„Es gibt Parteien, die könnten solche Veranstaltungen in der Telefonzelle durchführen“, sagte Bundestagsabgeordneter Paul Lehrieder schmunzelnd am Rednerpult des Gasthauses Lutz bei der Kreisvertreterversammlung der CSU Würzburg-Land. Welche Parteien, sagte Lehrieder nicht. Weil Telefonzellen früher mal gelb waren, könnte manch einer der 199 Delegierten aber eigene Überlegung angestellt haben.
Nein, in eine Telefonzelle hätten die CSU-Delegierten des Landkreises Würzburg am Donnerstag sicher nicht gepasst, es sei denn, sie wollten einen neuen Rekord aufstellen. Was schwer fallen dürfte, denn fast hätte nicht einmal der große Saal des Gasthauses ausgereicht, um allen einen Platz zu bieten. Alle vier Jahre kommt die Kreisvertreterversammlung der CSU Würzburg-Land zusammen, um die Vertreter für die Delegiertenversammlung im Bundeswahlkreis zu wählen. Zusammen mit der Stadt-CSU bestimmen dann später 160 Parteimitglieder, wer für den Wahlkreis als Bundestagskandidat aufgestellt wird.
Hoher Geräuschpegel
Das alles ist eine ziemlich formelle Angelegenheit. Deswegen hatte Kreisvorsitzender Thomas Eberth auch die Satzung der Partei neben sich liegen. Doch Wahlleiter Waldemar Brohm hatte die Parteistatuten nicht notwendig, um die Stimmabgabe ordnungsgemäß durchzuführen. Nur als ihm die Ersatzdelegierten zugerufen wurden, kam er ins Trudeln. „Ich werde alt“, murmelte er ins Mikrofon, weil er nicht jeden Namen gleich verstand. Zugute muss man dem 56-Jährigen halten, dass es ziemlich laut im Saal zuging. Kein Wunder, bei 199 Delegierten.
Gegen die Lautstärke im Saal musste auch Paul Lehrieder anreden. Der Jurist möchte im September 2017 wieder in den Bundestag gewählt werden. Es wäre dann seine vierte Periode. Lehrieder hat mittlerweile Karriere gemacht. Als Hinterbänkler gestartet, hat der gebürtige Ochsenfurter in dieser Periode den Vorsitz im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend inne. Und als solcher darf er auch schon mal neben Kanzlerin Angela Merkel sitzen, wenn diese zum Arbeitsessen lädt.
Gewohnt schnell riss Lehrieder in Giebelstadt die wichtigsten politischen Themen der vergangenen Jahre an. Sein Tempo hatte dabei nichts mit dem Fußballspiel der Deutschen zu tun, das um 21 Uhr angepfiffen wurde. Lehrieder spricht immer so schnell. Über Elternzeit, Kita-Plätze, Mütterrente und Familienpflegezeit. Alles Errungenschaften der großen Koalition in Berlin, Entscheidungen, bei denen Lehrieder mitwirkte.
Ruhiger wurde der 56-Jährige dann beim Thema Sterbehilfe. Vielleicht eine der wichtigsten und emotionalsten Debatten im Bundestag. Lehrieder ist froh, sagte er, dass es gelungen sei, keine Sterbevereine zuzulassen. „Denn Sterbende haben am meisten Angst vor der fehlenden menschlichen Zuwendung“, sagte der Politiker nachdenklich.
Fehler nicht wiederholen
Dann sprach er über Flüchtlinge. Warum sie gekommen sind und woher. Und darüber, wie sie integriert werden können. Lehrieder warnt davor, den gleichen Fehler wie vor 50 Jahren zu machen, als es um die Integration der Gastarbeiter ging. Sie nämlich nicht auszugrenzen, sondern ihnen „deutsche Leitkultur“ beizubringen. Deswegen verteilt Lehrieder auch schon mal das Grundgesetz auf arabisch. Und zitiert die ersten Artikel der Verfassung auswendig – allerdings in Deutsch.
Dann ist es drei Minuten nach 20 Uhr. Es gibt ein Wahlergebnis – und Lehrieder beendet schnell seine Rede. Alle 101 Delegierten sind gewählt – und auch reichlich Ersatzdelegierte werden gefunden. Am 29. Juli beginnt alles wieder von vorne. Nur sind es dann 160 Stimmberechtigte aus Würzburg und dem Landkreis. Dass Paul Lehrieder wiedergewählt wird, steht außer Frage. Spannend ist nur mit wieviel Stimmen.