Hans-Jürgen Freund dagegen weiß genau, was er drücken, einstellen und einschalten muss, um Punkte, Kurven, Linien und Kästchen in verschiedenen Farben, in unterschiedlichem Abstand und variierender Geschwindigkeit auf die Leinwand zu bringen.
Hans-Jürgen Freund ist Maler, wie schon sein Vater und sein Großvater. 1982 entdeckte er in einer Schublade einen alten Motor aus dem Jahr 1900, den anscheinend noch sein Großvater aufbewahrt hat und verfiel der Idee, technische Geräte mit seiner Kunst zu verbinden. Er entwickelte eine Malmaschine.
Doch zuvor musste er sich erst einmal das Wissen um die Elektronik aneignen. „Fast jeden Tag bin ich damals nach Würzburg in die Bibliothek gerannt und habe Schaltpläne studiert, kopiert und für meine Zwecke umgestaltet,“ sagt er kopfschüttelnd.
Damals, 1982, liefen die Dinge gut für Hans-Jürgen Freund. Er lebte von seiner Arbeit als freischaffender Künstler und lehrte nebenberuflich an der Fachhochschule für Gestaltung in Würzburg. 1989 beendete er die Arbeit an der Fachhochschule und vier Jahre später steckte er mitten in einer Schaffenskrise.
In dieser Zeit habe er sich nach einer Veränderung in der Malerei gesehnt und daraufhin konstruierte er seine alte Malmaschine völlig neu. „Mit der alten Maschine bin ich nicht zufrieden gewesen. Durch meine erste Maschine sind nur ganz wenige Bilder entstanden, die meinen Ansprüchen gerecht wurden. Die meisten habe ich weggeworfen. Lediglich ein einziges ist ganz passabel,“ meint der 70-Jährige heute.
Die neue Malmaschine ist gigantisch, für Leinwände mit zwei mal zwei Metern Größe konzipiert. „Würde ich die jetzt hier aufbauen, würde nichts anderes mehr in diesen Raum passen. Ich müsste auf dem Boden herumkriechen, um alle Hebel und Schalter zu bedienen,“ erzählt der Künstler voller Stolz.
Mit zunehmendem Alter sei das natürlich nicht mehr möglich gewesen. Deshalb entwickelte er 2005 eine dritte Maschine, die handlicher ist und sich bequem von einem Tisch aus Steuern lässt. „Mit den beiden größeren Modellen konnte ich endlich richtig arbeiten. Vieles habe ich verbessern können.
Die Behälter mit der Farbe waren zum Beispiel keine alten Fahrradpumpen mehr. Daraufhin habe ich dann auch recht schnell die manuelle Malerei völlig aufgegeben,“ so Freund weiter.
Deswegen sei seine Kunst aber noch lange nicht beliebig oder gar ersetzbar geworden. „Der kreative Kopf bleibe immer noch ich“, sagt Hans-Jürgen Freund. „Die Malmaschine ist einfach nur ein Werkzeug. Genauso wie ein Musiker sein Klavier benutzt. Was er eintippt, liegt ganz allein bei ihm.“
„Jeder Künstler muss sich ab und zu mal neu erfinden. Manche Bildhauer haben sogar auch schon Kettensägen benutzt, nur um eine neue Methode zu konzipieren,“ erklärt er schmunzelnd. Freund fertigt mit seiner Maschine abstrakte Werke an, Werke auf denen keine Gegenstände sind. Stattdessen sollen die Farben und Formen bedeutend wirken.
Natürlich habe auch diese Form der Malerei etwas auszusagen, nur ist das eben nicht eindeutig. Der Künstler drücke Gefühle und eine Intension aus, die nur er kennt. Beim Betrachter dagegen können ganz andere Gefühle hervorgerufen werden, sagt Freund und denkt, dass sich diese Gefühle mit denen des Betrachters vermischen.
Inzwischen benutzt er die Malmaschine kaum noch. Ans Aufhören denkt der 70-Jährige deshalb noch lange nicht. „Ich glaube das kann ein Künstler gar nicht. Der Trieb des Künstlers ist es immer wieder neue Bilder zu machen,“ behauptet Freund und berichtet, dass er sich seit zwei Jahren von der Malerei abgewandt hat und nun fotografiere und die Fotos dann bearbeitet.
Dafür scannt er zum Beispiel seine gemalten Werke ein und nimmt sie als Hintergrund für seine Fotos. Den Scanner, den er zu diesem Zweck benötigt, hat er auch selbst entwickelt und gebaut. Es sind hauptsächlich Porträts und Aktfotos, die auf diese Weise entstehen; viele davon zufällig und spontan. An Fasching habe er zum Beispiel einige spannende Porträts von Kostümierten machen können. Zu diesem Zweck war er auf dem Marktbreiter und Ochsenfurter Faschingszug unterwegs.
Im Moment begeistere ihn die Fotografie. Gerne würde er die Ergebnisse seiner jüngsten Schaffensperiode öffentlich zeigen. Am liebsten in einer Fotoausstellung im Würzburger Kulturspeicher. „Die Kunst ist ein Stück Dokumentation der eigenen Seele“, sagt Hans-Jürgen Freund. Welcher Mittel sich der Künstler dazu bedient, sei nicht wichtig.