Für das junge Mädchen, das noch nie eine gekochte Garnele in der Hand gehalten hatte, gestaltete sich das Schälen des kleinen Meeresbewohners als augenfällig gewöhnungsbedürftig. Ähnlich ungewohnt dürfte die Bemerkung „Alter, schmeckt das geil!“ für die Ohren des Knigge-Trainers Frank Wissmann gewesen sein, nachdem das junge Mädchen den ersten Biss in das Krebstier gewagt hatte. Den Anlass für diese neuen Erlebniswelten bot ein Knigge-Seminar für Jugendliche im Gasthaus Tilman am Ulmer Hof.
Schon um neun Uhr hatten es sich die zwei Jungs und sechs Mädchen des Fördervereins Abenteuerland auf dem Heuchelhof auf den Bänken des Gasthauses gemütlich gemacht, um mehr über einen alten Kauz namens Knigge zu erfahren. Eingeladen hatte der Förderverein, finanziell unterstützt wurde der Tag von der Stiftung Kids Love Foundation (KLF) aus Würzburg, die sich um Kinder und Jugendliche kümmert. Engagiert hatte man den Würzburger Stil-Manager und Knigge-Trainer Frank Wissmann, der die hellhörigen Jugendlichen durch den Tag führte.
Den genüsslicheren Teil der Veranstaltung dürfte wohl das gemeinsame Mittagessen eingenommen haben, doch erklärte Wissmann zuvor grundlegende Verhaltensweisen und gesellschaftliche Konventionen, die den Weg der jungen Menschen in die Berufswelt erleichtern und den Umgang miteinander angemessener und höflicher regeln sollen. KLF-Vorstand Friedrich Meyer, der bei seiner Visite mit Fragen der acht wissbegierigen Teilnehmer gelöchert wurde, ermunterte die Jugendlichen dazu, sich Ziele zu setzen und sie auch erreichen zu wollen. „Hinfallen ist keine Schande, aber liegen zu bleiben – denn für Sie ist nur ein Einziger verantwortlich: Sie selbst.“ Wie der Stiftungsvorstand im anschließenden Gespräch erklärte, wolle er an die Eigenverantwortung der Jugendlichen appellieren.
Für die Jugendlichen dürfte diese Aufforderung zum eigenverantwortlichen Handeln zunächst einmal Arbeit an der Basis bedeuten. Beim gemeinsamen Mittagessen etwa ließ Wissmann die Jugendlichen das Besteck selbst auf dem Tischplatz anordnen. Die eigentümlichen Anordnungen der Messer, Gabeln und Löffel um die Teller herum ließ bei den Jungs und Mädchen ein hohes kreatives Potenzial vermuten. Etwas geringeres Vorwissen herrschte in Hinsicht auf die Gepflogenheiten zu Tisch. Großes Interesse kam Wissmann deshalb entgegen, der geduldig die Funktionen und Gebrauchsweisen der einzelnen Besteck- und Geschirrteile erklärte oder über möglichst zu vermeidende Fauxpas in Gesellschaft aufklärte. „Die meisten Kinder kennen solche Dinge bislang nicht, das ist für sie ein ganz neues Erlebnis“, erklärte Christine Blum-Köhler vom Förderverein Abenteuerland.
Das Vier-Gänge-Menü hatte die Tilman-Mannschaft um Küchenchef Pierre Bauer angerichtet. Als Jugendhilfebetrieb der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) hatten sich die Betreiber bereit erklärt, den Tag für die acht Jugendlichen mit den anderen verantwortlichen Stellen zu gestalten. „Eine lohnende Sache, weil so mehrere Kompetenzen gebündelt werden“, erklärte KLF-Vorstand Friedrich Meyer. Und das auch zukünftig – die Stiftung will im Mai zum nächsten Knigge-Seminar für Jugendliche einladen.