Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Stadt Würzburg
Icon Pfeil nach unten

WÜRZBURG: Der Erste Weltkrieg als Frauensache

WÜRZBURG

Der Erste Weltkrieg als Frauensache

    • |
    • |
    Aus dem Bilderbogen „Die deutschen Frauen im Ersten Weltkrieg“ von Käte Wolff aus dem Jahr 1916: Die Scherenschnitte zeichnen ein optimistisches Bild vom Einsatz der Frauen in Männerberufen.Sammlung Dietrich Hecht, Aschaffenburg
    Aus dem Bilderbogen „Die deutschen Frauen im Ersten Weltkrieg“ von Käte Wolff aus dem Jahr 1916: Die Scherenschnitte zeichnen ein optimistisches Bild vom Einsatz der Frauen in Männerberufen.Sammlung Dietrich Hecht, Aschaffenburg Foto: Foto:

    Die schwarzweißen Scherenschnitte strahlen frohe Betriebsamkeit aus. Eine offensichtlich gutgelaunte Briefträgerin bringt einer Mutter, die ein Kind auf dem Arm trägt, einen Umschlag. Drei Mädchen sind mit Leitern und Eimern unterwegs und eines klebt auf einem weiteren Bild ein Plakat an eine Litfaßsäule. Ein Soldat mit Pickelhaube studiert die Anschläge, andere marschieren unternehmungslustig in den Krieg.

    Plötzlich werden die Frauen gebraucht

    „Die deutschen Frauen in der Kriegszeit“ heißt der Bilderbogen, den die für Märchenillustrationen bekannte Berliner Scherenschnittkünstlerin Käte Wolff 1916 schuf. „Treibt der Mann den Feind hinaus, bleibt müßig nicht die Frau zuhaus“, steht auf dem Bogen, der zehn Pfennig kostet. Denn: „In Stadt und Land, so gut sie kann, steht jede Frau heut ihren Mann.“ Was wie ein Beitrag zur Gleichberechtigung wirkt, ist tatsächlich eine hohle Phrase, denn Frauen dürfen bis 1918 in Deutschland nicht wählen und erst seit kurzem studieren. Jetzt allerdings werden sie gebraucht, um die Männer zu ersetzen. Im Lauf des Ersten Weltkrieges werden in Bayern 1,7 Millionen Wehrpflichtige zum Militärdienst eingezogen, schreibt Sybille Kraft in der Broschüre „Frauenleben in Bayern von der Jahrhundertwende bis zur Trümmerzeit“.

    Fast 200 000 kehren nicht zurück.

    Männerberufe sind kein Tabu mehr

    Spätestens ab der zweiten Kriegshälfte zeigt sich überdeutlich, dass auch durch Mehrarbeit der daheimgebliebenen Männer und den Einsatz von Kriegsgefangenen das elementare Leben in Deutschland nicht aufrechterhalten werden kann. Nun sollen Frauen jene Lücken füllen, die eingezogene oder gefallene Männer hinterlassen haben.

    Plötzlich dürfen sie auch Positionen einnehmen, die bisher ausschließlich Männern vorbehalten waren; sie werden Briefträgerinnen, Schalterbeamtinnen, Schaffnerinnen und Straßenbahnfahrerinnen. Sybille Kraft erwähnt auch körperlich anstrengende Tätigkeiten: „Sie arbeiten als Dreherinnen, Schweißerinnen, Schlosserinnen und Kranführerinnen, hantieren mit Sprengköpfen, Presslufthämmern und Kreissägen und werden zu Erd- und Schneeräumarbeiten herangezogen.“

    Einsatz sogar beim Militär

    In den letzten Kriegsmonaten werden Frauen sogar als Militärlastwagenfahrerinnen ausgebildet. Bezeichnenderweise sind es diese besonders kräftezehrenden Tätigkeiten, die auf dem Scherenschnitt-Bogen fehlen.

    Nicht weniger dramatisch ist die Situation auf dem Land, wo die Bäuerinnen oft allein mit Mägden und Kindern ihren Hof weiterführen müssen. Weibliche Arbeitskräfte bestellen die Felder, sie düngen, pflügen, mähen und dreschen – allesamt Beschäftigungen, für die normalerweise Männer zuständig sind. Zwei Scherenschnitte auf dem Bilderbogen zeigen denn auch Frauen und Mädchen bei landwirtschaftlicher Arbeit. Gelegentlich gehen ihnen, was hier nicht zu sehen ist, vom Kriegsdienst freigestellte Männer, Jugendliche und ältere Männer aus der Nachbarschaft oder Kriegsgefangene zur Hand.

    Not und Mühe, die Familie zu versorgen

    So schwer die Arbeit auch ist, so gehört manche tüchtige Bäuerin laut Sybille Krafft doch zu den „Kriegsgewinnlerinnen“. In den Städten herrscht spätestens ab 1916 die blanke Not und manche Städterin, die nicht weiß, wie sie ihre Kinder satt bekommen soll, fährt zum „Hamstern“ aufs Land, in der Hoffnung, etwas Essbares zu bekommen. Für Lebensmittel wird fast jeder Preis gezahlt und einige Höfe erzielen durch den streng verbotenen, aber schwer zu unterbindenden Schwarzhandel gute Gewinne.

    Denn: Die meisten Lebensmittel, ebenso wie Kleider und Schuhe, gibt es inzwischen nur noch auf Marken. Doch selbst wer Marken hat, kann nicht sicher sein, dass er die aufgedruckten – und immer teurer werdenden – Waren auch bekommt. Die gewaltigen Materialschlachten des Jahres 1916 mit über 700 000 deutschen Toten haben den Sieg nicht gebracht, die Not wird größer und bei vielen Menschen macht sich Kriegsmüdigkeit breit.

    Sechs Kilo Brot, nicht mal ein Liter Milch - im Monat

    Im April 1917 erhalten Erwachsene nur noch sechs Kilogramm Brot und einen Drittelliter Milch – im Monat. Kinder bis zwei Jahre bekommen für vier Wochen lediglich einen Liter Milch, Schwangere einen halben Liter. Jugendliche im Wachstum, die zuvor zusätzlich Anspruch auf zwei Kilogramm Brot im Monat hatten, müssen ab April 1917 auf diese dringend nötige Vergünstigung verzichten. Es ist einfach nicht mehr genug Brot da.

    Im Jahr 1917 wird „die Not in den Städten schon sehr fühlbar“, schreibt später Hans Löffler, der in der Würzburger Stadtverwaltung für die Versorgung der Bürger mit Lebensmitteln zuständig ist: „Schuld daran waren die geringe und minderwertige Brotration, der Fleischmangel und die geringe Zuweisung von Eiern, Milch und Fett.“ Der Fettmangel habe die Ernährung am stärksten beeinflusst und sich am äußerlichen Aussehen eines großen Teils der Bevölkerung bemerkbar gemacht.

    Zu schwach zum Stillen

    Mütter und ihre Kinder, auf dem Bilderbogen lachend und fröhlich dargestellt, leiden am meisten, wie Hans Löffler, nach dem Krieg Würzburgs Oberbürgermeister, beobachtet: „Der grauenhafte Mangel an Milch und den anderen gerade für die Säuglinge und Kleinkinder unentbehrlichen Nahrungsmitteln hatte ein erschütterndes Maß an Unterernährung zur Folge.“ Viele Mütter sind zu schwach zum Stillen.

    Zum Diebstahl gezwungen

    „Die Leute kommen ja ganz herunter, die schauen alle so kummervoll“, schreibt die 21-jährige Würzburgerin Maria Gümbel ihrem Mann Adelbert schon am 29. April 1916, als die Lage noch weit weniger dramatisch ist.

    In den Städten ist ein Untergewicht von 15 bis 20 Prozent die Regel. Die Sterblichkeit bei der weiblichen Bevölkerung steigt in der Altersgruppe der Fünf- bis 35-Jährigen um über 100 Prozent gegenüber der Zeit vor dem Krieg. Viele Frauen sind verzweifelt, wie sie ihre Kinder lebend durch den Krieg bringen sollen; manche wissen sich nicht anders zu helfen, als Felddiebstähle zu begehen. Unter anderem deswegen steigt die weibliche Kriminalitätsrate im Ersten Weltkrieg deutlich an.

    Ein weiterer Grund ist, dass manche Frauen mit Kriegsgefangenen eine verbotene Beziehung eingehen, was der Staat mit erbarmungsloser Härte verfolgt. Eine 28-jährige Würzburger Witwe mit drei Kindern, deren Mann im November 1914 gefallen ist, wird im Februar 1917 vom Würzburger Schöffengericht zu einer zehnmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der Staatsanwalt erklärte empört, „der Ruf der deutschen Frau werde durch solches Gebaren im Auslande gefährdet, das Gericht habe allen Anlass, ihn zu wahren“.

    Über die drei kleinen Kinder, die plötzlich auch noch ohne ihre Mutter dastehen, macht er sich dagegen keine Gedanken.

    „Eisen nahm ich zur Ehr“

    Inzwischen sollen die deutschen Frauen nicht nur ohne ihre Männer auskommen, diese bei der Arbeit ersetzen und ihre Angehörigen durch eine von Mangel geprägte Zeit bringen, sondern auch noch den Krieg finanzieren helfen. Speziell an Frauen richtet sich so eine reichsweite Spendenaktion. Unter dem Motto „Gold gab ich zur Wehr, Eisen nahm ich zur Ehr“ sind sie aufgerufen, Gold- und Silbergegenstände abzugeben; als Ersatz erhalten sie einen Ring aus rostfreiem Eisen, in den das Wort „Vaterlandsdank“ eingraviert ist.

    Heitere Welt nur im Bilderbogen

    Der Bilderbogen zur Frauenarbeit verbreitet somit einen Optimismus, der 1916 und 1917 angesichts der verzweifelten Lage in Deutschland längst nicht mehr zündet. Den Bürgern ist versprochen worden, der Krieg werde spätestens zu Weihnachten 1914 beendet sein, doch er tobt unvermindert weiter und die Gefallenenlisten werden länger und länger.

    Viele Frauen stellten sich, wenn auch heimlich, die Frage, wofür denn eigentlich all die Opfer gebracht werden und wer letztlich vom Krieg profitiert. Maria Gümbel spricht es in einem Brief an ihren Mann bereits am 29. Oktober 1915 deutlich aus: „Meinst die Leute wissen es nicht schon, dass der Krieg nur für die Reichen ist, das hörst Du allgemein, und er sei Schwindel, das wissen die Leute schon, und es ist wahr.“

    Das Eindringen der Frauen in „Männerdomänen“ ist – wie später auch im Zweiten Weltkrieg – nur eine vorübergehende Erscheinung. Im Zuge der Demobilmachung werden später fast alle Frauen wieder aus diesen Positionen herausgedrängt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden