„Rosen-Resli“, die klebrig-süße Verfilmung der ebensolchen Novelle von Johanna Spyri brachte 1954 Glanz ins vielerorts noch in Trümmern liegende Würzburg: Die Filmschauspieler, allen voran die jetzt verstorbene Hauptdarstellerin Christine Kaufmann, kamen persönlich zur „Verbeugungspremiere“ ins Bavaria-Kino.
1000 lindgrün gepolsterte Sitzplätze hatte das 1950 eröffnete Kino in der Juliuspromenade 68, ein imposantes Foyer, zwei elegante Marmortreppen, einen Fahrstuhl und an den Wänden edles Palisander-Holz. Und mittendrin stand, tief beeindruckt, Manfred Singer.
„Rasiersitz“ für 1,20 Mark
13 Jahre war er 1954 – und voller Hochachtung für die damals neunjährige Christine Kaufmann. „Dass ein kleines Mädel Erfolg hat und richtig viel Geld verdient“, hat den heute 76-Jährigen in Ehrfurcht erstarren lassen. Manfred Singer leistete sich eine Kinokarte. „Rasiersitz“, erzählt er im Gespräch mit der Redaktion, „1,20 Mark hab ich dafür bezahlt“. Das Geld hat er nicht von seinen Eltern bekommen. „Wir waren eine arme Familie. Vier Kinder, der Vater Arbeiter.“ Den kleinen Luxus eines Kinobesuchs musste der Bub sich selbst finanzieren. „40 Pfennige pro Stunde habe ich als Balljunge im Tennisclub verdient“.
An den Film „Rosen-Resli“ hat Manfred Singer heute keine Erinnerung mehr. Aber an Christine Kaufmann. „Am Ende der Vorstellung ging der Vorhang zu. Und dann wieder auf. Da standen dann die Schauspieler und verbeugten sich vor dem Publikum. Deshalb nannte man das 'Verbeugungspremiere'“, erzählt Singer. Die Uraufführung des Film hatte am 4. Mai 1954 in Stuttgart stattgefunden.
Großes Ereignis für die Stadt
„Ein ganz großes gesellschaftliches Ereignis“ sei der Besuch der „Rosen-Resli“-Schauspieler in Würzburg gewesen, sagt Singer. „Da haben die Kinobesucher noch wochenlang von geschwärmt.“ Neun Jahre nach dem Krieg „waren die Leute gierig nach allem, was schön war“.
Zu den Schauspielern, die sich vor 63 Jahren im Bavaria-Kino vor den Würzburger verbeugten, gehörte übrigens auch Kurt Hepperlin. 34 Jahre war der gebürtige Hammelburger damals alt und im Film war er ein Staatsanwalt.
„Der Hepp“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, spielte später auch in Spielfilmen wie „Solange du lebst“, „Josefine Mutzenbacher“, „Lauter anständige Menschen“ und in der 70-er-Jahre-Fernsehserie „Drei sind einer zuviel“ mit.
Keine Augen für Hepperlin
Später arbeitete der wortgewaltige und trinkfeste Darsteller, Regisseur und Kameramann, der in Sulzfeld (Lkr. Kitzingen) einen Turm bewohnte, als TV-Pionier beim Bayerischen Fernsehen in Würzburg. Bei bei den Florian-Geyer-Spielen in Giebelstadt (Lkr. Würzburg) führte der Mann mit der sonoren Stimme Regie. Hepperlin starb 1992.
Der 13-jährige Manfred Singer hatte natürlich keine Augen für Kurt Hepperlin. Es war die niedliche, kleine Christine Kaufmann, die es ihm angetan hatte. Allerdings himmelte er den Kinderstar nur aus der Ferne an. „Nie und nimmer hätte ich mich getraut, sie anzusprechen“, sagt der 76-Jährige.