Ohne den Blues gäbe es keine Rock-, Pop-, Soul- oder Jazzmusik. Ehe der Blues aber die angloamerikanische Musik beeinflussen konnte und seine eigene heute bekannte Form annehmen konnte, musste er eine lange Reise hinter sich bringen. Diesen oftmals verschlungenen Wegen spürt der erste Themenabend beim diesjährigen Hafensommer am Freitagabend unter dem Titel „Migration Blues“ nach, bei dem mit Blick Bassy aus Kamerun, Leyla McCalla aus den USA und dem Trio Delgres aus Frankreich außergewöhnliche Musiker zu erleben sind.
Ursprung in den Worksongs der Sklaven
Dass der Blues in seiner ursprünglichsten Form seine Wurzeln in Afrika hat, ist heutzutage unumstritten. Vor allem das westafrikanische Mali wird gerne als die Wiege des Blues bezeichnet. Mit dem Sklavenhandel kamen vom 17. bis 19. Jahrhundert diese afrikanischen Klänge und Rhythmen, die mit dem, was man heute als Blues bezeichnet, kaum etwas gemein haben, in die „Neue Welt“. Auf den Plantagen im Süden der USA, wo Hunderttausende von afrikanischen Sklaven schuften mussten, entstanden die sogenannten Worksongs (Lieder, die während der harten Arbeit auf den Feldern gesungen wurden), die erste Bluesstrukturen aufweisen.
Die ursprüngliche Bluesform erlebte so eine erste Migration zwischen den Kontinenten. Vom bettelarmen Süden der USA zog es viele Bluesmusiker der ersten Generation in den Norden, wo die Sklaverei abgeschafft war. Dort entwickelten sich dann die Bluesstrukturen, die wir heute kennen und die von Musikern wie Muddy Waters, B.B. King oder John Lee Hooker bekannt gemacht wurden. Der Blues erlebte so seine zweite Migration.
Flucht und Diskrimienierung damals wie heute aktuell
Aber nicht nur in die USA wurden Sklaven transferiert. Nahezu alle Kolonialnationen setzten in ihren Gebieten Sklaven ein, so dass afrikanische Klänge beispielsweise auch nach Haiti, Guadeloupe oder Brasilien gelangten. Natürlich waren es vor allem die Menschen, die unter diesem System leiden mussten, weshalb viele Bluessongs vom Verlust der Heimat, Einsamkeit, Flucht, Diskriminierung oder Armut handeln – Themen, die auch angesichts der aktuellen Migrationsbewegungen noch immer aktuell sind.
Folgerichtig steht also beim Migration-Blues-Abend mit Blick Bassy ein Musiker aus dem afrikanischen Kamerun auf der Bühne, der sich auf seiner aktuellen CD ausdrücklich auf seine Blues-Bezüge beruft. Sein Album „Akö“ ist dem Bluespionier Skip James gewidmet. Bassy betrachtet den Blues aber nicht museal-retrospektiv, sondern überträgt ihn ins Hier und Jetzt. Er tut dies mit seinem außergewöhnlich besetzten Trio, in dem er selbst Gitarre und Banjo spielt und singt, sich von Cello und Posaune begleiten lässt, und auch elektronische Effekte einsetzt.
Blues mit karibischen Einflüssen
Das Cello spielt auch im Trio von Leyla McCalla eine zentrale Rolle. Ihre Eltern haben haitianische Wurzeln, denen die gebürtige New Yorkerin nachspüren wollte, weshalb sie vor einigen Jahren nach New Orleans zog. Dort fand sie, was sie suchte. Denn zwischen dem Sklavenaufstand im August 1791 gegen die französischen Kolonialisten und der Unabhängigkeit Haitis 1802 flohen Zehntausende von der Karibikinsel nach Nordamerika. 13 000 landeten in New Orleans. In McCallas Musik vereinigen sich die kreolische Musik ihrer Heimat mit den allgegenwärtigen Klängen der Straßenmusik von New Orleans.
Auch das Trio Delgres hat afrokaribische Ursprünge. Die Vorfahren des Bandgründers Pascal Danae stammen aus Guadeloupe und der Bandname bezieht sich auf Louis Delgres, der als Anführer eines Aufstands gegen die Sklaverei getötet wurde. Das Trio mit der außergewöhnlichen Besetzung Gitarre, Schlagzeug und Sousaphon zelebriert einen satten Bluesrock und knüpft so ein Band zwischen seinen kreolischen Ursprüngen und dem Blues des Mississippi.
Noch Karten an der Abendkasse
Der erste Themenabend in der Geschichte des Hafensommers beginnt am Freitag, 28. Juli, um 20 Uhr. Karten sind noch an der Abendkasse erhältlich.