Im August 1914, vor genau 110 Jahren, brach der Erste Weltkrieg aus. Auch in Ochsenfurt stellten sich schnell die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges ein. Die Stadt zählte damals etwa 6400 Einwohner. Rund 1000 junge Männer, nahezu die gesamte Generation, wurden im Lauf der folgenden vier Jahre zum Kriegsdienst eingezogen oder meldeten sich freiwillig. 124 von ihnen wurden getötet oder blieben vermisst.
Bereits im Herbst 1914 wurde ein Vereinslazarett im Helblingspital an der Uffenheimer Straße eingerichtet, welches von Dr. Brunner und Ordensschwestern betreut wurde. 1918 war es mit 24 verwundeten Soldaten belegt, die von acht Ordensschwestern, einer Kriegspflegerin und zwei Sanitätsunteroffizieren gepflegt wurden.
Weiterhin bekamen die Männer, die an der Front standen, sogenannte „Liebesgaben-Pakete“ geschickt, vor allem zu Weihnachten. Sie wurden vom Frauenverein des Roten Kreuzes gepackt und an die Soldaten weitergeleitet. Im November 1917 erhielten so 460 eingerückte Ochsenfurter ihre Liebesgaben.

Auch das Leben an der "Heimatfront" gestaltete sich täglich schwieriger. Zur Sorge um die an der Front stehenden Lieben gesellten sich vielerlei andere Probleme. Bereits im Herbst 1914 wurden die ersten Lebensmittel erfasst und rationiert. So etwa die Menge an Zutaten für Backwaren und Brot. Diese konnte an den behördlichen Ausgabestellen nur noch mittels Brot- und Mehlausweisen erstanden werden.
Vieh durfte nur unter Aufsicht geschlachtet werden
Die Landwirte mussten ihr Getreide bis auf einen von behördlicher Seite festgelegten Teil für die Selbstversorgung bei der Reichsgetreidestelle abliefert, die dann die Verteilung an die Großstädte übernahm. Die Höchstverbrauchermenge in den Städten betrugen bei Kriegsbeginn noch 225 Gramm Getreide pro Person und Tag, bis 1917 fiel dieser Wert auf 180 Gramm ab.

Um den Verlust an Getreide zu kompensieren, wurden die Fleischverbrauchersätze angehoben. Hierfür durfte das Vieh nur noch unter Aufsicht geschlachtet werden und war anschließend abzuliefern. "Schwarzschlachtungen" wurden unter strenge Strafe gestellt. Um den hohen Ausfall an Nahrungsmitteln, welche die Landwirte in die Städte abgeben mussten, zu kompensieren, ordnete der Stadtmagistrat die Aufpflanzung mit Obstbäumen und die Forcierung der Kleintierzucht an.
Gerade in der Landwirtschaft hatte der Krieg aber auch einen Technisierungsschub bewirkt. Um die fehlenden Arbeitskräfte zu ersetzen, kamen zunehmend Maschinen zum Einsatz. Auch die Rolle der Frauen veränderte sich. Während sie zuvor gesellschaftlich kaum eine Rolle gespielt hatten, wurden sie nun zu den Ernährern. Notgedrungen hat der Krieg so zu einer sozialen Gleichstellung der Frauen geführt, wenn auch nur für kurze Zeit.
Steigende Frustration und Kriegsmüdigkeit
Vor allem die sich ständig erweiternde Rationierung der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (von Kirschkernen über Ofenrohre bis hin zu Zinndeckeln auf Bierkrügen) führten im Laufe des Krieges zu einer stetig wachsenden Frustration und Kriegsmüdigkeit, bis im Herbst 1918 schließlich die Friedenssehnsucht der Bevölkerung so stark gewachsen war, dass die Revolution und das damit einhergehende Ende der Monarchie widerspruchslos hingenommen wurde - Hauptsache der Krieg war aus.
Als am 11. November 1918 nahe der nordfranzösischen Stadt Compiègne der Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und den Westmächten Frankreich und Großbritannien unterzeichnet wurde, hatte die Bevölkerung der Stadt Ochsenfurt eine leidvolle und entbehrungsreiche Zeit durchlebt. 124 Männer waren gefallen oder vermisst. Dutzende kleinere Betriebe hatten schließen müssen. Dringende lokale Bau- oder Reparaturvorhaben konnten seitens des Stadtmagistrats nicht umgesetzt werden, da Arbeitskräfte und Geld fehlten. Durch die Fortdauer der britischen Seeblockade verbesserte sich die Nahrungsmittelsituation in Deutschland vorerst nicht.
Mehrere zehntausend Mark hatte der Stadtmagistrat in Kriegsanleihen investiert, die mit dem Zusammenbruch des Königreichs Bayern im November 1918 ihren Wert verloren. Zudem kehrten nicht alle überlebenden Kriegsteilnehmer heim. Ende 1918 befanden sich noch immer 94 Ochsenfurter in Kriegsgefangenschaft. Als sie zwischen 1919 und 1920 endlich heimkehrten, erkannten sie ihre Heimat stellenweise nicht wieder.
Unser Gastautor Georg Menig ist Historiker und Stadtarchivar von Ochsenfurt. In mehreren Büchern hat er sich bereits mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen für die Region befasst. In einer dreiteiligen Serie geht er der Frage nach, welche Auswirkungen der Krieg auf das Leben in Ochsenfurt hatte.