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WÜRZBURG: Der Grafeneckart: Symbol bürgerlichen Selbstverständnisses

WÜRZBURG

Der Grafeneckart: Symbol bürgerlichen Selbstverständnisses

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    Die Kaufurkunde für das Rathaus aus dem Jahr 1316.
    Die Kaufurkunde für das Rathaus aus dem Jahr 1316. Foto: Foto: Sammlung Willi Dürrnagel

    Dass Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt im ältesten noch in Betrieb stehenden Rathaus Deutschlands regieren kann, hat er einem ausgesprochen ungewöhnlichen Ereignis zu verdanken: Am 5. März 1316 nämlich kaufen Rat und Bürgerschaft von Ritter Kuno von Rebstock den „hof Graue Eckehard“ – mit dem Ziel, ihn als Rathaus zu nutzen.

    Was so ungewöhnlich daran ist, dass ein Rat und eine Bürgerschaft ein Rathaus kaufen? Nun, Würzburg war ja bekanntlich eine Bischofsstadt und wenn es auch bürgerliche Vertretungen in Form eines Ober- und Unterrats gab, so war es doch eigentlich der Bischof, der das Sagen hatte. „Man vermutet, dass es eine gewisse Schwächephase oder ein Entgegenkommen des bischöflichen Stuhls war, die es gestatteten, eine bürgerliche Selbstverwaltung zu etablieren“, erklärt Christian Schuchardt. Für ihn ist der Grafeneckart, wie der älteste Teil des Rathauses heißt, damit „ein oder besser gesagt das Symbol bürgerlicher Freiheit in unserer Stadt.“ Und das Ringen um die bürgerliche Selbstverwaltung hat Würzburg ja über viele Jahrhunderte geprägt, viele Todesopfer gefordert.

    Ältestes Profangebäude der Stadt

    In der Schlacht von Bergtheim zum Beispiel, im Bauernkrieg und nicht zuletzt während der Herrschaft der Nationalsozialisten, als selbige ihre Fahne auch auf dem Würzburger Rathaus hissten und die kommunale Selbstverwaltung mit der Gemeindeordnung von 1935 quasi außer Kraft setzten. „Dass wir als Gemeinde das Recht haben, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln‘, und dass daran gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerschaft entscheidend beteiligt sind, erscheint uns heute als selbstverständlich“, sagt der OB. „Aber unsere heutige Selbstverwaltung ist das Ergebnis eines zähen Ringens, das große Opfer kostete.“

    Und die jeweiligen Stadtoberhäupter brachten sich – teilweise unter Einsatz ihres Lebens – für diese Ziele ein. Stellvertretend nennt Christian Schuchardt hier Michael Wilhelm Joseph Behr (1775–1851) und Tilman Riemenschneider (1460–1531), dessen Geschichte wir ab Seite 85 erzählen. Immer wieder wandelt sich das Rathaus im Laufe der Jahrhunderte: Am Grafeneckart, der erstmals 1180 als „curia Billungi“, als Hof des Stadtschultheißen Billung, erwähnt wird und damit heute das älteste Profangebäude der Stadt ist, gibt es zahlreiche Anbauten: „Nach Westen schließt sich der 1659/60 im Stil der Spätrenaissance errichtete Rote Bau an, daran angrenzend der Bernatzbau mit dem heutigen Ratssaal, nördlich das säkularisierte Kloster der Beschuhten Karmeliten, das im 19. Jahrhundert vom Stadtrat hinzugekauft wurde“, zählt Christian Schuchardt auf.

    Ein Spiegel der Stadtgeschichte

    Wie fast die ganze Stadt wird beim Bombenangriff am 16. März 1945 auch das Rathaus zerstört, nur der Grafeneckart und die Giebelfront des Roten Baus überstehen die Bombennacht. „Doch der Wiederaufbau ging schnell, 1949 konnte der Rat schon wieder in seinen Sitzungssaal im Roten Bau zurückkehren“, sagt Schuchardt. Dort, im Wenzelsaal, finden die Ratssitzungen inzwischen aber auch nicht mehr statt, „in den 1980er Jahren hat man sich einen neuen Sitzungssaal gegönnt.“

    Der OB ist gern im Wenzelsaal. „Das ist ein sehr besonderer Ort, an dem viele besondere Begegnungen stattfanden“, sagt er. Zum Beispiel die zwischen der Stadt und König Wenzel von Böhmen (1361–1419), der hier auf der Durchreise zu einem Reichstag in Mainz empfangen wurde und der nach Eigenständigkeit lechzenden Stadt als Engel schlechthin erscheinen musste, als er ihr die Reichsfreiheit versprach. Umso größer die Enttäuschung, als der König das Versprechen auf Druck des Bischofs wieder zurücknahm. „Deshalb findet sich auf der Tür des Wenzelsaals das Kaiserliche Wappen mit dem Reichsapfel und dem Adler, der ein abgebrochenes Schwert in seinen Klauen hält“, erzählt der OB. „Das Zepter soll an das gebrochene Versprechen erinnern.“

    Den nach dem König benannten Wenzelsaal haben die Würzburger trotzdem nicht mehr umbenannt. Es ist kein einheitlicher Komplex, das Würzburger Rathaus, sondern, wie Schuchardt sagt: „Es präsentiert sich heute als ein Konglomerat von Gebäuden und Architekturteilen aus verschiedenen Zeiten und unterschiedlichen Baustilen. Unser Rathaus ist dadurch ein Spiegel unserer Stadtgeschichte.“ Und: „Keine andere deutsche Stadt verfügt über ein derart traditionsreiches und von so vielen Zeitschichten geprägtes Verwaltungsgebäude ihrer Bürgerschaft.“

    Text: Eva-Maria Bast

    Was Würzburg prägte Das neue Buch „Was Würzburg prägte“ enthält 52 Texte über Jahrestage aus der Würzburger Geschichte, also für jede Woche des Jahres einen Text. Das Buch von Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter entstand in Kooperation mit der Main-Post. Erschienen ist das Buch im Verlag Bast Medien GmbH, in dem auch die erfolgreichen „Würzburger Geheimnisse“ veröffentlicht wurden, die ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Main-Post entstanden sind. Erhältlich ist „Was Würzburg prägte – 52 große und kleine Begegnungen mit der Stadtgeschichte“ von Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter Überlingen 2017, ISBN: 978-3-946581-24-6 in den Main-Post-Geschäftsstellen (14.90 Euro).

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