Man kann natürlich Goethe zitieren, wenn man über den Würzburger Stein schreibt. Das tun aber fast alle, die sich textlich der berühmten Weinlage widmen. Und das Zitat, dass ihm „kein anderer Wein schmecken will . . .“, stimmt ohnehin nicht. Er trank alles, was gut war. Also kein Goethe. Hier soll es sowieso weniger um den Rebensaft, als um die Aussicht von der berühmten Stein-Lage auf Würzburg und die Mainlandschaft gehen. Dafür ist der Stein-Wein-Pfad angelegt worden. Und dafür soll jetzt eine heftig umstrittene Aussichtsplattform aufgestellt werden. Ein Großteil der Bevölkerung hält sie für überflüssig. In einer Umfrage unserer Zeitung waren 86 Prozent der Leser dagegen. Braucht dieser Weg inmitten des Steins noch einen neuen architektonischen Punkt, futuristisch oder magisch, wie immer er auch geartet sein mag? Wir sind den Weg gegangen und haben uns unsere Gedanken gemacht.
Günstiger Startpunkt ist das Weingut am Stein mit einem Parkplatz, der einen größeren Ansturm niemals bewältigen könnte. Leicht findet man den Eingang in den Rundweg. Sehr gepflegt mit einer alten Kelter und guten Informationen. Nun kann man den vier Kilometer langen Pfad links oder rechts beginnen. Besser ist sicher, gleich die Steigung nach rechts zu nehmen. Man hat einen Höhenunterschied von rund 50 Metern vor sich. Aber, um es vorweg zu nehmen: Auf der Kante oberhalb des Steinbergs geht es flach weiter, in der zweiten Hälfte bequem wieder bergab.
Mitten im Aufstieg an der Rotkreuzsteige kommt man an die Stelle, wo die neue Aussichtsplattform geplant ist. Es ist tatsächlich ein wunderbarer Punkt, um ihn nicht gleich magisch zu nennen. Das Panorama reicht von Lengfeld im Osten über das Müllheizkraftwerk als prägnanten Punkt über Lehnleite, Frauenland bis zur Festung, mit der man vermutlich fast auf Augenhöhe steht. Kurzum: das gesamte Stadt-Panorama. Dann liegt einem rechts die Zellerau zu Füßen bis zur Zeller Spitze. Nur der Main taucht an diesem Punkt in der Umgebung etwas ab.
Die Mainlandschaft von Würzburg wird dann sehr konkret, wenn man den Weg weiter wandert. Oberhalb des Steinbergs geht der Panorama-Rundweg vorbei am Bismarck-Wäldchen, wo der Bismarck-Turm steht, der – alternativ zu einem modernen Neubau – zuletzt zur Sanierung für eine Aussichtsplattform vorgeschlagen wurde. Doch für eine gute, große Aussicht von hier müsste man sehr viel Grün abholzen.
Nach dem Bismarck-Wäldchen, das eigentlich schon ein kleiner Wald ist, kommt der Wanderer am Schloss Steinburg vorbei und sieht dessen architektonischen Kontraste aus der Nähe. Diese Perspektive stimmt ein wenig freundlich, weil für die Neubauten warme braune Töne genommen wurden. Aus der Tal-Perspektive kann man durchaus anders urteilen über den neuen Hotelkomplex.
An vielen Schautafeln wird sehr vieles erklärt. Man erfährt, dass Tilman Riemenschneider in der Stein-Harfe schon zwölf Morgen besessen hatte und dass der Stein heute hauptsächlich den drei großen Weingütern Juliusspital, Bürgerspital und dem Staatlichen Hofkeller gehört. Das Weingut Ludwig Knoll mitten im Stein ist zwar traditionsreich, hat aber seine 15 Hektar Anbaufläche mehr in der Inneren Leiste, in Randersacker oder in Stetten am Stein. Dass die umstrittene Aussichtsplattform unter den Begriff „Terroir f“ gestellt wurde, ist verständlich. Das „Terroir“ wird am Stein-Wanderpfad auch beschrieben. Aus dem Muschelkalk am Stein wird ein wunderschöner Wein gezaubert, der von diesem Boden geprägt wird. Das ist magisch.
Und während unten im Tal die Züge hin und her fahren, als gehörten sie zu einer Modell-Eisenbahn, hört sich die Stadt wie ein riesiges Brummen an. Man sieht einzelne Wohnhäuser, die sich mutig zwischen der Bahnlinie und dem Steinberg einzwängen.
Kurz vor dem Pavillon Moltkeruh – praktisch am Zenit des Rundgangs, von wo aus man auf den Würzburger Pfaffenberg und in Richtung Veitshöchheim und Margetshöchheim schauen kann – erfährt man, dass hier der wärmste Punkt Würzburgs ist. Hier brechen sich die Nordwinde, und die Stürme aus dem Spessart kommen kaum noch an. Im Jahresschnitt ist es hier um zwei Grad wärmer. Kein Wunder, wenn die Pfade im Stein im Frühjahr geradezu übervölkert sind.
Dem Stein nochmals einen neuen Aussichtspunkt zu verpassen – diese Idee würde wohl kaum jemanden einfallen, der den herrlichen Pfad gegangen ist.