Der Main-Franken-Kreis ist 50 Jahre alt geworden. Dieser Kreis ist viel mehr, als sein Name sagt, und einiges weniger ist er auch. Georg Götz hat ihn am 19. Oktober 1968 gegründet und steht ihm vor - bis heute.
Die Gründung wirkt wie ein Konter gegen die Revolte der Achtundsechziger. Der Main-Franken-Kreis (MFK) hegt und pflegt das - vermeintliche - Brauchtum der Altvorderen: fränkisches Liedgut und fränkische Poesie, Fahnen und Tracht, Kunst und Bocksbeutel, die Pracht der Fürstbischöfe und den Katholizismus.
Götz, Jahrgang 1936, der Gründer und Macher, ist einzigartig, weit über Würzburg hinaus. Er hat die Ideen, gibt die Impulse, schafft, geht voran und zieht alle mit, zu Hunderten Reisen im In- und vor allem ins Ausland, zu zahllosen Führungen, Weinproben und Vorträgen, Konzerten, Theateraufführungen und Festzügen. Seine Liste der Aktivitäten in den vergangenen 50 Jahren ist 18 Seiten lang. Manche fasste er in einem Punkt zusammen, zum Beispiel: "104 Besuche bis heute in Würzburgs französischer Partnerstadt Caen."
Götz ist der Main-Franken-Kreis. Auch als der MFK noch über 1000 Mitglieder zählte, vor mehr als 20 Jahren, so war er nie wirklich ein Kreis. Er war vor allem immer Georg Götz.
Im Gespräch mit unserer Redaktion, knapp zwei Stunden lang, lässt Götz alle Zeiterscheinungen draußen, die nicht zu seiner Welt gehören. Hinweise auf politische Ereignisse nimmt er nicht auf. Die Gründung des MFK schildert er als Reaktion darauf, dass die Kolping-Familie nichts mehr unternommen habe, nachdem er sie verlassen hatte. Im Mai 1968 rief er zu einer Werbefahrt für Würzburg nach Kärnten auf, über 50 Leute fuhren mit, mit ihnen gründete er den MFK.
Viele Spenden für arme Christen im Heiligen Land
Georg Götz erzählt viel vom "Heiligen Land". Alle Jahre reist er hin und bringt Spenden für arme Christen dorthin, 250 000 Euro, Medikamente und Kleidung, so berichtet er. Er bereiste dieses Land, schloss Bekanntschaften, besuchte "heilige Stätten" und sah, "wo es fehlt".
Auf keiner Landkarte ist dieses "Heilige Land" verzeichnet. Was ist das? Wo liegt es? "Das ‚Heilige Land‘", sagt er, "ist das Land unseres Herrn", es liege in Syrien, Jordanien, Libanon "und Israel, das früher Palästina hieß".
So spricht er mit großer Selbstverständlichkeit. Sein Gottesglaube wurzelt tief in ihm, ohne ihn ist Götz nicht denkbar.
Während des Krieges: Totenhemden aus Papier
Götz ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten, der starb, sechs Wochen, bevor der kleine Georg auf die Welt kam. Ein Architekt bei der Reichsbahn war er und aktiv in der Kolping-Familie, da hat er gesungen und Theater gespielt, mitgeschafft und mitorganisiert. Die Mutter war eine Weißnäherin in Grombühl (eine Weißnäherin war meist für die Aussteuer aus weißen Stoffen zuständig). Während des Krieges nähte sie Totenhemden aus Papier; ihr Bub lieferte die Ware aus. Er ging in die Kinderbewahranstalt, da ging es ihm gut, er spielte Theater, genoss die Ausflüge und war, erinnert er sich, "bei allem immer vorne dran".
Die Mutter: Weißnäherin, Trümmerfrau
Die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 erlebte er im Garten seiner Großeltern am Bismarckwäldchen. In den folgenden Tagen war er immer dabei, wenn seine Mutter mit vielen anderen in der Stadt Schutt und Trümmer räumte. Er lernte Maurer, bildete sich weiter, wurde Technischer Zeichner und Statiker, heiratete 1962 seine Theresia, und ging 1973 zur Stadt, ins Bauaufsichtsamt, wo er bis zum Ruhestand arbeitete.
Er lernte Leute kennen, die ihn ihrerseits mit neuen Leuten bekanntmachten, baute ein riesiges internationales Netzwerk auf und nutzte es für immer neue Aktionen. Mit "Legendär in der Brauchtumsszene" überschrieb diese Redaktion eine Würdigung zu seinem 75. Geburtstag; die Stadt ehrte ihn mehrfach, er ist Träger der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.
Getrieben vom Streben nach Aussöhnung
Würzburgs Alt-Oberbürgermeister Jürgen Weber glaubt, Götz sei getrieben von seinem Glauben, vom Erleben der Zerstörung der Stadt und vom Streben nach Aussöhnung. Götz sei unter anderem zu verdanken, dass die Partnerschaft mit Caen so lebendig ist.
Aber der MFK schrumpft und das Netzwerk mit ihm. Gut 300 Mitglieder sind es heute. Viele sind gestorben, manche mochten nicht mehr mitmachen. Götz beklagt einen Mangel an Initiative unter den Seinen. Weber sagt, "er macht tolle Geschichten, aber er ist einsam". Ihn wundere, was der 82-Jährige Götz sich noch zumutet.
An diesem Samstag, früh um 9 Uhr, feiert die Stadt das 50-jährige Bestehen des MFK mit einem Festakt im Wappensaal des Rathauses.