Die dicke Pelzmütze mit dem Hirschgeweih war in den vergangenen Tagen immer dabei, wenn sich Heinrich Memmel auf den Weg zur Arbeit machte. Kurz vor der närrischen Hauptsaison waren er und vier weitere Kontrolleure des TÜV Süd zwei Wochen lang täglich unterwegs, um die Faschingswägen der Fasenachter in Stadt und Landkreis genau unter die Lupe zu nehmen. Zwar gibt es seit über zehn Jahren verbindliche Vorschriften. Doch kontrolliert wurden sie kaum.
Memmel weiß, dass er bei den Faschingsvereinen nicht immer gerne gesehen ist. „Es steckt oft viel Herzblut in den Wägen und es möchte sich ihn doch keiner kaputt machen lassen“, weiß der Prüfer, der auch schon selber Faschingswägen gebaut hat. Schon gar nicht von einer Richtlinie, die so wenig närrischen Geist atmet, wie die „Zweite Verordnung zum Merkblatt über die Ausrüstung und den Betrieb von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen für den Einsatz bei Brauchtumsveranstaltungen“. Doch zumeist gelingt es dem langjährigen Prüfer bereits im Vorfeld dem Bürokratendeutsch den Schrecken zu nehmen: „Wir sprechen oft schon vorher über die kritischen Stellen und die Rahmenbedingungen“, erzählt er. Dies nehme die Spannung: „In der Regel ist es dann ein angenehmes Arbeiten.“
„Es steckt oft viel Herzblut in den Wägen und es möchte sich ihn doch keiner kaputt machen lassen.“
Heinrich Memmel Kontrolleur des TÜV Süd
So auch bei den närrischen Kraken, der Höchberger Faschingsgilde „Helau Krakau“, die ihren Elferratswagen seit September in vielen Stunden Eigenarbeit neu gebaut hat. Die Prüfschritte von Heinrich Memmel unterscheiden sich kaum von einer normalen Prüfung. Egal wie kurios ein Faschingswagen auch aussehen mag, er begutachtet all das, was auch bei einer normalen Fahrzeugkontrolle ansteht, die Bremsen, Lichter, die Lenkung, die Reifen und ob die vorgegebenen Maße und Achslasten eingehalten sind. „Bei der An- und Abfahrt zum Faschingszug gilt natürlich die Straßenverkehrsordnung“, erklärt der Kontrolleur.
Interessant wird es für ihn erst, wenn ein Faschingswagen dafür vorgesehen ist, Menschen zu transportieren: denn dann gilt der Aufbau wie bei jedem Lkw nicht mehr als Ladung, sondern unterliegt den Bestimmungen für die Personenbeförderung.
Mit dem Krakenbau ist Memmel zufrieden. Er bewertet ihn mit „fast perfekt“: Es fehlen allein die Rückstrahler. An sie hatte einfach niemand gedacht. Als „bilderbuchmäßig“ bezeichnet er zudem, dass die Verkleidung tief nach unten gezogen ist. Zusätzlich sind als Schutz davor, dass einer unter die Räder gerät, Gummilappen angebracht, die bis auf den Boden reichen. Der Elferratswagen der Höchberger Narren ist bestens vorbereitet für die bevorstehenden turbulenten Faschingsumzüge in Eisingen, Würzburg und Höchberg.
Die ganze Konstruktion, die unter der Federführung von Ingo Rülicke entstanden ist, ruht auf einem fest verschweißten massiven Metallgestell. Immerhin sollen auf dem 3,10 Meter breiten und 7,50 Meter langen Aufbau der Elferrat, der Sitzungspräsident und das Prinzenpaar Michael II. und Barbara II, also etwa 20 Personen Platz finden. Der Schnabel des Krak und die Pauke des Höchberger Büttels, die Symbolfigur der Faschingsgilde, am Wagenende verlängern das Gefährt sogar auf insgesamt zehn Meter.
„Da oben geht’s natürlich rund. Die haben Spaß, schunkeln, schmeißen Bonbons und schreien bis zum Anschlag“, weiß Gattin Melanie Rülicke, die als „Zugmarschallin“ in einem Jeep Wrangler, auf dessen Ladefläche vier weitere Narren stehen und der Menge zuwinken, mitfährt. Doch während landwirtschaftliche Anhänger gerne dazu genutzt werden, die brummenden Bässe mit rhythmischem Wippen zu begleiten, dürfte es auch dem schwergewichtigsten Elferrat unmöglich sein, den Anhänger zum Schwanken zu bringen. „Es ist mir lieber, der Wagen ist gründlich geprüft und wir sind dann auf der sicheren Seite“, erzählt der gelernte technischer Zeichner Rülicke: „Bisher musste der Fahrer seinen Hals hinhalten, wenn was passiert ist.“ Bei Gesamtausgaben von knapp 5000 Euro fielen da die zusätzlichen TÜV-Gebühren kaum ins Gewicht, so Rülicke.
Größere Schwierigkeiten vermutet der Elferrat und stolze Wagenbauer jedoch bei Mottowägen, die jedes Jahr wechseln. Gerade kleinere Vereine oder private Gruppen könnten abgeschreckt werden. Tatsächlich wurden anfangs gerade in kleineren Orten Überlegungen laut, künftig auf einen Faschingsumzug zu verzichten.
Das sei auch so, berichtet Max Baumgart (Sohn des Würzburgs Baureferenten Christian Baumgart), der sich heuer selbst als Baumeister engagierte. Zusammen mit Simon Altmann und Thomas Klein hat er eine Woche Arbeit investiert, um den Wagen der Faschingsgesellschaft Versbach neu zu gestalten. Für die überdimensionalen Läushämmel, die Symbolfigur der Versbacher, sorgte der Zellerauer Künstler Reinhold Müller.
Das Motto der Versbacher in diesem Jahr: „Ganz Versbach feiert Karneval, die Euro-Krise kann uns mal.“ Doch ganz ohne Euro ginge es für die Faschingswagen-Bauer freilich nicht ab, sagt Max Baumgart. Für die seit neuestem fällige TÜV-Abnahme mussten die Versbacher mit allem Drum und Dran fast 200 Euro aufbringen. „Ganz schön happig“, meint Max Baumgart und weiß zu berichten, dass viele wegen der Kosten nicht mehr mitfahren.
„Mehr Bestimmungen bedeuten am Ende weniger Wagen“, befürchtet auch einer der Höchberger Narren. Heinrich Memmel sieht dies anders. Der Prüfer jedenfalls findet, dass er nicht zum Fürchten ist – auch wenn er in diesem Jahr in einer Fußgruppe zum Thema „Gruselkabinett“ mit marschiert.