsseln am Blosenberg auf. Clubs in dieser Qualität gebe es in ganz Bayern kein zweites Mal, meint Swobodnik. Vom Würzburger Funkhaus aus können Mitglieder und Gäste Verbindungen in die ganze Welt aufnehmen. Viele „Old Men“, kurz OM, wie alle männlichen Funker, unabhängig von ihrem Alter, im Funkerjargon heißen, wissen von abenteuerlichen Kontakten zu erzählen.

    Von Old Man zu Old Man: Funkkontakt zur Antarktis

    Swobodnik selbst sprach einmal mit einem Südpolarforscher, der mit einer Sonde auf der Antarktis einen tief unter dem Eis verborgenen See nach Spuren von Leben absuchte. Bernd Götter erwischte das Crewmitglied eines Frachtschiffs, das nach Sankt Petersburg unterwegs war: „Der Mann erzählte, dass er gerade 300 Kilometer von jener Stelle entfernt sei, wo die ,Titanic' auf dem Meeresboden liegt.“ Wolfram Winkler schaffte es in den 1990er Jahren, den Astronauten Thomas Reiter auf der russischen Raumstation Mir kurz ans Funkgerät zu bekommen. Alle Astronauten, berichten die Würzburger Clubmitglieder, sind auch Funkamateure.

    Bernd Götter nimmt Kontakt zu einem Kollegen in der Toskana auf.
    Bernd Götter nimmt Kontakt zu einem Kollegen in der Toskana auf. Foto: Pat Christ

    Wer sich meldet, wenn der Regler des Funkgeräts gedreht wird, kann man nie wissen. Eben das ist das Spannende, sagt Bernd Götter, der gerade an der Anlage im zweiten Stock des Funkturms sitzt und schaut, ob sich ein interessanter Gesprächspartner auf dem 20-Meter-Band, also der Frequenz zwischen 14 000 und 14 350 Megahertz, meldet. Durch das Rauschen hindurch wird, für Ungeübte undeutlich, auf 14 235 Megahertz die Stimme eines Russen hörbar. Götter gibt die Rufnummer des Clubs durch: „Delta, Lima, Null, Tango, Papa.“ Die Wörter stammen aus dem phonetischen Alphabet der Nato und stehen für die Clubnummer DL0TP.

    Kurzer Austausch unter Kollegen: Rapports sind Standard

    Nach kurzem Austausch verabschiedet sich Götter, dreht weiter, dann vernimmt er, deutlich klarer, die Stimme eines italienischen Funkamateurs. Götter gibt „Rapport“. Sein Funkpartner erfährt dadurch, dass Götter ihn ohne Schwierigkeiten empfangen kann. Solche Rapports gehören zum Standard, nimmt ein Funker mit dem anderen Kontakt auf. Mit Handy-Smalltalk haben Funkkontakte nichts zu tun, betont Götter: „Es kommt nicht vor, dass man jemanden per Funk mitteilt, er möge doch auf dem Nachhauseweg bitte Blumenkohl vom Supermarkt mitbringen.“

    Wolfram Winkler, der technische Referent,zeigt die Rufnummer der Würzburger Clubstation.
    Wolfram Winkler, der technische Referent,zeigt die Rufnummer der Würzburger Clubstation. Foto: Pat Christ

    Noch etwas ist ein ausgesprochenes Tabu, ergänzt Vereinsvorstand Thomas Kleffel: „Wir reden im Funkkontakt grundsätzlich nicht über Religion oder Politik.“ Neutralität in politischer und religiöser Hinsicht gehören ebenso wie Fairness im Umgang miteinander und gegenseitige Hilfsbereitschaft zum Ehrenkodex der Funkamateure. Gerade die Mitglieder des „Amateurfunks Unterfranken“ verstehen sich ausdrücklich als „Drehkreuz zur Völkerverständigung in der ganzen Welt“.

    Gefragt bei Katastrophen: Unabhängig vom Internet

    Passiert irgendwo ein Unglück, so Kleffer, stehen sich die Funkamateure weltweit bei. Dass sie die Möglichkeit haben, mit einfachstem Equipment völlig unabhängig vom Internet zu agieren, macht für einen Teil der Mitglieder die Faszination ihres Hobbys aus. „Um über das Internet kommunizieren zu können, ist heute eine immense Infrastruktur nötig“, erklärt Kleffer. Man brauche eine Unzahl von Rechnern, Kabeln, Routern und Sendemasten. Weil immer mehr über das weltweite Netz abgewickelt wird und gleichzeitig der Kostendruck in der Branche steigt, werde die Infrastruktur immer fragiler, sagt der Softwareentwickler aus Höchberg. Jederzeit könne sie zusammenbrechen.

    In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Amateurfunk in Deutschland mehrfach große Verdienste bei der Katastrophenhilfe erworben. Ganz besonders bei der Sturmflut in Hamburg im Jahr 1962. Über 300 Menschen waren damals umgekommen. Funkamateure unterstützten die Behörden mit einem Notfunkbetrieb. Mehr als einen Tag lang setzten sie 400 Funksprüche ab oder empfingen Hilferufe nach Medikamenten, Essen und Ärzte, die sie an Behörden oder die Polizei weiterleiteten.

    Auch die 100 Mitglieder des Würzburger Clubs sind gerüstet und wissen, was sie tun müssen, wenn einmal der Strom ausfällt, das Web versagt und es auch nicht mehr möglich ist, zu telefonieren, weil das Handynetz zusammenbrach. „In diesem Fall werden Einsatzstellen an den Landratsämtern eingerichtet“, erklärt Swobodnik. Mit Jochen Wahlen aus Würzburg gibt es einen für ganz Franken zuständigen Notfunkreferenten, der Noteinsätze im Katastrophenfall koordinieren kann.

    Drei Leidenschaftliche Funkamateure (von links): Bernd Götter, Thomas Kleffel und Hans-Dieter Swobodnik.
    Drei Leidenschaftliche Funkamateure (von links): Bernd Götter, Thomas Kleffel und Hans-Dieter Swobodnik. Foto: Pat Christ

    Dass die Zahl der Club-Mitglieder in jüngster Zeit stieg, liegt aber nicht nur daran, dass die Autonomie des Amateurfunks fasziniert. Der Würzburger Club tut viel für den Nachwuchs. Beispielsweise durch nachmittägliche Workshops, bei denen Kinder lernen, elektronische Komponenten zusammenzubauen. Wer Feuer gefangen hat, darf als Neuling ins Team einsteigen – und sogar ohne Lizenz selbstständig erste Funkerfahrungen sammeln. Möglich macht das ein eigenes Ausbildungsrufzeichen. Und Technikfreaks, die kleinere oder größere Teile ihrer Funkanlage selbst bauen, testen und weiterentwickeln wollen, sind hier ja sowieso richtig.

    Funker in Unterfranken – und Besuch im Funkhaus Die meisten Funkamateure sind im Deutschen Amateur Radio Club (DARC) organisiert. In Franken gehören aktuell genau 2022 Mitglieder in 43 Ortsverbänden dem DARC an. In Unterfranken gibt es in Aschaffenburg, Bad Neustadt an der Saale, Schweinfurt, Würzburg, Miltenberg, Ochsenfurt, Gemünden (für Main-Spessart), Maroldsweisach (für die Haßberge), Bad Kissingen sowie in Stockheim (für die Hohe Rhön) lokale Clubs. Sie gehören dem DARC-Distrikt „Franken“ an. Interessierte sind bei den Würzburger Amateurfunkern immer willkommen: An jedem Samstag treffen sich die Funker ab 14 Uhr im Funkhaus am Oskar-Neisinger-Weg/Ecke Oberer Heriedenweg in Würzburg. Wer mag, kann dort selbst funken. Das ist möglich, weil der Club ein Rufzeichen für Ausbildungszwecke hat. Sich einfach so ans Funkgerät zu setzen, geht nicht. Funker müssen vor der Bundesnetzagentur eine Amateurfunkprüfung ablegen. Nur, wer bestanden hat, kann ein Rufzeichen beantragen. Neumitglieder sind ebenfalls jederzeit willkommen: „Wir sind kein elitärer Club“, sagen die Würzburger Funker und verweisen auf den Mitgliedsbeitrag: 48 Euro im Jahr. Besonders freuen sie sich über neue „YL“: „Young Ladies“, wie Frauen im Amateurfunk genannt werden. In vielen unterfränkischen Amateurfunkvereinen gibt es keine „YL“, im Würzburger Club sind eine gute Handvoll Funkerinnen dabei. Mitglieder können die komplette Clubstation nutzen, an zwei Messplätzen die selbst gebaute oder gekaufte Ausrüstung prüfen, die mechanische Werkstatt nutzen und Messgeräte zur Antennenanpassung und Dokumentation der Feldstärken an der Heimstation ausleihen. Außerdem haben sie Zugriff auf Bedienungs- und Reparaturanleitungen gängiger Geräte sowie viel Funkliteratur. Infos: www.amateurfunk-unterfranken.de

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