Einer der vier Jungs dreht eine Schraube ein, der andere beschäftigt sich mit dem Fahrradkorb. Und das? Was ist denn das da für ein Ding? „Das nennt sich Schutzblech“, sagt Lehrer Christian Emmert, geht an die Tafel und schreibt das schwierige Wort hin. Es ist Montagmorgen. In der Metallwerkstatt der Franz-Oberthür-Berufsschule sind vier Flüchtlinge dabei, aus alten Fahrradteilen einen neuen Drahtesel herzustellen.
Cabeligani Ismaacil Aodan ist begeistert, dass er seit September die Möglichkeit hat, Deutsch zu lernen und sich auf eine Ausbildung vorzubereiten. Der junge Mann ist 20 Jahre alt und stammt aus einem kleinen Dorf in Somalia: „Dort leben 200 Menschen.“ Cabeligani hat bisher weder ein Auto noch ein Fahrrad besessen. Doch Fahrzeuge faszinieren ihn, und er hat ein festes Ziel: „Ich möchte Automechaniker werden.“ Sein Ehrgeiz, Deutsch zu lernen und sich fit für eine duale Ausbildung in Deutschland zu machen, ist entsprechend groß. Die Umstände sind nicht einfach: „Wir sind zu dritt, manchmal auch zu viert im Zimmer.“
Der junge Mann, der in der Gemeinschaftsunterkunft wohnt, kann nicht immer schlafen, wenn er müde ist. Und auch nicht immer lernen, wenn er das möchte. „Das geht nicht gut, wenn die anderen Musik hören“, sagt der Afrikaner, der vor sieben Monaten ohne seine Eltern nach Deutschland kam.
„Auch wir könnten wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen.“
Ralf Geisler von der Berufsschule über die starke Nachfrage
Vor über einem Jahr begann die Franz-Oberthür-Berufsschule damit, Flüchtlinge zu unterrichten. „Im ersten Jahr hatten wir 25 junge Leute in zwei Klassen, heuer sind es 65 in vier Klassen“, informiert Oberstudienrat Ralf Geisler. Seit zehn Jahren haben Flüchtlinge in Bayern das Recht, ihre Berufsschulpflicht zu erfüllen. Umgesetzt wird der Rechtsanspruch seit 2012 – zunächst nur an einigen wenigen Modellschulen. Seither entstehen immer mehr sogenannte BAF-Klassen (Berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge). Die Nachfrage ist allerdings noch immer weit höher als das Angebot, so Geisler: „Auch wir könnten wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen.“
Die meisten der Flüchtlinge, die bislang aufgenommen wurden und noch immer in Würzburg leben, absolvieren derzeit ihr zweites Berufsschuljahr. Das unterscheidet sich vom ersten deutlich. „Im ersten Jahr werden sie an 25 Stunden pro Woche ausschließlich an unserer Schule unterrichtet“, erläutert Schulleiter Uwe Tutschuk. Im zweiten Jahr kümmert sich auch die Handwerkskammer um die jungen Leute. In diesem sogenannten Berufsintegrationsjahr, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wird, sollen die Flüchtlinge praktisch erleben, wie es in deutschen Betrieben zugeht.
Während Lehrer normalerweise einen relativ homogenen Jahrgang in ihrer Klasse sitzen haben, sind die Jugendlichen aus den BAF-Klassen bunt gemischt. Fast jeder kommt aus einem anderen Land und spricht eine andere Muttersprache.
Auch unterscheiden sich die Jugendlichen vom Alter. Vor allem aber sind ihre Bildungsbiografien völlig unterschiedlich. Cabeligani hat nur zwei Jahre lang die Schule besucht: „Doch ich brachte mir selbst viel aus Büchern bei.“ Andere Flüchtlinge schnupperten bereits in eine Berufsausbildung hinein. Zum Beispiel Denys aus der Ukraine: „Ich habe drei Monate Mechaniker für Lkw gelernt.“ Derzeit besucht er die gastronomische BAF-Klasse: „Koch zu werden, das kann ich mir gut vorstellen.“
Völlig unabhängig von ihrem Status dürfen die Flüchtlinge zwei Jahre lang in die Berufsschule gehen. „Der duale Ausbildungsmarkt allerdings ist hinterher nicht für alle zugänglich“, bestätigt Ralf Geisler. Die Berufsschule selbst sei willens, Flüchtlinge, die ausreichend Kompetenzen erworben haben, in ihre Berufsfachschule Maschinenbau aufzunehmen – so Plätze vorhanden sind. Auf jeden Fall, sagt Uwe Tutschku, sei es gut, dass die jungen Leute endlich die Chance haben, etwas Sinnvolles mit ihrer Zeit anzufangen: „Vielleicht können sie das, was sie bei uns lernen, später auch in ihrem Heimatland verwenden.“
Praktikumsplätze gesucht
Seit dem Schuljahr 2013/14 dürfen berufsschulpflichtige Flüchtlinge aus Würzburg und Umgebung an der Franz-Oberthür-Berufsschule ein schulisches Berufsvorbereitungsjahr durchlaufen. Seit September schließt sich ein Berufsintegrationsjahr an. Die Franz-Oberthür-Schule kooperiert dazu mit der unterfränkischen Handwerkskammer (HWK). Über die HWK erhalten die Jugendlichen an zweieinhalb Tagen in der Woche die Möglichkeit, ein Praktikum in einem Betrieb zu absolvieren.
Praktikumsbetriebe werden noch dringend gesucht. Interessierte Firmen können sich direkt unter Tel. (0931) 79530 bei der Franz-Oberthür-Berufsschule melden. PAt